Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

Die Arbeitsverhältnisse der an Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen Beschäftigten sind nicht gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 kraft Gesetzes auf die Gemeinden als Träger der Kindertageseinrichtungen übergegangen.

 

Normenkette

Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 (SächsGVBl. 1991 S. 237) §§ 8, 20 Abs. 5; GG Art. 28 Abs. 2; BGB § 613a; BRRG § 128 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 04.09.1992; Aktenzeichen 2 Sa 106/92)

KreisG Zschopau (Urteil vom 24.03.1992; Aktenzeichen A 338/91)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 4. September 1992 – 2 Sa 106/92 –, soweit es über die Klaganträge zu 3. und 4. entschieden hat, aufgehoben. Insoweit wird auf die Berufung der Beklagten zu 2) unter teilweiser Abänderung des Urteils des Kreisgerichts Zschopau vom 24. März 1992 – A 338/91 – die Klage abgewiesen.
  • Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 4/7 und der Beklagte zu 1) zu 3/7 zu tragen. Der Beklagte zu 1) hat seine außergerichtlichen Kosten allein zu tragen. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein vom früheren Arbeitgeber der Klägerin kraft Gesetzes übergegangenes Vollzeitarbeitsverhältnis oder lediglich das kraft einzelvertraglicher Vereinbarung neu begründete Teilzeitarbeitsverhältnis besteht.

Die am 7. November 1947 geborene Klägerin ist ausgebildete Kindergärtnerin. Sie arbeitete aufgrund eines mit dem Rat des Kreises Z… geschlossenen Arbeitsvertrages seit 1. März 1977 als Kindergärtnerin. Sie war als Vollzeitkraft tätig und erzielte im Monat Mai 1991 ein Monatsgehalt in Höhe von DM 1.430,-- brutto.

Der Leiter des Staatlichen Schulamtes Z… kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 31. Mai 1991 zum 31. August 1991 unter Berufung auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 des Einigungsvertrages aus “betriebsbedingten Gründen”.

Die Beklagte zu 2) nimmt seit dem 1. September 1991 die personelle Verantwortung für das pädagogische Personal der städtischen Kindergärten wahr. Sie lehnte es ab, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Am 1. September 1991 vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 2) unter Vorbehalt einen unbefristeten Arbeitsvertrag über die Tätigkeit der Klägerin als Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit.

Mit der am 12. Juni 1991 beim Kreisgericht eingereichten Klage hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und unwirksam. Zudem hat sie die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats bestritten. Noch in erster Instanz hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Februar 1992 die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert und geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613a BGB auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Darüber hinaus sei mit dem Übergang der Trägerschaft eine Gesamtrechtsnachfolge verbunden gewesen.

Die Klägerin hat beantragt

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.5.1991 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht;
  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 31.8.1991 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
  • festzustellen, daß das mit dem Beklagten zu 1) begründete Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 2) fortbesteht,
  • die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die Klägerin über den 31.8.1991 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, durch das Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen sei kein Übergang der Trägerschaft herbeigeführt worden. Insbesondere sei kein automatischer Übergang des pädagogischen Personals auf die Gemeinden geregelt worden.

Das Kreisgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte zu 2) Klagabweisung. Der Beklagte zu 1) hat keine Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten zu 2) ist begründet. Zwischen den Parteien besteht kein vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangenes Vollzeitarbeitsverhältnis, sondern lediglich das kraft einzelvertraglicher Vereinbarung neu begründete Teilzeitarbeitsverhältnis.

A. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsgericht habe den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Klaganträgen zu 1. und 2. mit der Entscheidungsformel zu 1. und den gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klaganträgen zu 3. und 4. mit den Entscheidungsformeln zu 2. und 3. in vollem Umfange stattgegeben. Die Berufungsanträge seien dahingehend auszulegen, daß sich der Beklagte zu 1) gegen die Entscheidungsformel zu 1. und die Beklagte zu 2) mit ihrer Berufung gegen die Entscheidungsformeln zu 2. und 3. gewendet haben.

Die Klage sei in vollem Umfange begründet. Die dem Beklagten zu 1) zuzurechnende Kündigung vom 31. Mai 1991 habe das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1) nicht aufgelöst. Die Kündigung sei wegen mangelhafter Beteiligung des Personalrats unwirksam. Gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 (SächsGVBl. S. 237) sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin ohne besondere Vereinbarung auf die Beklagte zu 2) übergegangen. Auch in dieser Auslegung sei das Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar. Hingegen scheide § 613a BGB als Grundlage für den Übergang des Arbeitsverhältnisses aus, weil ein Rechtsgeschäft zwischen den Beklagten nicht vorgelegen habe. Die Beklagte zu 2) habe die Verfügungsgewalt über die sächlichen Mittel bereits zuvor innegehabt. Wegen dieses Überganges des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) sei die Klage auch hinsichtlich der gegen diese Partei gerichteten Anträge begründet.

B. In der Revisionsinstanz ist, nachdem der Beklagte zu 1) das zugelassene Rechtsmittel der Revision nicht eingelegt hat, aufgrund des Rechtsmittels der Beklagten zu 2) allein darüber zu entscheiden, ob zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) ein von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangenes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht oder lediglich das kraft einzelvertraglicher Vereinbarung neu begründete Teilzeitarbeitsverhältnis.

Die Klage ist hinsichtlich dieses noch rechtshängigen Teiles nicht begründet.

I. Vertraglich ist weder im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1) noch zur Beklagten zu 2) der Übergang des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Beklagte zu 2) vereinbart worden. Insbesondere folgt ein entsprechender Vertragsübergang nicht aus dem unter Vorbehalt geschlossenen Teilzeitarbeitsvertrag vom 1. September 1991. Vielmehr macht dieser Vertrag deutlich, daß die Beklagte zu 2) nicht in die frühere Rechtsstellung des Beklagten zu 1) eintreten wollte.

II. Der gesetzliche Übergang des Arbeitsverhältnisses von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) folgt nicht aus § 613a BGB. Das Berufungsgericht hat zu Recht das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verneint. Nach dem Sach- und Streitstand haben die Beklagten keinen rechtsgeschäftlichen Übergang eines oder mehrerer Kindergärten vereinbart. Die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Kindergarten ausmachenden Betriebsmittel blieb vor und nach dem 1. September 1991 unverändert. Die Übernahme der personellen Verantwortung für die Beschäftigten der Kindergärten allein stellt keinen Betriebsübergang im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB dar.

III. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 übergegangen.

1. Alleiniger Anknüpfungspunkt für einen derartigen Übergang von Arbeitsverhältnissen könnte § 8 dieses Gesetzes sein, auf den das Berufungsgericht entscheidend abgestellt hat. Nach § 8 Abs. 1 hat das Jugendamt darauf hinzuwirken, daß die im Bedarfsplan ausgewiesenen Kindertageseinrichtungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe errichtet oder übernommen und betrieben werden. In § 8 Abs. 2 wird entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip formuliert: “Ist kein Träger der freien Jugendhilfe vorhanden oder bereit, den Betrieb einer im Bedarfsplan als erforderlich ausgewiesenen Kindertageseinrichtung zu übernehmen, ist die Gemeinde zur Übernahme der Trägerschaft verpflichtet; die Trägerschaft kann in diesem Fall auch von einem kommunalen Zweckverband übernommen werden.”

a) Der Übergang von Arbeitsverhältnissen wird weder in § 8 noch in anderen Bestimmungen dieses Gesetzes erwähnt. Der Wortlaut der Norm wirkt damit der Annahme eines gesetzlichen Überganges von Arbeitsrechtsverhältnissen entgegen.

b) Angesichts der Systematik des Gesetzes kann der Übergang der Arbeitsverhältnisse der in den Kindertageseinrichtungen beschäftigten Betreuungskräfte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht als mittelbar mitgeregelt angesehen werden. Das Gesetz geht primär von einer Errichtung neuer oder der Übernahme vorhandener Kindertageseinrichtungen durch Träger der freien Jugendhilfe aus. Lediglich subsidiär werden die Gemeinden verpflichtet, vorhandene Kindertageseinrichtungen zu übernehmen. Dabei können die Gemeinden dieser gesetzlichen Pflicht auch dadurch entsprechen, daß die Trägerschaft von einem kommunalen Zweckverband übernommen wird. Damit ist das Gesetz auf den Vollzug durch Abschluß entsprechender öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vereinbarungen angelegt. Ohne diese Vereinbarungen tritt weder ein Trägerschaftswechsel hinsichtlich der Kindertageseinrichtung noch ein Wechsel in der Arbeitgeberstellung kraft Gesetzes ein.

2. Diese Auslegung des § 8 wird durch § 20 Abs. 5 des Gesetzes bestätigt. Danach hat der Träger der Kindertageseinrichtung, der nicht Arbeitgeber des pädagogischen Personals ist, dem Arbeitgeber die Personalkosten zu erstatten. Damit geht das Gesetz davon aus, daß zumindest in einer Übergangsphase die Trägerschaft an Kindertageseinrichtungen und die Arbeitgeberstellung hinsichtlich aller oder einzelner Beschäftigter der jeweiligen Kindertageseinrichtung auseinanderfallen können. Eine durch den Verzicht auf einen gesetzlichen Übergangstatbestand verstärkt hervorgerufene Situation.

3. In dieser Auslegung bestehen gegen das Gesetz vom 3. Juli 1991 keine aus Art. 28 Abs. 2 GG herzuleitenden Bedenken.

IV. Weitere Gründe, die zum Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich.

Insbesondere folgt kein gesetzlicher Übergang von Arbeitsverhältnissen aus der analogen Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG. Nach § 128 Abs. 3 BRRG haben die aufnehmenden Körperschaften im Falle einer teilweisen Eingliederung einer anderen Körperschaft deren Beamte zu einem Teil “zu übernehmen”. Danach ist kein gesetzlicher Übergang von Beamtenverhältnissen, sondern die Umsetzung der Übernahmeentscheidung mittels Verwaltungsaktes erforderlich (vgl. BVerwG Beschluß vom 3. März 1981 – 7 B 36.81 – Buchholz 415.1 – Nr. 33). Wäre eine analoge Anwendung dieser Normen rechtlich möglich, würde allenfalls eine Pflicht zur Übernahme von Personal begründet, jedoch kein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel geregelt. Allerdings könnte eine analoge Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG Bedeutung im Rahmen der Beurteilung einer vom bisherigen Arbeitgeber ausgesprochenen Beendigungskündigung erlangen. Insofern besteht aber keine Rechtserheblichkeit für den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Dementsprechend ist die Klage hinsichtlich der Entscheidungsformel des arbeitsgerichtlichen Urteils zu 2. unbegründet.

C. Ist das Vollzeitarbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf die Beklagte zu 2) übergegangen, hat die Klägerin bereits aus diesem Grunde keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung als Vollzeitkraft.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Aufgrund der abändernden Sachentscheidung sind auch die vorinstanzlichen Kostenentscheidungen einschließlich der Kostenlast des im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Beklagten zu 1) abzuändern (vgl. BGH Urteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 35/79 – MDR 1981, 928).

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Brückmann

Richter Dr. Meyer ist infolge eines längeren Auslandsaufenthalts an der Leistung der Unterschrift verhindert.

Dr. Ascheid

 

Fundstellen

Haufe-Index 856681

BAGE, 69

BB 1994, 1360

NZA 1995, 783

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