Leitsatz (amtlich)

1. In den bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Fassungen des MTV Redakteure haben die Tarifvertragsparteien den Begriff des Redakteurs in seiner herkömmlichen pressefachlichen und presserechtlichen Bedeutung verwendet. Danach war als Redakteure anzusehen, wem das Sammeln, Sichten, Ordnen und Bearbeiten des zu publizierenden Stoffes oblag.

2. Im ab 1. Januar 1981 geltenden MTV Redakteure 1980 haben die Tarifvertragsparteien die Bindung an den allgemeinen Redakteursbegriff aufgegeben und eine erweiternde eigene Definition dieses Begriffes vorgenommen. Nunmehr kann Redakteur im tariflichen Sinne auch sein, wer dadurch regelmäßig und kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung mitwirkt, daß er mit eigenen Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung beiträgt. Dabei verwenden die Tarifvertragsparteien das Wort “kreativ” in seiner allgemeinen sprachlichen Bedeutung.

3. Allein deswegen, weil zwischen Verkündung und Zustellung eines landesarbeitsgerichtlichen Urteils ein Zeitraum von mehr als 14 Monaten liegt, liegt weder der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO noch ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor (vgl. Urteil des Senats vom 18. Juni 1980 – 4 AZR 352/78 –, [demnächst] AP Nr. 10 zu § 551 ZPO, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

4. Sofern das nicht in anderer Weise geschieht, haben die berufsrichterlichen Vorsitzenden der Gerichte für Arbeitssachen die ehrenamtlichen Richter vorher in die einzelnen zur Verhandlung anstehenden Sachen einzuführen. Dazu reicht in der Regel eine Information über den unstreitigen Sachverhalt, das beiderseitige Parteivorbringen und etwaige frühere Beweisaufnahmen aus. Art, Umfang und Methode der Information liegen im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Presse; ArbGG § 9; BGB §§ 133, 157; GG Art. 103 Abs. 1; StPO §§ 275, 338; ZPO § 256 Abs. 2, § 551 Nrn. 1, 7, §§ 552, 561

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 14.06.1978; Aktenzeichen 4 Sa 91/77)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 14. Juni 1978 – 4 Sa 91/77 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der dem Deutschen Journalistenverband e.V. angehörende Kläger hat zunächst etwa zehn Jahre als freier Mitarbeiter für die von der dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. angehörenden Beklagten herausgegebene “O… Volkszeitung” gearbeitet. Ab 1. Januar 1962 wurde der Kläger aufgrund eines als “Werkvertrag” bezeichneten Vertrages von der Beklagten als Angestellter übernommen. Als solcher war er als Fotoreporter für die “O… Volkszeitung” und sonstige Verlagsobjekte der Beklagten tätig. Seit dem 1. Januar 1973 wird er als “Bildjournalist” beschäftigt. Die früheren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien wurden durch einen Anstellungsvertrag vom 29. März 1974 – ersetzt, der im einzelnen bestimmt:

“§ 1

Herr Z… wurde als Fotoreporter der O… Volkszeitung am 1.1.62 in das Angestelltenverhältnis übernommen. Herr Z… hat nach den Anweisungen des Verlages für alle Verlagsobjekte und der Redaktion seine Arbeiten durchzuführen, hat aber auch die Pflicht, bei besonderen Ereignissen selbständig zu handeln, z.B. bei Unfällen oder sonstigen aktuellen Begebenheiten, um der Redaktion (unaufgefordert) Bilder zur Verfügung stellen zu können. Die der Redaktion überlassenen Fotos müssen mit zeitungsgerechten Unterschriften versehen sein. Die Bilder müssen die Unterschrift “OV-Foto Z…” tragen.

Zu seiner Arbeit gehören die anfallenden Laborarbeiten wie das Entwickeln der von der OV-Redaktion gemachten Filme, das Anfertigen von Vergrößerungen sowie die Herstellung von Reproduktionen.

Aufträge von Seiten der Redaktion sind rechtzeitig (bei vorher bekannten Terminen möglichst tags vorher) im Redaktionssekretariat zu hinterlegen, wo sie von Herrn Z… regelmäßig einzusehen sind.

§ 2

Das Gehalt für Herrn Z… wird entsprechend dem Gehaltstarifvertrag für Redakteure festgesetzt. Darin ist eine Pauschale für Mehr- und Sonntagsarbeit enthalten. Im übrigen ist der Manteltarifvertrag für technische Angestellte der Druckindustrie in Niedersachsen anzuwenden. Für seine freiberufliche Tätigkeit werden Herrn Z… 4 Jahre als Berufs- und Betriebszugehörigkeit anerkannt.

§ 5

Die V… Druckerei & Verlag GmbH stellt Herrn Z… die Fotomaterialien und ausgerüsteten Laborräume zur Verfügung.”

Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem Abschluß ihres Arbeitsvertrages vom 29. März 1974 dem “Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen” in seiner jeweiligen Fassung unterfällt. Außerdem hat er unter Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag die Beklagte auf Zahlung in Höhe von 10.682,65 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen und die weitere Feststellung begehrt, daß ihm für das Kalenderjahr 1976 noch ein Resturlaubsanspruch in Höhe von 15 Arbeitstagen zusteht. Dazu hat der Kläger vorgetragen, der Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen (MTV Redakteure) sei auf alle festangestellten Journalisten anzuwenden. Zu diesen gehöre auch er. Auch er leiste nämlich im wesentlichen journalistische Arbeit. Überwiegend obliege ihm die Beschaffung von Fotos für die Redaktion der “O… Volkszeitung”. Dafür sei er im Gegensatz zu anderen Mitarbeitern der Beklagten Tag und Nacht unterwegs, um bei aktuellen Anlässen zugegen zu sein. Wie es sein Arbeitsvertrag vorsehe, schreibe er auch Texte für die Fotos. Gelegentlich schreibe er sogar Reportagen, bei denen neben der im Vordergrund stehenden Bildberichterstattung die Textgestaltung von ihm vorgenommen werde. Soweit in seinem Arbeitsvertrag die Geltung des MTV Redakteure ausgeschlossen werde, sei das im Hinblick auf die Unabdingbarkeit tariflicher Normen ohne rechtliche Bedeutung. Demgemäß hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 29. März 1974 – dem “Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen” in seiner jeweils geltenden Fassung unterfällt,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.682,65 DM nebst 4 v.H. Zinsen aus 9.224,35 DM seit dem 30. Juni 1976 als mittlerem Verfalltag und aus weiteren 1.458,30 DM seit dem 10. Mai 1977 zu zahlen,

3. festzustellen, daß dem Kläger für das Kalenderjahr 1976 noch ein restlicher Urlaubsanspruch im Umfang von 15 Arbeitstagen zusteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, der MTV Redakteure könne auf den Kläger keine Anwendung finden, da er kein Redakteur im allgemeinen rechtlichen und im tariflichen Sinne sei. Seine wesentliche Aufgabe bestehe in der Fertigung von Aufnahmen für die verschiedenen Verlagsobjekte. Er sei nicht überwiegend für die Zeitung tätig, so daß seine Aufgaben weitgehend dem Druckereibetrieb zuzuordnen seien. Im wesentlichen werde der Kläger mit Laborarbeiten beschäftigt. Dazu gehöre die Entwicklung und Vergrößerung von Fotos sowie die Herstellung von Reproduktionen, auch solcher Fotos, die der Kläger nicht selbst angefertigt habe. Bildunterschriften liefere er nur ausnahmsweise. Seine Tätigkeit sei also technisch geprägt, wie es auch sein Arbeitsvertrag vorsehe. Kenntnisse eines Redakteurs besitze der Kläger nicht und könne er auch aufgrund seines beruflichen Werdeganges nicht erworben haben. Zur Tätigkeit eines Bildredakteurs gehöre es im übrigen, daß dieser die zu veröffentlichenden Bilder selbst aussuche, während der Kläger der Redaktion nur Bilder zur Auswahl bereitstelle. Soweit der Kläger in begrenztem Umfange selbst Texte liefere, würden diese von der Redaktion endgültig gestaltet und redigiert. Im übrigen werde der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag behandelt.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 10. Mai 1977 – 1 (3) Ca 1182/76 – die beiden Feststellungsanträge des Klägers sowie seinen Leistungsantrag in Höhe von 2.965,– DM abgewiesen und für das Teilurteil den Streitwert auf 6.500,– DM festgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat bei unverändertem Streitwert die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das berufungsgerichtliche Urteil wurde am 14. Juni 1978 verkündet und den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 21. August 1979 zugestellt.

Mit der Revision hat der Kläger in erster Linie unter Berufung auf Verfahrensverstöße des Landesarbeitsgerichts die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht begehrt. Hilfsweise hat er seine vor dem Berufungsgericht gestellten Klageanträge weiterverfolgt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger seine Hilfsanträge als Hauptanträge gestellt und den Klageantrag zu 3) fallen gelassen. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die demgegenüber von der Revision erhobenen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Rügen greifen nicht durch. I. Keine verfahrensrechtlichen Bedenken bestehen dagegen, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat seinen in der Revision gestellten Hilfsantrag als Hauptantrag und umgekehrt den ursprünglich gestellten Hauptantrag als Hilfsantrag gestellt hat (vgl. BAG AP Nr. 17 zu § 611 BGB Bergbau mit weiteren Nachweisen). Hingegen sind die prozessualen Rügen des Klägers, mit denen er die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht begehrt, unbegründet.

1. Das gilt zunächst einmal für die auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützte Rüge des Klägers, der dort geregelte absolute Revisionsgrund liege deswegen vor, weil das angefochtene Urteil erst nahezu 15 Monate nach seiner Verkündung dem Kläger zugestellt worden sei. Dabei übersieht der Kläger, daß der von ihm herangezogene absolute Revisionsgrund nur in Betracht kommt, wenn die angefochtene “Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist”.

Vorliegend entbehrt das angefochtene Urteil jedoch nicht einer gesetzesgemäßen Begründung. Zudem stützt der Kläger seine entsprechende prozessuale Rüge auch nicht etwa darauf, daß das angefochtene Urteil überhaupt nicht, unvollständig oder widersprüchlich begründet worden sei, sondern allein darauf, daß zwischen seiner Verkündung und seiner Zustellung ein Zeitraum von mehr als 14 Monaten gelegen habe. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18. Juni 1980 – 4 AZR 532/78 – ([demnächst] AP Nr. 10 zu § 551 ZPO, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) im einzelnen ausgeführt hat, kann jedoch bei einem Zivilurteil und damit auch bei einem im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren ergehenden Urteil der fehlenden, teilweise fehlenden oder widersprüchlichen Urteilsbegründung der Fall einer verspäteten Urteilszustellung nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Diese Rechtsfolge kann entgegen der Meinung der Revision auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 551 Nr. 7 ZPO hergeleitet werden. Zwar wird mit gewissen Modifikationen und Einschränkungen im prozeßrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, die Entscheidungsgründe könnten auch dann im Rechtssinne “fehlen”, wenn sie verspätet abgefaßt worden seien und dadurch die Zustellung hinausgeschoben werde (vgl. die Nachweise in dem zuvor genannten Urteil des Senats). Dieser Auffassung kann jedoch schon deswegen nicht gefolgt werden, weil der Gesetzgeber in Zivilsachen die nicht begründete Entscheidung mit einer verspätet zugestellten Entscheidung weder tatsächlich noch rechtlich identifiziert. Zudem würde es praktische Schwierigkeiten mit sich bringen, jeweils im Einzelfalle festzulegen, von welchem Zeitpunkt an eine verspätete Zustellung mit der Rechtsfolge des Eintritts der Wirkungen des § 551 Nr. 7 ZPO anzunehmen ist. Die hierzu im prozeßrechtlichen Schrifttum gemachten Vorschläge (vgl. Pohle in der Anmerkung zu BAG AP Nr. 2 zu § 60 ArbGG 1953 sowie Zöller, ZPO, 12. Aufl., § 551 Anm. 1 g) differieren sehr stark, sind unpraktikabel und würden bei entsprechender Anwendung zu weiterer Rechtsunsicherheit führen.

Zudem hat der Gesetzgeber, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 18. Juni 1980 – 4 AZR 532/78 – (wie zuvor) im einzelnen ausgeführt hat, auch noch in anderer Weise zu verstehen gegeben, daß er in Zivilsachen nicht begründete und verspätet zugestellte Urteile hinsichtlich der Rechtsfolgen des § 551 Nr. 7 ZPO nicht gleichbehandelt wissen will. Das ergibt sich aus einem Vergleich der entsprechenden Regelungen der ZPO und StPO: Während nämlich seit dem Jahre 1975 in Strafsachen aufgrund der damaligen Neufassung des § 338 StPO eine Entscheidung ohne Gründe einer nicht binnen der Fristen des § 275 StPO zu den Akten gelangten Entscheidung gleichgestellt worden ist, hat der Gesetzgeber in Zivilsachen in Kenntnis dieser Änderung des Strafverfahrensrechts eine entsprechende Ergänzung bzw. Änderung der ZPO, auch bei der weitreichenden Vereinfachungsnovelle des Jahres 1977, nicht vorgenommen. Daher kann vorliegend auch der Rechtsgedanke des § 338 Nr. 7 StPO weder unmittelbar noch entsprechend herangezogen werden.

Entgegen der Meinung der Revision fehlt es vorliegend ferner an der Erfüllung der besonderen Voraussetzungen, unter denen die höchstrichterliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen ausnahmsweise die Anwendung des § 551 Nr. 7 ZPO bejaht hat. Seitens des Bundesgerichtshofes ist das insbesondere dann geschehen, wenn die Urteilsgründe bei Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 552 ZPO a. F. nicht vorlagen (vgl. BGHZ 7, 155 = JZ 1952, 690 sowie BGHZ 32, 17 [24]), wobei freilich gefordert wurde, daß dem jeweiligen Revisionskläger dadurch verfahrensrechtliche Nachteile entstehen konnten (vgl. BGH NJW 1961, 1815). Hierauf kann sich der Kläger vorliegend jedoch nicht stützen, da durch die Vereinfachungsnovelle zur ZPO des Jahres 1977 das Revisionsverfahren der ZPO dahin geändert worden war, daß auch dort die Revisionsfrist immer erst mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils begann (§ 552 ZPO i. d. Fassung der Vereinfachungsnovelle) und die Wiederherstellung des alten Rechtszustandes erst im Jahre 1980 erfolgte, also beträchtliche Zeit nach der Einlegung der vorliegenden Revision. Zudem galt für das arbeitsgerichtliche Verfahren bereits nach dem ArbGG 1953 die besondere Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG, wonach die Revisionsfrist erst mit dem Zugang der Rechtsmittelbelehrung beginnt, die gemäß § 9 Abs. 4 ArbGG 1953 mit der zuzustellenden Urteilsausfertigung zu verbinden war. Im übrigen war im Verfahren des ArbGG 1953 lediglich die Frist des § 9 Abs. 5 Satz 2 ArbGG 1953 einzuhalten, die der Kläger vorliegend gewahrt hat und hat wahren können (vgl. Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 19. Aufl., § 552 II). Hieran hat auch das ArbGG 1979 grundsätzlich nichts geändert (vgl. § 9 Abs. 5 ArbGG 1979).

Auch auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts AP Nrn. 1 und 2 zu § 60 ArbGG 1953 kann sich die Revision nicht erfolgreich berufen. Soweit in diesen Entscheidungen überhaupt ein Verstoß gegen § 551 Nr. 7 ZPO bejaht worden ist, ist das nämlich ausschließlich deswegen geschehen, weil und soweit der Rechtsmittelkläger die Möglichkeit verloren hatte, eine Tatbestandsberichtigung gemäß § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu beantragen. Vorliegend hat der Kläger jedoch weder Tatbestandsberichtigung beantragt noch behauptet, an der rechtzeitigen Stellung eines entsprechenden Antrages deswegen gehindert gewesen zu sein, weil das angefochtene Urteil binnen der für den Tatbestandsberichtigungsantrag vorgesehenen Dreimonatsfrist noch nicht zugestellt gewesen sei.

Im übrigen folgt der Senat nach nochmaliger Überprüfung wiederum den Ausführungen des Bundessozialgerichts in AP Nr. 8 zu § 551 ZPO, worin mit Recht und in sachlicher Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof (AP Nr. 3 zu § 60 ArbGG 1953) hervorgehoben worden ist, daß auch im sozialgerichtlichen Verfahren allein in einer ungewöhnlichen Verzögerung der Absetzung der Gründe eines Berufungsurteils noch kein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 551 Nr. 7 ZPO erblickt werden kann. Dazu weist das Bundessozialgericht zutreffend darauf hin, daß nach der Erfahrung keineswegs zwingend angenommen werden kann, daß bei einer relativ späten Niederlegung der Urteilsgründe dem betreffenden Richter die Eindrücke der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr geläufig und präsent gewesen seien. Dagegen spricht schon, daß sich Richter üblicherweise während der Sitzungen und Beratungen oder kurz danach entsprechende Notizen anfertigen und daß sie in Zivilsachen zudem jeweils auf den Akteninhalt und ihre bei der Terminsvorbereitung angefertigten Aufzeichnungen zurückgreifen können. Schließlich können Verzögerungen, wie sie vorliegend eingetreten sind, ihren Grund erfahrungsgemäß auch im gerichtlichen Geschäftsstellen- und Kanzleibetrieb haben.

Unter diesen Umständen liegt vorliegend in der außergewöhnlich späten Zustellung des angefochtenen Urteils entgegen der Annahme des Klägers auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Hiergegen spricht insbesondere, daß das Landesarbeitsgericht sich trotz des langen Zeitraumes zwischen Verkündung und Zustellung des angefochtenen Urteils mit dem gesamten Sachvortrag beider Parteien eingehend auseinandergesetzt hat (vgl. auch BVerwGE 49, 61; 50, 278; BVerwG vom 7. Februar 1980, NJW 1980, 1865).

Demgegenüber hat die Revision keine neuen und eine Änderung oder Aufgabe der Senatsrechtsprechung rechtfertigenden Gesichtspunkte vorgebracht. Auf § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG 1953 kann sich die Revision schon deswegen nicht berufen, weil es sich dabei um eine Sollvorschrift handelt, die zudem im ArbGG 1979 in ihren Anforderungen aus praktischen Gründen wesentlich erleichtert worden ist. Der Senat verkennt im übrigen nicht, daß, wie die Revision im einzelnen ausführt, das Bundesarbeitsgericht bei einzelnen prozessualen Formalien, etwa in der Frage der Notwendigkeit der Angabe ladungsfähiger Anschriften der Parteien in Rechtsmittelschriften, teilweise strengere Anforderungen als der Bundesgerichtshof stellt. Darauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Entscheidend ist hier allein, ob ein verspätet zugestelltes berufungsgerichtliches Urteil einem solchen ohne Begründung im Sinne des § 551 Nr. 7 ZPO gleichgestellt werden kann. Dies hat mit anderen verfahrensrechtlichen Fragen nichts zu tun, so daß darauf hier auch nicht näher einzugehen ist. Gleichwohl teilt der Senat die vom Kläger in der Revision vertretene und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch weiter erläuterte Auffassung des Klägers, daß die ungewöhnlich späte Zustellung des berufungsgerichtlichen Urteils aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen, aber auch im Interesse der Rechtssuchenden bzw. der Prozeßparteien gleichermaßen unbefriedigend und mit einer ordnungsgemäßen staatlichen Rechtsschutzgewährung, insbesondere innerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit, schwer vereinbar erscheint. Dennoch kann entgegen der Meinung des Klägers daraus allein weder das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 551 Nr. 7 ZPO noch ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG hergeleitet werden.

2. Unbegründet ist auch die weitere prozessuale Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei nicht nach Maßgabe des Gesetzes besetzt gewesen, weil der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts die an der letzten mündlichen Verhandlung mitwirkenden ehrenamtlichen Richter nur etwa zehn Minuten in den Streitstoff eingeführt habe.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt insoweit kein Verstoß gegen § 551 Nr. 1 ZPO vor. Der dort geregelte absolute Revisionsgrund greift vielmehr nur dann ein, wenn das

“erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war”.

Damit sind lediglich solche Fälle gemeint, in denen das betreffende Gericht nicht so besetzt war, wie es die jeweils anzuwendende Verfahrensordnung im einzelnen vorsieht (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO, 39. Aufl., § 551 Anm. 2; Stein-Jonas-Grunsky, a a O, § 551 II 1a mit weiteren Nachweisen). Derartige Verstöße gegen die ZPO, das GVG oder das ArbGG rügt die Revision jedoch nicht. Die erhobene Rüge ist auch nicht etwa mit solchen Fällen vergleichbar, in denen z.B. wegen Taubheit, Sehbehinderung oder ähnlicher Ursachen ein Richter sein Amt nicht nach Maßgabe des Gesetzes ausüben konnte.

Die entsprechende Rüge des Klägers beschränkt sich vielmehr darauf, vorliegend seien die ehrenamtlichen Richter schon dem Zeitaufwand nach nicht ausreichend in den Prozeßstoff eingewiesen worden und deswegen nicht in der Lage gewesen, ihr Richteramt nach Maßgabe des Gesetzes auszuüben. Ob hierauf überhaupt eine Rüge nach § 551 Nr. 1 ZPO gestützt werden kann, ist zweifelhaft und kann jedenfalls vorliegend dahingestellt bleiben. Zwar regelt wie das GVG für die ehrenamtlichen Handelsrichter auch das ArbGG für die ehrenamtlichen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit aller Instanzen im einzelnen neben solchen ihrer Rechtsstellung und Berufung nur die Frage ihrer Heranziehung näher (vgl. §§ 31, 39 und 43 Abs. 3 ArbGG). Ob, in welcher Weise und in welchem Umfang hingegen in der Zivilgerichtsbarkeit mitwirkende ehrenamtliche Richter, die auch hier in quantitativer und qualitativer Beziehung dem Berufsrichter gleichstehen (vgl. §§ 44 ff. DRiG), von dem Vorsitzenden Berufsrichter in die einzelnen anstehenden Sachen zuvor einzuführen sind, regeln die Verfahrensgesetze (ZPO, GVG und ArbGG) nicht. Da jedoch im Zivilprozeß und im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens Beschränkungen unterliegt und eine weitgehende Bezugnahme auf schriftsätzlichen Vortrag möglich ist, bedarf es, wie die Revision insoweit zutreffend annimmt, auch bei den Gerichten für Arbeitssachen einer vorherigen Unterrichtung der mitwirkenden ehrenamtlichen Richter über die jeweils zu verhandelnden Sachen durch den Vorsitzenden Berufsrichter, damit die ehrenamtlichen Richter in der Lage sind, ihr Richteramt nach Maßgabe des Gesetzes wahrzunehmen. Dazu reicht freilich in aller Regel, soweit nicht die entsprechenden Unterlagen den ehrenamtlichen Richtern, wie es teilweise bei den Landesarbeitsgerichten geschieht, vorher zugesandt oder zur Einsichtnahme überlassen werden, deren Information über den unstreitigen Sachverhalt, das beiderseitige Parteivorbringen und etwa stattgefundene frühere Beweisaufnahmen aus. Ähnlich wie in der Frage der Heranziehung von Sachverständigen von Amts wegen zur Unterstützung des Gerichts bzw. zur Sachaufklärung nach § 144 ZPO (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 24. September 1980 – 4 AZR 727/78 –, [demnächst] AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen) liegt im übrigen die Art, der Umfang und die Methode der vorherigen Information der ehrenamtlichen Richter im pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Vorsitzenden Berufsrichters, dessen Anwendung schon wegen des Fehlens jeglicher einschlägiger gesetzlicher Bestimmungen nur beschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist.

Vorliegend hat die Revision keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, daß der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts bei der Information der ehrenamtlichen Richter die vorstehenden Grundsätze verletzt oder das ihm hiernach zustehende Ermessen überschritten oder mißbräuchlich angewendet hat. Der Senat verkennt zwar nicht, daß der vorliegende Rechtsstreit in rechtlicher Beziehung erhebliche und vielfältige Schwierigkeiten aufweist. Gleichwohl ist der Sachverhalt verhältnismäßig einfach gelagert, so daß auch eine nur zehn Minuten dauernde Vorinformation der ehrenamtlichen Richter darüber ausreichend sein konnte, zumal Beweisaufnahmen nicht stattgefunden hatten. Daher kommt es auch nicht mehr auf die insoweit von der Revision angebotenen Beweismittel an.

3. Unbegründet ist auch die Verfahrensrüge, mit der der Kläger einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG behauptet. Trotz ihrer Wichtigkeit und Bedeutung für das gesamte arbeitsgerichtliche Verfahren enthält diese Vorschrift, die den im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu beobachtenden Beschleunigungsgrundsatz zum Inhalt hat, nämlich nur einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Im einzelnen sind vielmehr in Realisierung dieses Grundsatzes z.B. die Fristen, wie Einlassungs- und Ladungsfristen oder Rechtsmittelfristen, jeweils gesondert und an anderer Stelle näher geregelt. Das hat zur Folge, daß § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG keine eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung in dem Sinne zukommt, daß auf Verstöße gegen diese Norm Rechtsmittel oder selbständige prozessuale Rügen gestützt werden könnten (vgl. Grunsky, ArbGG, 3. Aufl., § 9 Rdnrn. 1 – 6). Zudem behauptet der Kläger selbst nicht, daß sich vorliegend die mit der verspäteten Urteilszustellung verbundene Hinauszögerung des vorliegenden Prozesses auf den Inhalt des berufungsgerichtlichen Urteils ausgewirkt hat.

II. In der Hauptsache hält das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung die zu seiner Entscheidung gestellten Klageanträge für unbegründet.

1. Den vom Kläger gestellten Feststellungsantrag, daß für das Arbeitsverhältnis der Parteien der MTV Redakteure Geltung hat, sieht das Landesarbeitsgericht mit Recht als zulässig an. Insoweit erhebt der Kläger eine Inzidentfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO, deren gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Aus der Geltung oder Nichtgeltung dieses Tarifvertrages ergeben sich nämlich im einzelnen Art und Umfang der Rechte und Pflichten der Parteien im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses, die auch teilweise streitbefangen sind. Ein derartiger Antrag kann unbedenklich auch schon bei der Klageerhebung gestellt werden (vgl. BGH LM Nr. 2 zu § 280 ZPO a.F.). Im übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, daß der entsprechende Klageantrag, wie auch sein Sachvortrag ausweist, dahin auszulegen ist, daß die Geltung des MTV Redakteure in seiner jeweiligen Fassung begehrt wird.

2. Entgegen der Meinung des Klägers kommt für den mit seinem Feststellungsantrag verfolgten Anspruch der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien als Grundlage nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Recht darauf hingewiesen, daß unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt das Landesarbeitsgericht sein Klagebegehren nicht überprüft hat. Der Kläger übersieht jedoch, daß schon das Arbeitsgericht, dessen Urteil vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommen worden ist, im einzelnen ausgeführt hat, daß und warum aus dem Arbeitsvertrag der Parteien die vom Kläger begehrte Rechtsfolge nicht hergeleitet werden kann. Diese vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 29. März 1974 sieht im einzelnen vor:

“§ 1

Herr Z… wurde als Fotoreporter der O… Volkszeitung am 1.1.62 in das Angestelltenverhältnis übernommen. Herr Z… hat nach den Anweisungen des Verlages für alle Verlagsobjekte und der Redaktion seine Arbeiten durchzuführen, hat aber auch die Pflicht, bei besonderen Ereignissen selbständig zu handeln, z.B. bei Unfällen oder sonstigen aktuellen Begebenheiten, um der Redaktion (unaufgefordert) Bilder zur Verfügung stellen zu können. Die der Redaktion überlassenen Fotos müssen mit zeitungsgerechten Unterschriften versehen sein. Die Bilder müssen die Unterschrift “OV-Foto Z…” tragen.

Zu seiner Arbeit gehören die anfallenden Laborarbeiten wie das Entwickeln der von der OV-Redaktion gemachten Filme, das Anfertigen von Vergrößerungen sowie die Herstellung von Reproduktionen….

§ 2

Das Gehalt von Herrn Z… wird entsprechend dem Gehaltstarifvertrag für Redakteure festgesetzt. Darin ist eine Pauschale für Mehr- und Sonntagsarbeit enthalten. Im übrigen ist der Manteltarifvertrag für technische Angestellte der Druckindustrie in Niedersachsen anzuwenden

…”

Wenn hieraus das Arbeitsgericht folgert, daß aufgrund ihrer vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien die tariflichen Bestimmungen für Redakteure nur insoweit Geltung haben, als das ausdrücklich so geregelt worden ist, nämlich für die Bestimmung des Gehalts des Klägers, und darüber hinaus entgegen dem Klagebegehren nicht, dann ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Auslegung des Arbeitsvertrages der Parteien durch das Arbeitsgericht ist nämlich rechtlich möglich und angesichts des Vertragswortlautes sogar naheliegend und verstößt nicht gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB. Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind nicht ersichtlich. Auch sind keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt geblieben. Eine weitergehende Überprüfung durch das Revisionsgericht kommt insoweit entgegen den entsprechenden Anregungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Betracht (vgl. das Urteil des Senats vom 18. Juni 1980 – 4 AZR 463/78 –, [demnächst] AP Nr. 68 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).

3. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß der Kläger entgegen seiner Rechtsauffassung vom persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für Redakteure an Tageszeitungen in den Fassungen vom 10. September 1968 und 1. Oktober 1976 (MTV Redakteure) nicht erfaßt wird, obwohl beide Parteien den tarifvertragsschließenden Organisationen angehören (§ 3 Abs. 1 TVG) und deswegen dieser Tarifvertrag dann gelten würde, wenn dessen persönlicher Geltungsbereich erfüllt wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

Der persönliche Geltungsbereich des MTV Redakteure in der Fassung vom 10. September 1968 erfaßt nach seinem § 1

“alle hauptberuflich an Tageszeitungen fest angestellten Redakteure (Wort und Bild)”,

während die ab 1. Januar 1977 gültige Fassung des Tarifvertrages vom 1. Oktober 1976 hierfür die folgende Formulierung vorsieht:

“alle hauptberuflich an Tageszeitungen fest angestellten Redakteure (Wort/Bild)”.

Damit verwendet der MTV Redakteure den Begriff des Redakteurs an Tageszeitungen, ohne ihn selbst zu definieren. Da es sich dabei um einen im Bereich der Presse und im Presserecht feststehenden Rechtsbegriff mit langer Tradition handelt, muß mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien, da eine andere Absicht aus dem Tarifwerk selbst nicht erkennbar ist, den Begriff des Redakteurs in seiner allgemeinen herkömmlichen fachbezogenen und presserechtlichen Bedeutung haben verwenden wollen (vgl. die Urteile des Senats AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Papierindustrie sowie vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 –, [demnächst] AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, mit weiteren Nachweisen). Damit trägt das Landesarbeitsgericht zugleich dem für die Tarifauslegung ganz allgemein geltenden Grundsatz Rechnung, daß Tarifverträge in erster Linie nach dem Tarifwortlaut auszulegen sind, sofern und soweit darin der Wille der Tarifvertragsparteien seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 –, [demnächst] AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, mit weiteren Nachweisen).

Nach Abschaffung der staatlichen Zensur und seit dem Bestehen der Möglichkeit, in Zeitungen anonym zu schreiben, benötigte man die Feststellung derjenigen Personen, die strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden konnten, wenn bei der Herstellung von Zeitungen Rechtsbrüche vorkamen. Hierunter verstand und versteht man in ursprünglicher Anknüpfung an das französische Recht und insbesondere das badische Landesrecht den Redakteur (vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Häntzschel, Reichspreßgesetz, Heymanns 1927, S. 54). Demgemäß verstand man schon im Sinne der §§ 7 ff. des früheren Reichsgesetzes über die Presse und auch während der Geltung der Weimarer Reichsverfassung unter einem “Redakteur” jemanden, der für eine periodische Druckschrift den aufzunehmenden Stoff sammelt, sichtet, bearbeitet und zur Veröffentlichung bestimmt, wobei er die Artikel nicht unbedingt selbst zu verfassen braucht (vgl. auch hierzu Häntzschel, a a O, S. 54). In diesem Sinne hat auch das Reichsgericht den Redakteursbegriff verwendet (RGSt 21, 23 ff., insbesondere 25). Dieser allgemeine fachliche und presserechtliche Redakteursbegriff ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg beibehalten worden. Ebenso wie schon das Reichspreßgesetz setzen ihn auch die Pressegesetze der Bundesländer als bekannt und vorgegeben voraus, ohne ihn selbst zu definieren (vgl. z.B. § 8 Abs. 2 des Saarländischen Pressegesetzes sowie § 7, § 10 und § 22 des hessischen Pressegesetzes vom 20. November 1958 in der Fassung vom 22. Februar 1966 – GVBl. S. 31). In der gleichen Weise verwenden die allgemeinen Verfahrensgesetze den Redakteursbegriff ohne eigene Definition (vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO sowie § 53 Abs. 1 Nr. 5 und § 463 c Abs. 3 StPO; Baumbach- Lauterbach-Hartmann, ZPO, 39. Aufl., § 383 Anm. 3 B sowie Kleinknecht, StPO, 34. Aufl., § 463 c Rdnr. 6). Damit geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, daß auch gegenwärtig noch sowohl im Sinne des seitherigen pressefachlichen Sprachgebrauches als auch des Presserechts als Redakteur nur angesehen werden kann, wer das “Redigieren” besorgt, d. h. das Sammeln, Sichten, Ordnen und Bearbeiten des zu publizierenden Stoffes (vgl. hierzu auch Löffler, Martin, Presserecht, 2. Aufl., Band I, S. 161 Rdnr. 19, derselbe auch in RdA 1956, S. 215 ff.), und daß die Tarifvertragsparteien den Begriff des Redakteurs im MTV Redakteure in den Fassungen vom 10. September 1968 und 1. Oktober 1976 in diesem herkömmlichen Sinne verwenden, so wie es übrigens auch im Bereiche des Rundfunks der Fall ist (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 21. Januar 1981 – 4 AZR 871/78 –, [demnächst] AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Tätigkeiten eines Redakteurs in diesem allgemeinen rechtlichen und zugleich tariflichen Sinne hat der Kläger jedoch, wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend ausführt, schon nach seinem eigenen Parteivorbringen nicht ausgeübt.

Die demgegenüber von der Revision vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Entgegen der Meinung des Klägers ist das Landesarbeitsgericht nicht von einem unzutreffenden Redakteursbegriff ausgegangen. Der Kläger verkennt vielmehr, daß während der Geltung des MTV Redakteure in den Fassungen vom 10. September 1968 und 1. Oktober 1976, d. h. bis zum 31. Dezember 1980, der allgemeine und der tarifliche Begriff des Redakteurs identisch waren. Entgegen der Meinung der Revision kommt es auch nicht auf den Inhalt der diesbezüglichen Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien an. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zutreffend seine Tarifauslegung nach dem Tarifwortlaut und dem darin zum Ausdruck gekommenen übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien vorgenommen. Zudem übersieht der Kläger, daß selbst von gewerkschaftlicher Seite der Redakteursbegriff ebenso ausgelegt worden ist wie vom Landesarbeitsgericht. Entgegen den Ausführungen der Revision und den ergänzenden Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kommt es insoweit auch auf den Unterschied zwischen einem Text- und Bildredakteur nicht an. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, daß der Kläger Tätigkeiten eines Redakteurs auch im Bildbereich nicht ausgeübt hat. Auch auf die von ihm behauptete praktische Tarifübung kann sich der Kläger schon deswegen nicht stützen, weil sie jedenfalls insoweit rechtlich unbeachtlich ist, als sie im Widerspruch zum Tarifwortlaut steht (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 –, [demnächst] AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, mit weiteren Nachweisen). Eine Tarifübung im Sinne des Vortrages des Klägers wurde zudem vom Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt. Auf Fragen des betriebsverfassungsrechtlichen Tendenzschutzes für Zeitungsverlage kommt es für die Tarifauslegung ebenfalls nicht an.

Soweit die Revision insoweit noch verfahrensrechtliche Rügen anbringt, die sie auf die §§ 286, 291 und 293 ZPO stützt, können diese schon deswegen keine Berücksichtigung finden, weil die entsprechenden Prozeßtatsachen nicht gemäß § 554 Abs. 2 Nr. 3 lit. b ZPO binnen der Revisionsbegründungsfrist angebracht worden sind. Zudem handelt es sich dabei weitgehend um Ausführungen materiellrechtlichen Inhalts, die der Senat berücksichtigt hat. III. Ab 1. Januar 1981 gilt eine veränderte Rechtslage, die das Landesarbeitsgericht noch nicht hatte berücksichtigen können. Von diesem Zeitpunkt an (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 des MTV Redakteure in der Fassung vom 23. November 1980) gilt ein veränderter tariflicher Begriff des Redakteurs. Der MTV Redakteure 1980 enthält nämlich zu § 1 jetzt eine mit Tarifcharakter ausgestattete Protokollnotiz folgenden Inhalts:

“Als Redakteur gilt, wer – nicht nur zum Zweck der Vorbereitung auf diesen Beruf … – kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teils von Tageszeitungen regelmäßig in der Weise mitwirkt, daß er

1. Wort- und Bildmaterial sammelt, sichtet, ordnet, dieses auswählt und veröffentlichungsreif bearbeitet und / oder

2. mit eigenen Wort- und/oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der Zeitung beiträgt und/oder

3. die redaktionell-technische Ausgestaltung (insbesondere Anordnung und Umbruch) des Textteils besorgt und/oder

4. diese Tätigkeiten koordiniert.”

Dieses neue Tarifrecht kann vom Senat herangezogen werden, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf (vgl. das Urteil des Senats AP Nr. 5 zu § 44 BAT mit weiteren Nachweisen) Nunmehr haben die Tarifvertragsparteien eine eigene Legaldefinition des tariflichen Redakteursbegriffes vorgenommen, die gegenüber der früheren eine Erweiterung darstellt und zugleich die bisherige Übereinstimmung des tariflichen und des allgemeinen pressefachlichen und presserechtlichen Redakteursbegriffes aufgibt. Dieser neue tarifliche Redakteursbegriff fordert zunächst einmal, daß der betreffende Angestellte an der Erstellung des redaktionellen Teils einer Tageszeitung regelmäßig mitwirkt was für den Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zutrifft. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird er dabei auch “kreativ” im tariflichen Sinne tätig, soweit er Fotos für die “O… Volkszeitung” liefert. Da etwas Gegenteiliges weder aus dem Tarifwortlaut noch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang hergeleitet werden kann, ist nämlich davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien das Wort “kreativ” in seiner allgemeinen, auf seine lateinische Wurzel zurückgehenden Bedeutung verwenden und demgemäß darunter eine eigenschöpferische, auf eigenen Einfällen und Entschlüssen beruhende Tätigkeit verstehen (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 2157), ohne daß es insoweit auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörterten Fragen des künstlerischen Charakters der Tätigkeit (Art. 5 Abs. 3 GG) und des Urheberrechts ankommt. Im übrigen verlangt die Tarifnorm nunmehr nur noch, daß der betreffende Angestellte solche Tätigkeiten ausübt, die in den Ziffern 1 bis 4 der Protokollnotiz im einzelnen ausgeführt werden, wobei die Ziffer 1 die herkömmlichen Tätigkeiten eines Redakteurs beschreibt, während in den Ziffern 2 bis 4 diesen herkömmlichen Redakteursaufgaben andere rechtlich gleichwertige hinzugefügt werden.

Davon kommen für den Kläger nur die in Ziffer 2 der Tarifnorm dargestellten Aufgaben in Betracht. Danach ist es im Gegensatz zum früheren Tarifrecht bereits ausreichend, wenn der betreffende Angestellte wie vorliegend der Kläger mit eigenen Wort- oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der von der Beklagten herausgegebenen “O… Volkszeitung” beiträgt. Dabei sind Wort- und Bildbeiträge tarifrechtlich gleichwertig. Soweit der Kläger daher dadurch kreativ und regelmäßig an der Erstellung des redaktionellen Teils der “O… Volkszeitung” mitwirkt, daß er Bildbeiträge für die Presseberichterstattung und Kommentierung liefert, ist er nunmehr als Redakteur im Sinne des MTV Redakteure 1980 anzusehen, ohne daß es noch darauf ankäme, ob der Kläger auch die veröffentlichungsreife Bearbeitung vornimmt.

Dennoch ist die Klage aber auch für den Anspruchszeitraum ab 1. Januar 1981 nicht begründet. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die auch dem Inhalt seines Arbeitsvertrages entsprechen, übt der Kläger nämlich Redakteursaufgaben im Sinne des MTV Redakteure 1980 nicht, wie es nach den tariflichen Bestimmungen und den allgemeinen Grundsätzen des Tarifrechts erforderlich ist, überwiegend aus. Den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit machen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vielmehr sonstige Tätigkeiten aus, insbesondere Laboraufgaben anderer Art, die jedenfalls vom MTV Redakteure nicht erfaßt werden. Insbesondere gilt das für Laboraufgaben außerhalb des redaktionellen Bereiches und solche, die der Kläger für andere Redakteure zu erledigen hat.

Was hierzu der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend vorgebracht hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entscheidend ist, daß die mit prozessualen Rügen nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts den Senat nach § 561 ZPO binden. Entgegen der Meinung des Klägers kann auch aus dem Inhalt seines Schriftsatzes vom 7. Juni 1978 die Schlüssigkeit des Klagevortrages im Sinne der neuen tariflichen Bestimmungen nicht hergeleitet werden. Auch daraus ergibt sich nämlich nicht, daß der Kläger überwiegend mit redaktionellen Aufgaben im Sinne des MTV Redakteure 1980 beschäftigt worden ist. Allein die gegenüber anderen Mitarbeitern größere Zahl der vom Kläger gelieferten Bilder läßt hierauf keine Rückschlüsse zu. Im übrigen ist das Revisionsgericht auch an die tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gebunden. Soweit sein in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichter Schriftsatz vom 12. Mai 1981 noch neuen Tatsachenvortrag enthält, ist dieser schon aus Gründen des § 561 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Daher bedurfte es entgegen dem Begehren der Beklagten auch keiner Vertagung, damit sie sich zu diesem neuen Tatsachenvortrag ihrerseits schriftsätzlich äußern könne.

Da der MTV Redakteure für den Kläger nicht gilt, kann er, wie das Landesarbeitsgericht richtig entschieden hat, auch mit seinem Leistungsantrag keinen Erfolg haben.

Die Kosten seiner erfolglosen Revision trägt der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Etzel hat Urlaub

Dr. Neumann

Dr. Feller, Trautmann, Koerner

 

Fundstellen

Haufe-Index 2628923

BAGE, 251

NJW 1982, 302

JR 1982, 44

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