Entscheidungsstichwort (Thema)

BAT-O. räumlicher Geltungsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortsetzung der Senatsrechtsprechung zur Abgrenzung von BAT und BAT-O; im Anschluß an BAG Urteil vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt.

 

Normenkette

BAT § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 8 Sa 113/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 21.07.1994; Aktenzeichen 17 Ca 37067/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 22. Februar 1995 – 8 Sa 113/94 – teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Juli 1994 – 17 Ca 37067/93 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 25.606,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 11. Mai 1994 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Berufung und die weitergehende Revision werden zurückgewiesen.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und des Nebenintervenienten zu je 3/8. Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 5/8. Der Nebenintervenient trägt die Kosten der Nebenintervention zu 5/8.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger in der Zeit vom 1. Februar 1992 bis zum 18. März 1994 ein Anspruch auf Vergütung nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) oder nach den jeweiligen Vergütungstarifverträgen zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – vom 10. Dezember 1990 (BAT-O) zustand.

Der Kläger, der Diplompädagoge ist, war seit dem 1. November 1988 als Leiter des Bereichs psychologische und sonderpädagogische Diagnostik beim Pädagogisch-Medizinischen Zentrum (PMZ), einer Einrichtung im Bereich des Ministerrats der ehemaligen DDR, die ihren Sitz in Ostberlin hatte, beschäftigt. Diese Einrichtung wurde nach dem 3. Oktober 1990 zunächst vom Bund und seit dem 1. Juli 1991 vom Land Berlin, Senatsverwaltung für Jugend und Familie, fortgeführt.

Die Parteien schlossen mit Wirkung zum 1. Juli 1991 einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger als Angestellter im Bereich der Senatsverwaltung für Jugend und Familie mit einer Vergütung nach VergGr. II a auf unbestimmte Zeit beschäftigt wird. Nach § 4 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach BAT-O.

Auf seine Bewerbung wurde der Kläger seit dem 1. Oktober 1991 im Kindernotdienst in Berlin … (Berlin-West) in der G. Straße … beschäftigt. Dies beruhte auf seiner Umsetzung im Bereich der Senatsverwaltung Jugend und Familie vom PMZ zum „Kindernotdienst-Ost”, zu der der Personalrat mit Schreiben vom 13. September 1991 angehört worden war. Von diesem Vorgang erhielt der Kläger erst im Laufe des Rechtsstreits Kenntnis.

Zum damaligen Zeitpunkt existierte eine Einrichtung „Kindernotdienst-Ost” nicht. Der der Senatsverwaltung für Jugend und Familie unterstehende Kindernotdienst hatte seinen Sitz in der G. Straße … im Westteil Berlins. In den östlichen Bezirken Berlins gab es seinerzeit ein Nothilfeangebot für Kinder und Jugendliche in dem „Durchgangsheim Alt-Stralau” (Bezirk Friedrichshain) und im „Haus der Jugendhilfe” im Bezirk Pankow. Nach der Konzeption der Senatsverwaltung für Jugend und Familie sollte unter Einbeziehung aller Einrichtungen für den gesamten Berliner Raum ein Not- und Krisenangebot für Kinder und Jugendliche sichergestellt werden. Dazu war u.a. erforderlich, einen Teil des ursprünglichen „Durchgangsheims Alt-Stralau”, nämlich das Gebäude A., zur künftigen Nutzung für die Unterbringung gefährdeter Kinder und Jugendlicher baulich herzurichten.

Nach Abschluß dieser Maßnahme übernahm der Kläger ab 1. Mai 1993 die Betreuung dieses Hauses. Eine ursprünglich für diese Aufgabe in Aussicht genommene Kollegin des Klägers hatte dies aus persönlichen Gründen abgelehnt.

Mit Schreiben vom 11. Februar 1993 machte der Kläger Ansprüche auf Vergütung nach BAT seit dem 1. Februar 1992 geltend. In einem Rundschreiben der Senatsverwaltung für Inneres vom 3. Dezember 1992 über die „Tarifsituation nach der Vereinigung” wird zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer unterstellt, daß sie ihre Ansprüche auf Anwendung des Tarifrechts West am 30. Juli 1992 schriftlich geltend gemacht haben.

Mit seiner am 20. Dezember 1993 bei Gericht eingereichten Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, auf sein Arbeitsverhältnis finde der BAT Anwendung. Seit Anfang 1994 ist der Kläger aufgrund seiner Mitgliedschaft in der ÖTV tarifgebunden. Am 18. März 1994 wurde das Arbeitsverhältnis beendet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe für die Zeit vom 1. Februar 1992 bis zum 18. März 1994 ein Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen der Vergütung nach BAT und der Vergütung nach BAT-O zu.

Seit dem 1. Oktober 1991 habe auf das Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung gefunden, da er seit diesem Zeitpunkt im Kindernotdienst in der G. Straße … und damit im räumlichen Geltungsbereich des BAT beschäftigt worden sei. Es sei auch beabsichtigt gewesen, ihn zur Förderung des Integrationsprozesses Ost/West dort auf Dauer einzusetzen, wie ihm der Leiter des Kindernotdienstes, Sozialoberamtsrat D., erklärt habe. Anhaltspunkte für einen nur vorübergehenden Einsatz seien nicht ersichtlich gewesen.

Die Übernahme der Betreuung des Hauses A. habe nicht zum Wegfall des Vergütungsanspruchs nach BAT geführt. Diese Aufnahmeeinrichtung diene nicht nur der Unterbringung von Kindern aus den östlichen Bezirken Berlins, sondern der allgemeinen Entlastung der Einrichtung in der G. Straße … in den Fällen, in denen eine längerfristige Unterbringung erforderlich sei. Auch sei er weiterhin zu 1/3 seiner Arbeitszeit für die Einrichtung in der G. Straße … tätig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 41.298,96 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Mai 1994 auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das beklagte Land vertritt die Auffassung, dem Kläger habe nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O zugestanden. Das Arbeitsverhältnis sei im Beitrittsgebiet begründet worden, so daß die Vereinbarung des BAT-O im Arbeitsvertrag vom 1. Juli 1991 rechtlich zulässig gewesen sei. Der BAT-O habe auch für die Zeit der Tätigkeit des Klägers im Kindernotdienst in der G. Straße … gegolten. Diese Tätigkeit habe der Kläger, wie ihm auch erkennbar gewesen sei, nur vorübergehend bis zur Fertigstellung der Einrichtung in A. ausüben sollen. Dies gehe auch aus der Umsetzungsverfügung vom 13. September 1991 hervor, in der ausdrücklich eine Umsetzung zum „Kindernotdienst-Ost” ausgesprochen worden sei.

Jedenfalls für die Zeit seit dem 1. Mai 1993 habe nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O bestanden, nachdem der Kläger mit der Betreuung des Hauses A. wieder eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet aufgenommen habe.

Das beklagte Land hat dem Leiter des Kindernotdienstes, dem Sozialoberamtsrat D., im Hinblick auf seine vom Kläger behauptete Erklärung über einen dauerhaften Einsatz in der Einrichtung G. Straße … den Streit verkündet. Der Streitverkündete ist dem Rechtsstreit beigetreten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger im Hinblick auf eine niedrigere Lebensaltersstufe seine Klageforderung auf 40.033,09 DM brutto ermäßigt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt das beklagte Land weiterhin Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Nebenintervenient hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Dem Kläger steht für die Zeit seines Einsatzes in der im Ostteil Berlins gelegenen Einrichtung A. vom 1. Mai 1993 bis zum 18. März 1994 kein Anspruch auf Vergütung nach BAT zu. Im übrigen ist die Revision unbegründet, da der Kläger für die Zeit seiner Tätigkeit bei der im Westteil Berlins gelegenen Einrichtung G. Straße … vom 1. Februar 1992 bis zum 30. April 1993 einen Anspruch auf Vergütung nach BAT hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei in vollem Umfange begründet. Auf das Arbeitsverhältnis habe seit dem 1. Oktober 1991 der BAT Anwendung gefunden. Der BAT-O sei seit diesem Zeitpunkt auf das Arbeitsverhältnis nicht mehr anwendbar gewesen, weil der Kläger ohne zeitliche Begrenzung eine Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT aufgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht absehbar gewesen, daß der Kläger nach Abschluß der Bauarbeiten im Haus A. eingesetzt werden sollte.

Der Anspruch auf Vergütung nach BAT sei auch nach der Aufnahme seiner Tätigkeit in dieser Einrichtung ab 1. Mai 1993 nicht entfallen. Der Kindernotdienst nehme eine gesamtberliner Aufgabe wahr. Deshalb bleibe ein einmal begründeter Anspruch auf Vergütung nach BAT auch dann erhalten, wenn der Angestellte später in Diensträumen eingesetzt werde, die im Ostteil Berlins liegen. Dies folge insbesondere auch daraus, daß der Kläger zuvor in den mit dem Kindernotdienst vergleichbaren Einrichtungen in Ostberlin nicht gearbeitet habe. Im übrigen habe der Kläger auch nach Aufnahme seiner Tätigkeit in der Einrichtung A. noch zu 1/3 seiner Arbeitszeit Aufgaben in der zentralen Anlauf- und Beratungsstelle des Kindernotdienstes in der G. Straße … wahrgenommen.

Diesen Ausführungen ist nur zum Teil zuzustimmen.

II. Dem Kläger steht für die Zeit seiner Tätigkeit im Kindernotdienst in der G. Straße … (Berlin-West) vom 1. Februar 1992 bis zum 30. April 1993 ein Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen einer Vergütung nach BAT und einer Vergütung nach BAT-O in Höhe von 25.606,44 DM brutto zu. Für die Zeit seiner Tätigkeit in der Einrichtung A. – (Berlin-Ost) vom 1. Mai 1993 bis zum 18. März 1994 hat er nur einen Anspruch auf Vergütung nach BAT-O, den das beklagte Land erfüllt hat.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag seit dem 1. Juli 1991 der BAT-O Anwendung.

Nach § 4 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach BAT-O. Diese Vereinbarung zwischen dem beklagten Land und dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht tarifgebundenen Kläger ist als typische Vereinbarung dahingehend auszulegen, daß auf das Arbeitsverhältnis die tariflichen Bestimmungen Anwendung finden sollen, die bei Tarifgebundenheit gelten würden (BAG Urteile vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 156/92 – AP Nr. 27 zu § 23 a BAT und vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – zur Veröffentlichung … vorgesehen).

Nach § 1 Abs. 1 Buchst. b BAT-O gilt dieser Tarifvertrag für Angestellte der Länder, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) begründet sind.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet, wenn es einen räumlichen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht (BAG Urteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gegeben. Der Arbeitsvertrag des Klägers bestand seit dem 1. November 1988 und damit vor der Deutschen Einheit zum Pädagogisch-Medizinischen Zentrum, einer Einrichtung im Bereich des Ministerrats der ehemaligen DDR mit Sitz in Ostberlin, die vom Land Berlin fortgeführt wurde. Der Kläger war in dieser Einrichtung auf unbestimmte Zeit mit einer angestelltenversicherungspflichtigen Tätigkeit beschäftigt.

2. Für die Zeit der Tätigkeit des Klägers im Kindernotdienst in der G. Straße … (Berlin-West) vom 1. Oktober 1991 bis zum 30. März 1993 fand auf das Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 1 Abs. 1 BAT-O einschränkend dahingehend auszulegen, daß der BAT-O solange keine Anwendung findet, wie der Angestellte im räumlichen Geltungsbereich des BAT tätig ist (BAG Urteile vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 – AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 329/94 – AP Nr. 2 zu § 1 TV Ang Bundespost und – 6 AZR 614/94 – AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, alle auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeit auf nicht absehbare Zeit im räumlichen Geltungsbereich des BAT zu leisten ist. Auf nicht absehbare Zeit ist die Arbeit im Geltungsbereich des BAT nicht nur dann zu leisten, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers auf Dauer, sondern auch, wenn er nur vorübergehend im räumlichen Geltungsbereich des BAT liegt, aber keine zeitliche Begrenzung der Tätigkeit vereinbart oder bestimmt ist. Dabei kommt es für die zeitliche Begrenzung einer Tätigkeit auf die Erklärung des Arbeitgebers bei Beginn des Arbeitseinsatzes im Geltungsbereich des BAT an (BAG Urteil vom 1. Juni 1995 – 6 AZR 922/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) Nach diesen Grundsätzen fand mit der Aufnahme der Tätigkeit des Klägers ab 1. Oktober 1991 im Kindernotdienst auf das Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Kläger seit dem 1. Oktober 1991 ohne zeitliche Begrenzung im Kindernotdienst in der G. Straße … im Westteil Berlins eingesetzt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihm der Leiter des Kindernotdienstes bei Beginn seiner Tätigkeit erklärt hat, es sei ein Einsatz auf Dauer beabsichtigt. Maßgebend ist vielmehr, daß das beklagte Land dem Kläger gegenüber weder zu erkennen gegeben hat, der Einsatz sei zeitlich begrenzt, noch für den Kläger absehbar war, auf welchen Zeitraum sich seine Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT erstrecken sollte.

Mit Recht hat demgegenüber das Landesarbeitsgericht der Umsetzung zum „Kindernotdienst-Ost”, von der der Kläger erst im Laufe des Rechtsstreits Kenntnis erhielt, keine maßgebende Bedeutung beigemessen. Eine „Umsetzung” zu einem damals als Einrichtung noch gar nicht existierenden „Kindernotdienst-Ost” hätte allenfalls den Zweck haben können, dem Kläger eine im Hinblick auf seine Tätigkeit im Geltungsbereich des BAT zustehende Vergütung vorzuenthalten. Dies widerspräche aber der tariflich gebotenen Abgrenzung der Geltungsbereiche des BAT und des BAT-O.

Dem Kläger stand deshalb der von ihm im Hinblick auf die tarifliche Ausschlußfrist ab 1. Februar 1992 geltend gemachte Anspruch auf die Differenz zwischen einer Vergütung nach BAT und einer Vergütung nach BAT-O für die Zeit seines Einsatzes im Kindernotdienst in der G. Straße … bis zum 30. April 1993, den das Landesarbeitsgericht mit 25.606,44 DM brutto berechnet hat, zu.

3. Einen darüber hinausgehender Vergütungsanspruch hat der Kläger nicht, da seit dem 1. Mai 1993 auf das Arbeitsverhältnis wieder der BAT-O anzuwenden war.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats, wie sie im Urteil vom 23. Februar 1995 (– 6 AZR 667/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen) zusammengefaßt ist, gilt für ein im Beitrittsgebiet begründetes und dort durchgeführtes Arbeitsverhältnis östliches Tarifrecht. Demgegenüber findet auf ein im Beitrittsgebiet begründetes und in den alten Bundesländern fortgesetztes Arbeitsverhältnis westliches Tarifrecht Anwendung. In einem Fall vorübergehender Beschäftigung im Westen gilt nach Rückkehr des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet wieder östliches Tarifrecht. Östliches Tarifrecht gilt aber auch dann, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich westlichen Tarifrechts fortgesetzt worden ist, später wieder in den räumlichen Geltungsbereich östlichen Tarifrechts zurückkehrt.

Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 1 Abs. 1 BAT. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der unterschiedlichen Tarifregelungen in Ost und West kommt es für die Geltung der tariflichen Bestimmungen auf den Arbeitsort an. Weder enthält § 1 Abs. 1 BAT-O einen Hinweis darauf, daß die tariflichen Bestimmungen des BAT-O auch gelten, solange der Arbeitnehmer in einer Betriebsstätte im räumlichen Geltungsbereich des BAT beschäftigt wird, noch ergibt sich aus § 1 Abs. 1 BAT, daß der BAT weitergelten soll, wenn der Arbeitsort wieder im räumlichen Geltungsbereich des BAT-O liegt.

Diese an Sinn und Zweck orientierte Auslegung schließt es daher aus, den BAT anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des BAT-O erfüllt, nach einer Tätigkeit im Westen wieder auf unbestimmte Zeit im Geltungsbereich des BAT-O arbeitet (BAG Urteil vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 667/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) Nach diesen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung stand dem Kläger für die Zeit seiner Tätigkeit in der Einrichtung „A.-…” vom 1. Mai 1993 bis 18. März 1994 nur ein Anspruch auf Vergütung nach BAT-O zu.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist im Beitrittsgebiet begründet worden und wurde auf unbestimmte Zeit dort ausgeübt. Deshalb lagen die Voraussetzungen zur Anwendung des BAT-O vor. Für die Zeit seiner Tätigkeit im Kindernotdienst in der G. Straße … (Berlin-West) wurde die Geltung des BAT-O durch den BAT verdrängt. Seit dem 1. Mai 1993 befindet sich der Arbeitsplatz des Klägers im Haus „A.” und damit wieder im Beitrittsgebiet. Der Kläger wurde auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt bis das Arbeitsverhältnis am 18. März 1994 endete. Dies führt zur Anwendung des BAT-O, da der räumliche Bezug zum Beitrittsgebiet wieder hergestellt wurde.

aa) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich eine anderweitige Beurteilung nicht daraus, daß der Kindernotdienst als Einrichtung der Senatsverwaltung für Jugend und Familie für ganz Berlin zuständig ist und der Kläger damit gesamtberliner Aufgaben wahrnahm.

Da es für die Frage, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist, grundsätzlich auf die Lage des Arbeitsplatzes ankommt, ist es rechtlich unerheblich, daß der Kläger „gesamtberliner”, also nicht nur auf das Beitrittsgebiet bezogene Aufgaben wahrzunehmen hat. Darauf kommt es ebensowenig an, wie auf den Sitz der Dienststelle. Wenn die Tarifvertragsparteien die Fälle der den Tarifbezirk überschreitenden Aufgabenerfüllung hätten anders regeln wollen, hätten sie dies im Tarifwortlaut zum Ausdruck bringen müssen (vgl. BAG Urteil vom 21. September 1995 – 6 AZR 151/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).

bb) Das Landesarbeitsgericht begründet die Fortgeltung des BAT nach Aufnahme der Tätigkeit im Haus A. ferner damit, daß der Kläger insoweit nicht auf seinen früheren Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet zurückkehrte und er außerdem während seiner Beschäftigung im Haus A. zu 1/3 seiner Arbeitszeit noch im Kindernotdienst in der G. Straße … tätig wurde.

Diese Umstände stehen der Anwendung des BAT-O jedoch nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien knüpfen hinsichtlich der Geltung des BAT und des BAT-O daran an, ob der Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet liegt oder nicht. Die Voraussetzungen des BAT-O treten also auch dann wieder ein, wenn der Angestellte nicht auf seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückkehrt, sondern eine anderweitige Aufgabe erfüllt, sofern diese nur auf einem Arbeitsplatz zu leisten ist, der im Beitrittsgebiet liegt. Der Arbeitsplatz liegt dann im Beitrittsgebiet, wenn sich der Schwerpunkt der Tätigkeit dort befindet. Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit im Beitrittsgebiet ausgeübt wird (BAG Urteil vom 23. Februar 1995 – 6 AZR 329/94 –, a.a.O.). Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger unstreitig bei seiner arbeitszeitlich überwiegenden Tätigkeit im Haus A.

cc) Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten hat, der die Anwendung des BAT-O zunächst rechtfertigende Bezug zum Beitrittsgebiet sei dadurch endgültig gelöst worden, daß er seit dem 1. Oktober 1991 eine gegenüber seiner früheren Tätigkeit beim PMZ völlig andersartige Tätigkeit ausgeübt habe, kann er damit keinen Erfolg haben.

Der Kläger war aufgrund des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 1991 als Angestellter des Landes Berlin im Bereich der Senatsverwaltung Jugend und Familie beschäftigt. Dieser Arbeitsvertrag ist nicht zum 30. September 1991 beendet und durch einen neuen Arbeitsvertrag ab 1. Oktober 1991 ersetzt worden. Vielmehr übernahm der Kläger zu diesem Zeitpunkt im Rahmen des bisherigen Arbeitsvertrages nur einen neuen Aufgabenbereich. Dies führte zwar für die Dauer seiner im Westteil Berlins erbrachten Arbeitsleistung zur Anwendung des BAT, vermochte aber den zuvor gegebenen Bezug zum Beitrittsgebiet nicht auf Dauer zu beseitigen. Deshalb fand nach Wiederherstellung dieses Bezuges durch Aufnahme einer Tätigkeit im Ostteil Berlins auf das Arbeitsverhältnis wieder der BAT-O Anwendung.

4. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung nach BAT für die Zeit seiner Tätigkeit im Haus A. ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet.

Der Kläger beruft sich unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 26. Oktober 1995 (– 6 AZR 125/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen) insoweit in der Revisionsinstanz erstmalig darauf, das Land Berlin habe allen Angestellten, die aufgrund einer Tätigkeit im Westteil Berlins einen Anspruch auf Vergütung nach BAT erworben hatten, die entsprechende Vergütung auch nach ihrer Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet gezahlt. Dieser Sachvortrag des Klägers, den das beklagte Land zudem bestritten hat, kann als neues Vorbringen i.S.v. § 561 ZPO in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.

5. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 101 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, K.-H. Reimann, Matiaske

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089236

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