Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliche Versorgung: Ausschluss von einer verbessernden Regelung. Altersdiskriminierung. Gleichbehandlung. Rückwirkung. Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für Betriebsrentner
Leitsatz (redaktionell)
Es ist europarechtlich regelmäßig zulässig, in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Altersgrenzen zu vereinbaren.
Normenkette
Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal vom 4. Dezember 2004; AGG § 2 Abs. 2 S. 2, §§ 7, 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3; Richtlinie 2000/78/EG Art. 6
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. August 2007 – 11 Sa 254/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten darüber, nach welchen tarifvertraglichen Regelungen die dem Kläger zustehende Betriebsrente zu berechnen ist.
Rz. 2
Der am 28. April 1937 geborene Kläger gehört der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V. (im Folgenden: GVC) an. Er war bis einschließlich 30. April 1993 bei der Beklagten als Luftfahrzeugführer beschäftigt. Diese ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (im Folgenden: AVH). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden auch kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Bord- bzw. Cockpitpersonal der Beklagten Anwendung.
Rz. 3
Unter dem 15. April 1993 hatten die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung getroffen, in der es ua. heißt:
“1. Ausscheiden wegen Erreichens der Altersgrenze; Vertragsverlängerungen
a) Herr B… wird zum 30.04.1993 wegen Erreichens der Altersgrenze gemäß den Bestimmungen des § 19 Manteltarifvertrag Nr. 4 Bordpersonal aus den Diensten der Deutschen Lufthansa AG ausscheiden.
b) …
2. Übergangsversorgung
a) Herr B… erhält nach seinem Ausscheiden die ihm aus dem Tarifvertrag Übergangsversorgung zustehenden Leistungen, über die er gesondert informiert wird.
b) …”
Rz. 4
Übergangsversorgung und betriebliche Altersversorgung sind tarifvertraglich geregelt. § 2 des Versorgungstarifvertrages Nr. 3 vom 19. Dezember 1979 (im Folgenden: VersTV Nr. 3) schrieb vor:
“Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) so zu versichern (Pflichtversicherung), daß der Pflichtversicherte eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente für sich und seine Hinterbliebenen im Rahmen der Gesamtversorgung erwerben kann, soweit die Satzung der VBL es zulässt. …”
Rz. 5
Nach § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages Übergangsversorgung Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH vom 1. Oktober 1989 (im Folgenden: TV ÜV-Cockpit 1989) hat der Mitarbeiter Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und zehn Dienstjahre vollendet hat. § 5 Abs. 2 TV ÜV-Cockpit 1989 enthält folgende Bestimmungen:
“Die Zahlung der Zusatzrente beginnt in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemäß Abs. 1 und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung (AV) bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres
Für Mitarbeiter, die nicht in der VBL oder AV versichert sind, treten etwaige sonstige Versorgungsleistungen (ausgenommen Ruhegehälter von Beamten und Berufssoldaten**]) an die Stelle der VBL/AV-Leistungen.
…
…”
Rz. 6
Diese Protokollnotiz lautet wie folgt:
“II. Zusatzrente und Flugdienstuntauglichkeitsleistungen
1. a) Die Zahlung der Zusatzrente (§ 5) endet regelmäßig mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Sofern bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung nach dem am 1.10.1989 gültigen Versicherungsvertrag erst ab Alter 65 bestehen, wird die Übergangsversorgung solange fortgeführt. Entsprechendes gilt, soweit und solange Anspruch auf VBL-/AV-Gesamtversorgung noch nicht besteht, weil der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erfüllt hat.
…”
Rz. 7
Mit Ablauf des 30. April 1993 endete aufgrund Aufhebungsvertrages iVm. § 19 des Manteltarifvertrages für das Cockpitpersonal der Beklagten (MTV) in der damals geltenden Fassung das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis. Vom 1. Mai 1993 bis einschließlich 30. April 2002 erhielt der Kläger die im TV ÜV-Cockpit 1989 geregelte “Zusatzrente”. Mit dem Ende des Monats, in dem er aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten ausschied, wurde er, ohne dass es seiner Willenserklärung bedurfte, zum außerordentlichen Mitglied der GVC (Nr. 3.1.2 der Satzung der GVC). Als außerordentliches Mitglied hat er kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der GVC (Nr. 7.7 Satz 2 der Satzung der GVC).
Rz. 8
Anlässlich des Ausscheidens der Beklagten aus der VBL schlossen die GVC und der AVH den Ergänzungstarifvertrag zum VersTV Nr. 3 vom 10. Mai 1994 (im Folgenden: ErgTV). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
“1. DLH/LSG/CFG sind verpflichtet, nach Beendigung der VBL-Beteiligung alle am 31.12.1994 bei der VBL pflichtversicherten Mitarbeiter/-innen so zu stellen, als würde ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender Satzung fortgeführt.
…
2. Die Fortführung der Zusatzversorgung gemäß Ziffer 1 erfolgt in entsprechender Anwendung des geltenden DLH-/LSG-/CFG-Versorgungstarifvertrages mit der Maßgabe, daß DLH/LSG/CFG anstelle der VBL deren Verpflichtungen nach Maßgabe der jeweils geltenden Satzung übernehmen.
…”
Rz. 9
Am 28. April 2002 vollendete der Kläger sein 65. Lebensjahr. Seit dem 1. Mai 2002 zahlt ihm die Beklagte eine nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV berechnete Betriebsrente. Die GVC hatte diese beiden Tarifverträge zum 31. Dezember 2001 gekündigt.
Rz. 10
Am 4. Dezember 2004 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal (im Folgenden: TV Betriebsrente) ab, der erhebliche Verbesserungen der Leistungen vorsieht. Er enthält ua. folgende Regelungen:
Ҥ 1
Geltungsbereich
(1) Dieser Versorgungstarifvertrag regelt die betriebliche Altersversorgung für das Cockpitpersonal (nachfolgend Mitarbeiter genannt) der Gesellschaften Deutsche Lufthansa AG, Lufthansa Cargo AG, Lufthansa Flight Training GmbH, Condor Flugdienst GmbH sowie Condor Berlin GmbH (nachfolgend zusammenfassend Gesellschaft genannt), die unter die Vorschriften des jeweiligen Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal dieser Gesellschaften in ihrer jeweils gültigen Fassung fallen, soweit das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft nach dem 31.12.1994 aufgenommen worden ist. Darüber hinaus gilt dieser Tarifvertrag für die Mitarbeiter des Cockpitbereichs, die vom Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal erfasst werden, unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe der danach geltenden Vorschriften.
…
§ 18
In Kraft Treten
(1) Dieser Versorgungstarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in Kraft. …”
Rz. 11
Ebenfalls am 4. Dezember 2004 schlossen die GVC und der AVH den Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal – Ablösung der VBL-gleichen Altersversorgung und Überleitung in die Lufthansa-Betriebsrente – (im Folgenden: TV Vereinheitlichung) ab. Er lautet auszugsweise wie folgt:
“Präambel
Mit Beendigung ihrer Beteiligung an der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) am 31.12.1994 haben sich die Deutsche Lufthansa AG und die Condor Flugdienst GmbH nach Maßgabe des Ergänzungstarifvertrages zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 vom 10.05.1994 verpflichtet, alle am 31.12.1994 bei der VBL versicherten Mitarbeiter so zu stellen, als würde ihre spätere Zusatzversorgung von der VBL nach deren jeweils geltender Satzung fortgeführt (‘VBL-gleiche Zusatzversorgung’).
Vor dem Hintergrund, dass sich die Tarifvertragsparteien des Öffentlichen Dienstes mit dem Altersvorsorgeplan 2001 vom 13.11.2001 auf eine grundlegende Reform der VBL-Zusatzversorgung unter Ablösung des bisherigen Gesamtversorgungssystems geeinigt haben und insoweit auch dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 22.03.2000 (1 BvR 1136/96) Rechnung getragen haben, wird die im Lufthansa-Konzern seit 01.01.1995 bestehende Zusage auf eine VBL-gleiche Zusatzversorgung nach Maßgabe dieses Tarifvertrages abgelöst und durch eine neue Zusage auf betriebliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ersetzt. Die Tarifvertragsparteien kommen damit auch ihrer entsprechenden Verhandlungsverpflichtung vom 16.05.2000 nach.
Das bisherige VBL-gleiche Gesamtversorgungssystem im Lufthansa-Konzern wird mit Ablauf des 31.12.2001 abgelöst. Ab 01.01.2002 werden alle Anwartschaften und bestehenden Ansprüche auf Versorgungsleistungen auf bzw. aus VBL-gleicher Zusatzversorgung in das im Lufthansa-Konzern seit 01.01.1995 geltende System der Neuen Betrieblichen Altersversorgung, künftig Lufthansa-Betriebsrente, überführt.
…
Teil II: Mitarbeiter mit Anwartschaft auf VBL-gleiche Gesamtversorgung
Abschnitt I: Rückwirkende Zusage der Lufthansa-Betriebsrente
§ 2 Rückwirkende Zusage der Lufthansa-Betriebsrente
(1) Alle am 01.01.2002 VBL-gleich pflichtversicherten Mitarbeiter werden unter den Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe der folgenden Bestimmungen so gestellt, als hätten sie ab Beginn der VBL- oder VBL-gleichen Versicherungspflicht aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit Lufthansa eine Zusage auf Leistungen nach dem Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente erhalten (rückwirkende Einführung der ‘Lufthansa-Betriebsrente’).
Satz 1 gilt entsprechend für ehemalige, bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis VBL-gleich versicherte Mitarbeiter, die nach den Vorschriften der VBL-Satzung i.d.F. der 40. Satzungsänderung (VBL-S 40) bei Eintritt des Versicherungsfalles als pflichtversichert gelten.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, sofern bereits vor dem 02.01.2002 die Leistung einer VBL-gleichen Rente begonnen hat. Sie gelten ferner nicht, wenn der ehemalige Mitarbeiter vor dem 02.01.2002 das 63. Lebensjahr vollendet hat.
…
§ 18 In-Kraft-Treten
(1) Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 01.01.2002 in Kraft. …
…”
Rz. 12
Die Neuregelungen des TV Betriebsrente sind in der Regel für die Versorgungsberechtigten deutlich günstiger als die früheren Tarifvorschriften. Der Kläger hat von der Beklagten verlangt, dass sie seine Betriebsrente nach dem TV Betriebsrente vom 4. Dezember 2004 berechnet. Für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis einschließlich 31. Mai 2006 hat er einen Differenzbetrag iHv. insgesamt 88.272,66 Euro gefordert und für die Zeit ab dem 1. Juni 2006 über die von der Beklagten gezahlte Betriebsrente von 1.947,80 Euro hinaus weitere 1.830,86 Euro, also insgesamt 3.778,66 Euro.
Rz. 13
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung, aufgrund derer er von der tariflichen Neuregelung ausgenommen werde, sei mit höherrangigem Recht unvereinbar. Sie verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Die Anknüpfung an den Eintritt in den Ruhestand und das Lebensalter sei weder erforderlich noch angemessen und daher unverhältnismäßig. Die Stichtagsregelung führe dazu, dass einem Kollegen mit nahezu identischer Laufbahn, gleichem Ausbildungsjahr, gleichem Einstellungsjahr, gleichem Flugzeugmuster, gleicher Kapitänslaufbahn und gleichem Ausscheiden aus dem aktiven Flugdienst allein wegen eines um wenige Monate abweichenden Geburtsdatums eine um bis zu 51,9 % höhere Betriebsrente zustehe. Dies stelle eine nicht nachvollziehbare, unzumutbare Härte dar, die durch Übergangsregelungen oder einen Härteausgleich hätte abgemildert werden können und müssen. Hier hätte eine gestaffelte Regelung getroffen werden können. Ebenso wäre es möglich gewesen, nicht auf das Alter oder das Geburtsdatum, sondern auf die Laufbahn, die Anzahl der Beschäftigungsjahre im aktiven Flugdienst oä. abzustellen. Allenfalls hätte an die Vollendung des 65. Lebensjahres, mithin des gesetzlichen Rentenalters, angeknüpft werden dürfen. Die Diskriminierung wegen des Alters werde nicht durch eine legitime Zielsetzung der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt. Sofern diese das Ziel verfolgt hätten, sämtliche abgeschlossene Austauschverhältnisse von der Neuregelung auszunehmen, hätten sie dies auch konsequent umsetzen müssen, was hier jedoch nicht geschehen sei. So seien Flugkapitäne vorhanden, die am 2. Januar 2002 noch nicht Rentenbezieher gewesen seien, indes gleichwohl von der Neuberechnung ausgeschlossen worden seien; umgekehrt sei durch die Rückwirkung des Tarifvertrages in abgeschlossene Austauschverhältnisse eingegriffen worden, weil als Stichtag nicht der Tag des Tarifvertragsabschlusses gewählt worden sei, sondern stattdessen der 2. Januar 2002. Die Stichtagsregelung führe zu einer Diskriminierung der älteren Arbeitnehmer gegenüber den jüngeren und verstoße damit gegen die Altersdiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG bzw. das primärrechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Alters. Unabhängig davon hätten die Tarifvertragsparteien durch die Nichteinbeziehung von Kapitänen, die vor dem 1. Januar 1939 geboren worden seien, gerade diejenigen Personen benachteiligt, die sich dagegen innerhalb ihrer Gewerkschaft nicht hätten zur Wehr setzen können. So seien die früheren Kapitäne zwar noch tarifgebunden, da sie der GVC angehörten. Mit ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Flugdienst seien sie jedoch nur außerordentliche Mitglieder, so dass sie bei Mitgliederversammlungen nicht mehr stimmberechtigt seien und auf die Willensbildung in der Gewerkschaft keinen Einfluss mehr nehmen könnten. Angesichts der fehlenden Möglichkeit einer Mitwirkungsbefugnis in den Willensbildungsorganen der Gewerkschaft fehle es an deren Legitimation und Kompetenz, eine diese Personengruppe gezielt benachteiligende Regelung tariflich zu vereinbaren.
Rz. 14
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit dem 1. Juni 2006 über die monatliche Betriebsrente iHv. 1.947,80 Euro brutto hinaus einen weiteren Betrag iHv. monatlich 1.830,86 Euro brutto als Betriebsrente zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 88.272,66 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Rz. 15
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung in § 2 TV Vereinheitlichung verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Sie sei aus mehreren Gründen gerechtfertigt gewesen: Wegen der Kündigung des früheren Versorgungstarifvertrages durch die GVC zum 31. Dezember 2001 und der sich hieraus ergebenden Ablösung zu diesem Zeitpunkt, wegen der Ablösung des VBL-Gesamtversorgungssystems im öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 2001 sowie deswegen, weil die betroffenen Mitarbeiter der Jahrgänge 1932 bis 1938 zum überwiegenden Teil bereits drei bis neun Jahre betriebliche Altersversorgung bezogen hätten. Im Übrigen sei das Versorgungsniveau der Rentner nach dem Versorgungstarifvertrag für das Cockpitpersonal nicht unangemessen. Für diese sei die VBL-gleiche Versorgung gesichert worden. Durch die rückwirkende Zusage der neuen betrieblichen Altersversorgung für die aktiven Mitarbeiter und Empfänger von Übergangsversorgung sei zwar regelmäßig eine Verbesserung bewirkt worden; diese hätte sich jedoch nicht auf die Rentner auswirken müssen. Die Tarifvertragsparteien hätten eine sachlich sinnvolle und nachvollziehbare Abgrenzung vorgenommen. Ohne die Stichtagsregelung hätten Mitarbeiter mit befreiender Lebensversicherung, die nicht verpflichtet seien, mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Altersrente zu beantragen, und nur deshalb die Übergangsversorgung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erhielten, einen unzulässigen Vorteil. Das Abstellen auf den laufenden Rentenbezug im Rahmen der Stichtagsregelung sei im Übrigen die einzige Möglichkeit gewesen, das bei ihr bestehende Regelungsgeflecht aus Alters- und Übergangsversorgung auch unter Kosten- und Aufwandsgesichtspunkten abzulösen und weitergehende Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Das mit der tarifvertraglichen Regelung verfolgte Ziel sei ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sowie des § 10 AGG.
Rz. 16
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 17
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seine zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten keine Betriebsrente auf der Grundlage des TV Betriebsrente beanspruchen. Dieser Tarifvertrag findet auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung.
Rz. 18
A. Der Kläger wird vom persönlichen Geltungsbereich des TV Betriebsrente, der die von ihm begehrte höhere Betriebsrente vorsieht, nicht erfasst. Dies folgt aus Wortlaut und Systematik sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 TV Betriebsrente iVm. § 2 Abs. 1 TV Vereinheitlichung.
Rz. 19
I. Der TV Betriebsrente ist nicht nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 1 auf den Kläger anwendbar, da sein Arbeitsverhältnis nicht nach dem 31. Dezember 1994 begründet wurde.
Rz. 20
II. Ebenso scheitert eine Anwendung des TV Betriebsrente nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 2. Danach gilt dieser Tarifvertrag für die Mitarbeiter des Cockpitbereichs, die vom TV Vereinheitlichung erfasst werden, “unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe der danach geltenden Vorschriften”. Auch dies ist beim Kläger nicht der Fall, denn er unterfällt dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung.
Rz. 21
Zwar sieht § 2 Abs. 1 Satz 1 TV Vereinheitlichung vor, dass alle am 1. Januar 2002 VBL-gleich pflichtversicherten Mitarbeiter “unter den Voraussetzungen und nach näherer Maßgabe des TV Vereinheitlichung so gestellt werden, als hätten sie ab Beginn der VBL- oder VBL-gleichen Versicherungspflicht aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses mit Lufthansa eine Zusage auf Leistungen nach dem TV Betriebsrente erhalten (rückwirkende Einführung der ‘Lufthansa-Betriebsrente’)”. Zu den “Voraussetzungen und Maßgaben des TV Vereinheitlichung” gehören jedoch auch dessen § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4. Danach gelten die Sätze 1 und 2 des § 2 Abs. 1 TV Vereinheitlichung nicht, sofern bereits vor dem 2. Januar 2002 die Leistung einer VBL-gleichen Rente begonnen hat oder der ehemalige Mitarbeiter vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet hat. Dabei knüpft § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung an den Bezug einer VBL-gleichen Rente an; iVm. Satz 1 differenziert Satz 3 zwischen Betriebsrentnern einerseits und aktiven Arbeitnehmern, Beziehern einer Übergangsversorgung und sonstigen Anwartschaftsberechtigten andererseits. § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung schließt von der zuletzt genannten Gruppe diejenigen von der Anwendung der Neuregelung aus, die vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet haben, und stellt sie den Betriebsrentnern gleich. Damit werden all diejenigen, die am Stichtag (2. Januar 2002) Betriebsrentner waren oder das 63. Lebensjahr vollendet hatten, nicht in den TV Betriebsrente übergeleitet. Sie werden von vornherein nicht vom persönlichen Geltungsbereich des TV Betriebsrente erfasst.
Rz. 22
Der Kläger ist nach § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung von der Anwendung des TV Betriebsrente (dh. von der rückwirkenden Einführung der neuen Betriebsrente) ausgenommen, er wurde am 28. April 1937 geboren und hatte somit vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet.
Rz. 23
B. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung enthaltenen Regelungen wirksam.
Rz. 24
I. Die Tarifvertragsparteien waren zum Abschluss der streitbefangenen Regelungen legitimiert.
Rz. 25
Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien erstreckt sich nicht nur auf noch bestehende Arbeitsverhältnisse, sondern auch auf Anwartschafts- und Ruhestandsverhältnisse. Dies hat der Senat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2007 (– 3 AZR 734/05 – Rn. 33 f., BAGE 121, 321) und 17. Juni 2008 (– 3 AZR 409/06 – Rn. 28 bis 30, AP GG Art. 9 Nr. 136) unter Bezugnahme auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit entschieden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats wird Bezug genommen.
Rz. 26
Dem steht im vorliegenden Verfahren auch nicht entgegen, dass der Kläger bei Abschluss des TV Betriebsrente und des TV Vereinheitlichung “nur noch” außerordentliches Mitglied der GVC war und deshalb nach deren Satzung kein Stimmrecht in den Mitgliederversammlungen hatte. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 17. Juni 2008 (– 3 AZR 409/06 – Rn. 33 bis 35, AP GG Art. 9 Nr. 136) ausgeführt hat, haben Betriebsrentner nach § 18 AGG rechtlich die Möglichkeit, sich am Entscheidungsprozess beim Abschluss entsprechender Tarifverträge innergewerkschaftlich zu beteiligen und dieses Recht auch durchzusetzen. Die Gewerkschaft ist nicht nur rechtlich gehindert, die Betriebsrentner von den sie betreffenden Entscheidungen in Fragen der Tarifpolitik auszuschließen. Die Betriebsrentner haben einen damit korrespondierenden Anspruch darauf, an den tarifpolitischen Entscheidungsprozessen, soweit sie sie betreffen, ebenso mitzuwirken wie Gewerkschaftsmitglieder, die noch aktive Arbeitnehmer sind.
Rz. 27
Vor Inkrafttreten des AGG galt nichts anderes. Im Urteil des Senats vom 17. Juni 2008 (– 3 AZR 409/06 – Rn. 34, AP GG Art. 9 Nr. 136) heißt es:
“Bei der Willensbildung war das Gebot der Gleichbehandlung der Mitglieder und das Verbot der Willkür zu beachten, wobei für Vereinigungen, die den Zugang zu wesentlichen Vorteilen beherrschen, besondere Anforderungen zu stellen waren … Zu diesen Vereinigungen gehören auch Gewerkschaften, die den Zugang zu tariflichen Leistungen gewähren (§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG). Dass Gewerkschaften üblicherweise als nicht rechtsfähige Vereine organisiert sind, ändert an der Anwendung dieser vereinsrechtlichen Grundsätze nichts, da für nicht rechtsfähige Vereine weitgehend die vereinsrechtlichen Regelungen des BGB und damit auch die für Vereine geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze anzuwenden sind …”
Rz. 28
Daran hält der Senat fest.
Rz. 29
Allerdings hat der Senat in dieser Entscheidung auch betont, dass es für die Wirksamkeit eines Tarifvertrages nicht entscheidungserheblich ist, ob und in welcher Weise die Tarifvertragsparteien im Einzelfall die Betriebsrentner beteiligt haben. Dies widerspräche dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Wirksamkeit der Tarifnormen kann nicht von den inneren Vorgängen innerhalb einer Tarifvertragspartei abhängig gemacht werden. Insoweit reicht es aus, dass es den Betriebsrentnern offensteht, ihren Beteiligungsanspruch notfalls gerichtlich durchzusetzen. Dies gilt auch im Falle des Klägers, so dass sich die Tatsache, dass er nach der Satzung der GVC als außerordentliches Mitglied in der Mitgliederversammlung kein Stimmrecht hat, nicht auswirkt.
Rz. 30
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt eine Aufspaltung dahin, dass die Tarifpartner Regelungskompetenz gegenüber Betriebsrentnern insoweit haben, als sie diese begünstigende Regelungen vereinbaren, während ihnen für nachteilige Regelungen die Regelungsmacht fehlen soll, nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass die Geltung der einschlägigen Tarifverträge auch arbeitsvertraglich vereinbart worden sei, führt ebenfalls nicht weiter. Selbst wenn man eine Regelungsbefugnis der Tarifpartner für Betriebsrentner oder bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Anwartschaftsberechtigte verneinen würde, so würde gerade die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der jeweiligen tariflichen Regelung (zur dynamischen Verweisung vgl. BAG 27. Juni 2006 – 3 AZR 255/05 – BAGE 118, 326) eine fehlende Tarifbindung ebenso wie eine fehlende Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien ersetzen.
Rz. 31
Die im Arbeitsvertrag enthaltene dynamische Verweisung auf die tariflichen Versorgungsregelungen führt nicht dazu, dass die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung für die Versorgungsrechte des Klägers entfallen. Ob die tarifvertraglichen Neuregelungen oder die bisherigen tarifvertraglichen Versorgungsregelungen anzuwenden sind, ist im TV Vereinheitlichung geregelt. Dieser ist durch die dynamische Verweisung im Arbeitsvertrag inhaltlich unverändert übernommen worden.
Rz. 32
II. § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung halten auch einer inhaltlichen Rechtskontrolle stand. Die Klausel ist nicht wegen Verstoßes gegen das AGG, gegen europarechtliche Vorschriften, Art. 3 Abs. 1 GG oder das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verbot der Rückwirkung unwirksam. In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand, dass die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung nicht zu Eingriffen in vorhandene Besitzstände führen, also die erworbenen Rechtspositionen ungeschmälert erhalten, sondern die Betroffenen von der Anwendung einer günstigeren Regelung ausschließen, mithin an dem verbesserten neuen Versorgungswerk nicht teilhaben lassen, besondere Bedeutung zu.
Rz. 33
1. Die tariflichen Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung sind nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Trotz der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG gilt dieses Gesetz auch für die betriebliche Altersversorgung (BAG 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06 – AP AGG § 2 Nr. 1 = EzA AGG § 2 Nr. 1). Dabei kann der zeitliche Geltungsbereich des AGG vorliegend dahinstehen. Zwar führen die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung in aller Regel zu einer weniger günstigen Behandlung wegen des Alters; diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch nach § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Diese Bestimmungen sind gemeinschaftsrechtskonform; die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung ihrerseits sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 34
a) Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen – und hierzu gehören auch Tarifverträge –, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Nach § 1 AGG sollen durch das Gesetz ua. Benachteiligungen aus Gründen des Alters verhindert oder beseitigt werden. § 10 Sätze 1 und 2 AGG gestatten – in weitgehend gleicher Formulierung wie § 3 Abs. 2 AGG – die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG können derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere “die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen” einschließen.
Rz. 35
b) Der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung, der ausdrücklich an die Vollendung des 63. Lebensjahres anknüpft, führt zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Eine solche liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Rz. 36
Es kann offenbleiben, ob der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung zu einer unmittelbaren oder lediglich mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters führt. Dabei liegt eine mittelbare Benachteiligung gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Obgleich § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung nicht ausdrücklich ein bestimmtes Lebensalter erwähnt, sondern den Bezug der VBL-gleichen Rente voraussetzt, spricht einiges dafür, dass es sich um eine Regelung handelt, die zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters führen kann. Mit dem Abstellen auf den Bezug einer VBL-gleichen Rente knüpft die Bestimmung für den Regelfall der Altersrente an die Vollendung des 63. bzw. 65. Lebensjahres an. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2 TV ÜV-Cockpit 1989 iVm. der Protokollnotiz II Ziff. 1 Buchst. a hierzu. Nach § 5 Abs. 2 TV ÜV-Cockpit 1989 beginnt die Zahlung der Zusatzrente in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Nach der Protokollnotiz II Ziff. 1 Buchst. a zu § 5 Abs. 2 TV ÜV-Cockpit 1989 endet die Zahlung der Zusatzrente regelmäßig mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Bestehen bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung nach dem am 1. Oktober 1989 gültigen Versicherungsvertrag erst ab Alter 65, wird die Übergangsversorgung solange fortgeführt. Der in der Protokollnotiz unter II Ziff. 1 Buchst. a Satz 3 aufgeführte Fall, dass der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch erfüllen können soll, ändert an der zuvor aufgezeigten Regelanknüpfung an das 63. bzw. 65. Lebensjahr nichts. Er stellt sie nicht in Frage. Jedenfalls sind die Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung (vgl. BAG 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08 – Rn. 40 mwN, NZA 2009, 849). Ist also eine mit dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung verbundene unmittelbare Benachteiligung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt, so ist es auch eine mittelbare.
Rz. 37
c) Der mit § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung verbundene Ausschluss von der Teilhabe an der verbesserten Versorgung nach dem TV Betriebsrente ist nach § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. Diese gesetzliche Bestimmung ist gemeinschaftsrechtskonform; sie erfasst auch die Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung, die ihrerseits einer Rechtskontrolle standhalten.
Rz. 38
aa) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG steht, soweit sie die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität gestattet, mit Gemeinschaftsrecht in Einklang.
Rz. 39
(1) Das AGG dient der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG). Zweck dieser Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung ua. auch wegen des Alters im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Dazu haben die Mitgliedstaaten nach Art. 16 Buchst. b der Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass “die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsordnungen … für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können oder geändert werden”.
Rz. 40
Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG betrifft die “gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters”. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie “vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind”. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten “ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 … vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt”.
Rz. 41
Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten sind, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist somit europarechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt.
Rz. 42
(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 10 AGG gemeinschaftsrechtskonform. Dies ergibt sich schon daraus, dass der nationale Gesetzgeber Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu unverändert übernommen hat. Indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er die Sätze 1 und 2 des § 10 AGG für anwendbar erklärt. Damit ist er über die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Allerdings findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Einschränkung “solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt”, nicht wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes führen (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer betrieblichen Altersversorgung bzw. Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Es ist anerkannt, dass der Gesetzgeber die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln muss, sondern den zur Ausgestaltung berufenen Tarifvertrags- und Betriebspartnern Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen kann (vgl. EuGH 16. Oktober 2007 – C-411/05 – [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8566; BAG 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08 – Rn. 37, NZA 2009, 849).
Rz. 43
(3) Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Die Festsetzung von Altersgrenzen in Versorgungsordnungen ist daher auch nach deutschem Recht im Regelfall zulässig; im Regelfall liegen die Voraussetzungen des § 10 Sätze 1 und 2 AGG vor.
Rz. 44
bb) Die Sätze 3 und 4 des § 2 Abs. 1 TV Vereinheitlichung sind wirksam. § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung knüpft – wie bereits unter A II ausgeführt – an den Bezug einer VBL-gleichen Rente an und nimmt damit eine Differenzierung zwischen Betriebsrentnern einerseits und aktiven Arbeitnehmern, Beziehern einer Übergangsversorgung sowie sonstigen Anwartschaftsberechtigten andererseits vor. § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung schließt wiederum von der zuletzt genannten Gruppe diejenigen ehemaligen Mitarbeiter von der neuen Betriebsrente aus, die vor dem 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet haben, und stellt diese den Betriebsrentnern gleich. Mit dem so bewirkten Ausschluss der Betriebsrentner und der diesen gleichgestellten ehemaligen Mitarbeiter von der Teilhabe an der verbesserten Altersversorgung nach dem TV Betriebsrente haben die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum nicht überschritten; die von ihnen gefundene Regelung entspricht den Voraussetzungen des § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG. Sie ist im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung angemessen.
Rz. 45
Mit dem Eintritt in den Ruhestand liegt ein abgeschlossener Sachverhalt vor; der Eintritt des Versorgungsfalls ist eine wesentliche Zäsur und deshalb ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für versorgungsrechtliche Vorschriften (BAG 25. Mai 2004 – 3 AZR 123/03 – zu B II 1d der Gründe, AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11; 20. Februar 2001 – 3 AZR 252/00 – zu III 3 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24; 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – zu B IV 1d der Gründe, AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3). Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Betriebsrentner – anders als die Aktiven – nicht mehr die zu zahlenden Betriebsrenten erwirtschaften und so nicht mehr zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens beitragen. Dass die Empfänger der Übergangsversorgung – obgleich sie keine aktiven Arbeitnehmer mehr sind – den Aktiven grundsätzlich gleichgestellt sind, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern: Da die frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 19 MTV und der sich daran anschließende Bezug der Übergangsversorgung allein im betrieblichen Interesse liegen, ist diese Gleichstellung gerechtfertigt. Es kommt hinzu, dass mit dem Ausschluss von der Anwendung der Neuregelung kein Eingriff in erworbene Versorgungsrechte bzw. Besitzstände verbunden ist. Diese bleiben vielmehr ungeschmälert erhalten; das ursprüngliche Versorgungssystem nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV wird für diesen Personenkreis fortgeführt. Die Betriebsrentner haben lediglich nicht an der verbesserten Altersversorgung teil. Hierauf konnten sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Eintritt in den Ruhestand auch nicht vertrauen.
Rz. 46
Auch die mit dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung bewirkte Gleichstellung der Übergangsversorgten und sonstigen Anwartschaftsberechtigten, die zum Stichtag 2. Januar 2002 das 63. Lebensjahr vollendet hatten, mit den Betriebsrentnern ist nicht zu beanstanden. Der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 4 TV Vereinheitlichung knüpft mit dem 63. Lebensjahr an das Alter an, in dem die gesetzliche Rente vorgezogen in Anspruch genommen werden konnte und nach § 5 TV ÜV-Cockpit 1989 auch regelmäßig in Anspruch genommen werden musste, geht mithin ebenso wie § 5 TV ÜV-Cockpit 1989 davon aus, dass der Versorgungsfall regelmäßig mit der Vollendung des 63. Lebensjahres eintritt. Eine längere Gewährung der Übergangsversorgung verbunden mit einem späteren Eintritt des Versorgungsfalls “Alter” kommt regelmäßig nur für diejenigen in Betracht, für die bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung erst ab Alter 65 bestehen. Würden diese Personen nicht den Betriebsrentnern gleichgestellt, wären sie nicht nur von Abschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verschont, sondern würden auch bei der Übergangsregelung bevorzugt. Es gibt keinen Grund, der eine solche Besserstellung der Anwartschaftsberechtigten mit befreiender Lebensversicherung gegenüber den sozialversicherten Betriebsrentnern rechtfertigen könnte.
Rz. 47
cc) Ebenso wenig ist die Stichtagsregelung zu beanstanden. Der mit der Regelung bezweckte Ausschluss der Betriebsrentner und der diesen gleichgestellten ehemaligen Mitarbeiter von der Teilhabe an der verbesserten Altersversorgung nach dem TV Betriebsrente mit der Folge, dass das ursprüngliche Versorgungssystem für diese Personengruppe weiter gilt, kann nur mittels einer Stichtagsregelung bewirkt werden.
Rz. 48
Die Wahl des Zeitpunkts ist sachlich gerechtfertigt. Dieser orientiert sich am Datum des Inkrafttretens, dem 1. Januar 2002. Dieses Datum war von den Tarifvertragsparteien im Hinblick darauf gewählt worden, dass der frühere Versorgungstarifvertrag durch die GVC zum 31. Dezember 2001 gekündigt worden war und für diesen Zeitpunkt eine Ablösung bevorstand. Ebenso war aufgrund des Altersvorsorgeplans 2001 vom 13. November 2001 das VBL-Gesamtversorgungssystem im öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 2001 grundlegend reformiert und abgelöst worden. Bereits diese beiden Umstände stellen einen hinreichenden sachlichen Grund für die Wahl des Zeitpunkts dar, so dass es auf die anderen von der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht ankommt.
Rz. 49
2. Andere europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch im vorliegenden Verfahren kann offenbleiben, ob das Primärrecht der EG ein auch zwischen privaten Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern oder Betriebsrentnern geltendes Verbot der Diskriminierung wegen des Alters enthält (vgl. dazu BAG 27. Juni 2006 – 3 AZR 352/05 (A) – Rn. 35 ff., BAGE 118, 340). Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG knüpft an das europarechtliche Primärrecht an und ist durch § 10 AGG umgesetzt worden. Auch nach einem als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehenden Verbot der Diskriminierung wegen des Alters liegt eine unzulässige Benachteiligung nicht vor, wenn Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG Rechnung getragen wurde (vgl. EuGH 22. November 2005 – C-144/04 – [Mangold] Slg. 2005, I-10013; BAG 21. November 2006 – 3 AZR 309/05 – Rn. 44, AP BetrAVG § 1b Nr. 7).
Rz. 50
3. Die Wirksamkeit der in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung geregelten Ausschlusstatbestände scheitert auch nicht an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder ob sie an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind (vgl. dazu BAG 14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – zu I 3b der Gründe mwN, BAGE 108, 94). Jedenfalls enthält Art. 3 Abs. 1 GG keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.
Rz. 51
4. Letztlich sind auch das rückwirkende Inkrafttreten des TV Vereinheitlichung und der damit einhergehende Ausschluss der durch § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung erfassten ehemaligen Mitarbeiter von den Leistungen nach dem TV Betriebsrente rechtlich nicht zu beanstanden. Die Tarifvertragsparteien haben hiermit nicht den Vertrauensgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt, der der Rückwirkung nicht nur von Gesetzen, sondern auch von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Grenzen setzt (BAG 30. März 1995 – 6 AZR 694/94 – zu II 2b der Gründe, BAGE 80, 1). Das rückwirkende Inkraftsetzen des TV Vereinheitlichung führt nicht zu einer echten Rückwirkung, denn der Tarifvertrag greift nicht nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein (zur echten Rückwirkung vgl. BVerfG 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 – zu C III 2a der Gründe, BVerfGE 95, 64), sondern belässt den Betroffenen ihre Besitzstände nach dem VersTV Nr. 3 iVm. dem ErgTV uneingeschränkt. Auch ein Fall der unechten Rückwirkung liegt nicht vor. Auch für die unechte Rückwirkung ist kennzeichnend, dass eine vorhandene Rechtsposition nachträglich entwertet wird (zur unechten Rückwirkung vgl. BVerfG 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92 – zu C III 2b der Gründe, aaO). Dies ist beim TV Vereinheitlichung, der nicht zu Eingriffen in vorhandene Besitzstände führt, sondern die Betroffenen von der Teilhabe an einem verbesserten Versorgungswerk ausschließt, nicht der Fall.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Schlewing, M. Perreng, Stemmer
Fundstellen