Entscheidungsstichwort (Thema)

Rationalisierungsschutz. tarifliche Vergütungssicherung. Einbeziehung der Wechselschichtzulage in den Sicherungsbetrag

 

Orientierungssatz

1. Nach § 6 Abs. 2 Buchst. b Halbsatz 2 TV RatAng setzt sich der Sicherungsbetrag aus den in der Protokollnotiz Nr. 3 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng genannten tarifvertraglichen Wechselschicht- und Schichtzulagen zusammen, wenn der Angestellte sie mindestens die letzten fünf Jahre vor dem Tag, an dem er nach der Anordnung des Arbeitgebers die neue Tätigkeit aufgenommen hat (§ 6 Abs. 3 Unterabs. 2 TV RatAng), für mindestens die Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 BAT) ununterbrochen bezogen hat. Ungeachtet der Dauer einer Unterbrechung wird der ununterbrochene Bezug der Wechselschichtzulage fingiert, wenn der Angestellte sie aus einem der in den ersten beiden Fallgruppen der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng genannten Gründe vorübergehend nicht erhalten hat (zB wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Erholungsurlaubs oder wegen Ableistung des Grundwehrdienstes oder des Zivildienstes).

2. Liegt kein in den ersten beiden Fallgruppen konkretisierter, sondern ein sonstiger Grund nach der dritten Fallgruppe der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng vor, gilt die Wechselschichtzulage nur dann als ununterbrochen bezogen, wenn der Angestellte sie bis zu insgesamt höchstens zwei Monaten nicht erhalten hat.

3. Die Teilnahme an einem Lehrgang fällt unter die Generalklausel „aus sonstigen Gründen” in der dritten Fallgruppe. Erhält der Angestellte wegen eines Lehrgangsbesuchs länger als zwei Monate die tarifliche Wechselschichtzulage nicht, sind die Voraussetzungen der tariflichen Fiktion eines ununterbrochenen Bezugs der Zulage nicht erfüllt.

4. Die Ungleichbehandlung von Angestellten bei der Vergütungssicherung, die wegen eines Lehrgangsbesuchs in den letzten fünf Jahren die Wechselschichtzulage länger als zwei Monate nicht erhalten haben, und solchen Angestellten, die die Zulage wegen Fehlens dieses Anlasses ununterbrochen bezogen haben, ist nicht gleichheitswidrig.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BAT § 15 Abs. 1, § 33a Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 47

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 28.02.2003; Aktenzeichen 10 Sa 1168/01)

ArbG Lingen (Urteil vom 27.06.2001; Aktenzeichen 2 Ca 102/01)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. Februar 2003 – 10 Sa 1168/01 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 27. Juni 2001 – 2 Ca 102/01 – wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Einbeziehung einer Wechselschichtzulage in die tarifliche Vergütungssicherung.

Die Klägerin ist seit März 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den ihn ergänzenden Tarifverträgen. Im Fernmeldesystemzentrum der Bundeswehr am Standort L verrichtete die Klägerin ihre Tätigkeit als Fernschreiberin im Wechselschichtdienst und bezog die tarifliche Wechselschichtzulage. Vom 1. April 1997 bis zum 27. Juni 1997 besuchte sie einen Lehrgang „AFDN-Bw-Erstausbildung für das Betriebspersonal”. Dieser Lehrgang diente der Vertiefung von Kenntnissen und der Schulung an Geräten für den Fernschreibdienst. Während dieser Zeit entfiel die Wechselschichtzulage.

Das Fernmeldesystemzentrum L wurde im Rahmen einer Rationalisierungsmaßnahme geschlossen. Die Beklagte versetzte die Klägerin mit Wirkung zum 14. August 2000 zum Kreiswehrersatzamt M. Dort wird sie als Büro- und Schreibkraft ohne Wechselschichtdienst beschäftigt. Sie erhält ab September 2000 keine Wechselschichtzulage mehr.

Im Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte, die unter den Geltungsbereich des BAT fallen, vom 9. Januar 1987 (TV RatAng) idF des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 4. November 1992 heißt es:

㤠6

Vergütungssicherung

(1) Ergibt sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und 3 eine Minderung der Vergütung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Angestellten die Vergütung auf der Grundlage des Sicherungsbetrages (Absatz 2) zu wahren.

(2) Der Sicherungsbetrag setzt sich zusammen aus

  1. der Grundvergütung und dem Ortszuschlag der Stufe 1, der allgemeinen Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982,

    den in der Protokollnotiz Nr. 1 genannten Zulagen,

  2. den in der Protokollnotiz Nr. 2 genannten Zulagen, die der Angestellte für dieselbe Tätigkeit mindestens die letzten drei Jahre vor dem in Absatz 3 Unterabs. 2 genannten Tag ununterbrochen bezogen hat,

    und, wenn sie der Angestellte mindestens die letzten fünf Jahre vor dem in Absatz 3 Unterabs. 2 genannten Tag für mindestens die Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 BAT) ununterbrochen bezogen hat, den in der Protokollnotiz Nr. 3 genannten Zulagen,

    die dem Angestellten im Kalendermonat vor dem in Absatz 3 Unterabs. 2 genannten Tag zugestanden haben oder zugestanden hätten,

Protokollnotizen zu Absatz 2:

3. …

Tarifvertragliche Wechselschicht- und Schichtzulagen

4. Eine Zulage gilt auch dann als im Sinne des Buchstaben b ununterbrochen bezogen, wenn der Angestellte sie vorübergehend

wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs, wegen Sonderurlaubs nach § 50 Abs. 1 BAT oder wegen Arbeitsbefreiung,

wegen Ableistung des Grundwehrdienstes, von Wehrübungen oder des Zivildienstes, wegen Mutterschaftsurlaubs oder wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz,

aus sonstigen Gründen bis zu insgesamt höchstens zwei Monaten

nicht erhalten hat.”

Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe Vergütungssicherung zu. In den Sicherungsbetrag sei die bis August 2000 bezogene Wechselschichtzulage einzubeziehen. Ohne den Lehrgangsbesuch vom 1. April 1997 bis zum 27. Juni 1997 hätte sie diese Zulage vor ihrer Versetzung zum Kreiswehrersatzamt M die letzten fünf Jahre ununterbrochen bezogen. Die Beklagte dürfe sie gegenüber Angestellten, die an dem Lehrgang nicht teilgenommen hätten, nicht benachteiligen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 1. November 2000 einen Sicherungsbetrag nach § 6 TV RatAng zu gewähren, in den die bis August 2000 gezahlte Wechselschichtzulage von zuletzt 102,26 Euro (200,00 DM) brutto einfließt unter Beachtung der Bestimmungen des § 6 Abs. 3 bis Abs. 8 TV RatAng.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht Vergütungssicherung wegen der bis August 2000 bezogenen Wechselschichtzulage nicht zu.

I. Der Anspruch auf Vergütungssicherung folgt nicht aus § 6 Abs. 1 TV RatAng.

1. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Angestellten die Vergütung auf der Grundlage des Sicherungsbetrags (Abs. 2) zu wahren, wenn sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 TV RatAng eine Minderung der Vergütung ergibt. Gemäß § 6 Abs. 2 Buchst. b Halbsatz 2 TV RatAng setzt sich der Sicherungsbetrag aus den in der Protokollnotiz Nr. 3 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng genannten tarifvertraglichen Wechselschicht- und Schichtzulagen zusammen, wenn der Angestellte sie mindestens die letzten fünf Jahre vor dem Tag, an dem er nach der Anordnung des Arbeitgebers die neue Tätigkeit aufgenommen hat (§ 6 Abs. 3 Unterabs. 2 TV RatAng), für mindestens die Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 BAT) ununterbrochen bezogen hat. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Sie hat ihre neue Tätigkeit am 14. August 2000 aufgenommen und in der Zeit vom 1. April 1997 bis zum 27. Juni 1997 die Wechselschichtzulage nicht bezogen.

2. Auch die Voraussetzungen, nach denen trotz einer zeitlichen Unterbrechung die Wechselschichtzulage als durchgehend bezogen gilt, sind zugunsten der Klägerin nicht erfüllt.

Nach der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng gilt eine Zulage auch dann als iSd. Buchstaben b ununterbrochen bezogen, wenn der Angestellte sie vorübergehend

  • wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs, wegen Sonderurlaubs nach § 50 Abs. 1 BAT oder wegen Arbeitsbefreiung,
  • wegen Ableistung des Grundwehrdienstes, von Wehrübungen oder des Zivildienstes, wegen Mutterschaftsurlaubs oder wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz,
  • aus sonstigen Gründen bis zu insgesamt höchstens zwei Monaten nicht erhalten hat. Der von der Klägerin besuchte Lehrgang erfüllt keinen Ausnahmetatbestand iSd. der ersten beiden Fallgruppen. Die Unterbrechung des Bezugszeitraums infolge der Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung fällt in die dritten Fallgruppe, die als Generalklausel jede Unterbrechung „aus sonstigen Gründen” genügen lässt. Diese tarifliche Fiktion des ununterbrochenen Bezugs der Wechselschichtzulage setzt allerdings voraus, dass die Zulage in den letzten fünf Jahren insgesamt höchstens zwei Monate nicht bezogen wurde. Daran fehlt es. Die Klägerin hat die tarifliche Wechselschichtzulage vom 1. April 1997 bis zum 27. Juni 1997 und damit länger als zwei Monate nicht erhalten.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die in der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng getroffene Regelung nicht gleichheitswidrig.

1. Die in § 6 TV RatAng geregelte Vergütungssicherung betrifft den Bereich des Arbeitsentgelts. Eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Bereich des Arbeitsentgelts kann nur gerechtfertigt sein, wenn sich der Grund für die Differenzierung aus dem Leistungszweck ergibt (BAG 11. Dezember 2003 – 6 AZR 64/03 – zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.]). Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich darin frei, in Ausübung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen (BAG 19. Februar 1998 – 6 AZR460/96 – BAGE 88, 92, 97).

a) Der Zweck des § 6 TV RatAng besteht nach der Überschrift der Tarifvorschrift und ihrem Regelungsgehalt darin, bei einer Minderung der Vergütung auf Grund einer Rationalisierungsmaßnahme dem Angestellten die bisherige Vergütung für eine bestimmte Zeit zu sichern. Bezüglich der Dauer der Vergütungssicherung haben die Tarifvertragsparteien in § 6 Abs. 3 TV RatAng an die tariflichen Kündigungsfristen angeknüpft. Wie lange der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Angestellten die Vergütung auf der Grundlage des Sicherungsbetrages zu wahren, hängt damit von der Beschäftigungszeit ab. Daraus wird die Zielsetzung der Tarifvertragsparteien deutlich. Die Vergütung soll dem Angestellten auf der Grundlage des Sicherungsbetrages umso länger zustehen, je andauernder seine Lebensverhältnisse durch die höhere Vergütung vor der Rationalisierungsmaßnahme geprägt waren.

b) Demzufolge haben die Tarifvertragsparteien auch für die Einbeziehung der Wechselschichtzulage nach § 33a Abs. 1 BAT darauf abgestellt, wie lange der Angestellte diese Erschwerniszulage bisher bezogen hat. § 6 Abs. 2 Buchst. b TV RatAng verlangt für die Vergütungssicherung dieser Zulage einen ununterbrochenen Bezug in den letzten fünf Jahren. Hat der Angestellte die Wechselschichtzulage in diesem Zeitraum nicht durchgehend erhalten, hat sie nach der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien die jeweiligen Lebensverhältnisse nicht bestimmt.

2. Allerdings kann ein ununterbrochener Bezug der Wechselschichtzulage über einen Zeitraum von fünf Jahren in der Praxis an Umständen scheitern, die für das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis typisch sind und die ihre Ursache in der Sphäre des Angestellten haben. Die Wechselschichtzulage ist eine Erschwerniszulage. Sie steht dem Angestellten nach § 33a Abs. 1 BAT nur zu, wenn er in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet. Wird er nicht zu Nachtschichten herangezogen, weil er etwa arbeitsunfähig erkrankt ist oder sich im Urlaub oder Sonderurlaub befindet, kann für ihn die Erschwernis der Arbeit in Nachtschichten in diesem und möglicherweise auch im darauffolgenden Zeitraum nicht mehr anfallen. Die durch diese Ereignisse ausgefallenen Nachtschichtstunden sind bei der Ermittlung des von der Tarifvorschrift geforderten Umfangs der Nachtarbeit nicht mit zu berücksichtigen (BAG 28. August1996 – 10 AZR 174/96 – AP BAT § 36 Nr. 8).

3. Das hat die Tarifvertragsparteien veranlasst, Ausnahmetatbestände zu regeln. In der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng haben sie für bestimmte Fälle des vorübergehenden Wegfalls der Wechselschichtzulage deren ununterbrochenen Bezug fingiert und dazu Fallgruppen gebildet.

a) In der ersten Fallgruppe sind typische, in der Sphäre des Angestellten liegende Gründe für die Nichtleistung von Nachtschichten anlassbezogen konkretisiert. Unerheblich ist, wie lange der Angestellte die Wechselschichtzulage aus den in dieser Fallgruppe genannten Gründen nicht erhalten hat.

Auch in der zweiten Fallgruppe ist die Dauer der Unterbrechung für die tarifliche Fiktion des ununterbrochenen Bezugs der Zulage ohne Bedeutung. In dieser Fallgruppe haben die Tarifvertragsparteien berücksichtigt, dass die Wechselschichtzulage vorübergehend wegfallen kann, weil der Angestellte Grundwehrdienst oder Zivildienst leistet oder zu Wehrübungen herangezogen wird. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sollten Unterbrechungen, die auf der Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Dienstpflichten beruhen, der Vergütungssicherung nicht entgegenstehen. Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien den besonderen Schutzbedarf von Angestellten, die Kinder betreuen und erziehen, anerkannt. Sie haben den ununterbrochenen Bezug der Wechselschichtzulage fingiert, wenn der Angestellte sie vorübergehend wegen Mutterschaftsurlaubs oder wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz nicht erhalten hat. Auch die Betreuung und Erziehung von Kindern in den ersten Lebensjahren durch ein Elternteil und der dazu erforderliche Urlaub (jetzt Elternzeit) zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegen im öffentlichen Interesse.

Mit der dritten Fallgruppe haben die Tarifvertragsparteien eine Auffangregelung für alle sonstigen denkbaren Gründe geschaffen, während denen die Voraussetzungen für die Gewährung einer bestimmten Zulage nicht erfüllt werden konnten. Dabei haben sie die tarifliche Fiktion des ununterbrochenen Bezugs der Wechselschichtzulage im Gegensatz zu den ersten beiden Fallgruppen an die Dauer der Unterbrechung geknüpft. Dazu haben sie bestimmt, dass die Zulage nur dann als ununterbrochen bezogen gilt, wenn der Angestellte sie aus sonstigen Gründen bis zu insgesamt höchstens zwei Monaten nicht erhalten hat.

b) Sinn und Zweck der Vergütungssicherung erlauben diese tarifliche Differenzierung. Die zeitliche Begrenzung der Unterbrechung für die tarifliche Fiktion des ununterbrochenen Bezugs der Zulage, wenn der Angestellte sie aus sonstigen Gründen nicht erhalten hat, ist sachlich gerechtfertigt.

aa) Hätten die Tarifvertragsparteien auch bei den in den ersten beiden Fallgruppen genannten Gründen für den vorübergehenden Wegfall der Wechselschichtzulage die tarifliche Fiktion an eine Frist von höchstens zwei Monaten geknüpft, würde der mit der Vergütungssicherung verfolgte Zweck weitgehend verfehlt. Die Zulage würde nur dann in den Sicherungsbetrag einbezogen werden können, soweit sie als in Monatsbeträgen zu zahlende Zulage Teil der Krankenvergütung nach § 37 Abs. 2 BAT oder der Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 1 BAT wäre. Typischerweise besteht bei den in dieser Fallgruppe geregelten Sachverhalten daher die Gefahr, dass die nach § 33a Abs. 1 BAT für die Wechselschichtzulage erforderliche Zahl von Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht nicht erreicht wird und der Angestellte im Fünf-Jahres-Zeitraum in der Regel insgesamt mehr als zwei Monate die Wechselschichtzulage nicht erhalten kann. Die in der zweiten Fallgruppe genannten Gründe „Grundwehrdienst” und „Zivildienst” dauern länger als zwei Monate. Das gilt in aller Regel auch für den von dieser Fallgruppe erfassten Mutterschafts- und Erziehungsurlaub. Um den Zweck der Vergütungssicherung zu erreichen, dem Angestellten die höhere Vergütung für eine bestimmte Zeit zu wahren, haben die Tarifvertragsparteien deshalb bei den ersten beiden Fallgruppen die tarifliche Fiktion ausschließlich anlassbezogen und nicht zeitlich begrenzt.

bb) Demgegenüber erfordert der von den Tarifvertragsparteien mit der Vergütungssicherung verfolgte Leistungszweck in der dritten Fallgruppe eine zeitliche Höchstgrenze. Die in § 6 Abs. 2 Buchst. b TV RatAng getroffene Regelung, wonach der Angestellte die Wechselschichtzulage mindestens die letzten fünf Jahre ununterbrochen bezogen haben muss, wäre sinnentleert, wenn die in der dritten Fallgruppe erfassten „sonstigen Gründe” ohne zeitliche Begrenzung der Unterbrechung die tarifliche Fiktion auslösen würden.

4. Mit der Frist von insgesamt höchstens zwei Monaten in der dritten Fallgruppe der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng haben die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht überschritten. Diese Stichtagsregelung ist wirksam.

a) Die Tarifvertragsparteien waren durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht daran gehindert, die tarifliche Fiktion des ununterbrochenen Bezugs der Wechselschichtzulage auf Unterbrechungen bis zu insgesamt höchstens zwei Monate zu begrenzen, wenn der Angestellte die Wechselschichtzulage aus „sonstigen Gründen” nicht erhalten hat. Stichtage sind als Ausdruck einer pauschalierten Betrachtung und im Interesse der Praktikabilität grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Zeitpunktes am zu regelnden Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist (BAG 11. Dezember 2003– 6 AZR 64/03 – zVv.; 25. Juni 2003 – 4 AZR 405/02 – NZA 2004, 215, zu A II 2 b aa der Gründe; 18. Oktober 2000 – 10 AZR 643/99 – AP BAT-O § 11 Nr. 24, zu II 3 a aa (1) der Gründe; 19. April 1983 – 1 AZR 498/81 – BAGE 42, 217, 222). Vergütungssicherungen bei Rationalisierungsmaßnahmen wären ohne Stichtagsregelungen kaum durchführbar. Den Tarifvertragsparteien gebührt dabei auf Grund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsfreiraum.

b) Diesen haben die Tarifvertragsparteien bei der Begrenzung der Frist auf höchstens zwei Monate gewahrt. Das Ziel eines Ausgleichs der Vergütungsminderung erfordert im Hinblick auf die von § 6 Abs. 2 Buchst. b TV RatAng vorausgesetzte Bezugsdauer von fünf Jahren keinen längeren Zeitraum. Die Gründe, aus denen der Angestellte die Wechselschichtzulage typischerweise vorübergehend nicht erhält, sind weitgehend in den ersten beiden Fallgruppen der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 6 Abs. 2 TV RatAng konkretisiert. Die Generalklausel in der dritten Fallgruppe soll nur in den ersten beiden Fallgruppen nicht bereits genannte „sonstige Gründe” auffangen und den durch das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers gedeckten oder sonstigen, zur Unterbrechung des Wechselschichtbezugs führenden Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien Rechnung tragen.

5. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ohne Bedeutung, dass sie die Wechselschichtzulage wegen der Teilnahme an einem Lehrgang zur Vertiefung und Erweiterung ihrer Kenntnisse länger als zwei Monate nicht erhalten hat. Ungeachtet der Richtigkeit ihrer Behauptung, dass sie im ausschließlichen Interesse der Beklagten den Lehrgang besucht hat, wäre das nicht maßgebend. In der tariflichen Regelung kommt nicht zum Ausdruck, dass eine über zwei Monate hinausgehende Unterbrechung des Bezugs der Zulage unerheblich sein soll, wenn die nach § 33a Abs. 1 BAT für die Wechselschichtzulage erforderliche Anzahl von Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht aus im Interesse des Arbeitgebers liegenden Gründen nicht geleistet wurde. Auf eine Interessenlage stellt die tarifliche Regelung nicht ab. Sie knüpft die Einbeziehung der Wechselschichtzulage in den Sicherungsbetrag ausschließlich daran, dass diese Erschwerniszulage die Lebensverhältnisse des Angestellten in den letzten fünf Jahren geprägt hat.

 

Unterschriften

Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Schipp, Klapproth

 

Fundstellen

Haufe-Index 1153744

NZA 2004, 808

ZTR 2004, 424

AP, 0

PersR 2005, 209

PersV 2005, 78

NJOZ 2004, 2590

Tarif aktuell 2004, 5

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