Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendungsvoraussetzungen einer ablösenden („verbessernden”) tariflichen Versorgungsordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einer sog. ablösenden tariflichen Versorgungsordnung, die für die betreffenden Personen gegenüber der bisherigen Versorgungsordnung günstigere Versorgungsleistungen vorsieht, können die Tarifvertragsparteien – je nach den Umständen des Einzelfalls – wirksam vereinbaren, dass diese keine Anwendung auf (ehemalige) Mitarbeiter des Arbeitgebers findet, die zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt entweder bereits Versorgungsempfänger sind oder das 63. Lebensjahr vollendet haben.

2. Verfolgen die Tarifvertragsparteien mit einer solchen – negativen – Anwendungsvoraussetzung unter Wahrung der Grundsätze der Angemessenheit und Erforderlichkeit ein sachlich gerechtfertigtes und legitimes Ziel, verstößt diese Differenzierung insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) und gegen die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebenden Grundsätze des unzulässigen Rückwirkungsverbots, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Ebenso wenig stellt sie eine unzulässige Altersdiskriminierung i.S. des AGG sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und des gemeinschaftlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters dar. Vielmehr ist sie nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1; AGG §§ 1, 2 Abs. 2 S. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, § 10 S. 3 Nr. 4; BetrAVG § 1b; SGB VI § 41 S. 2; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Art. 6 Abs. 1 S. 1; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Art. 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 07.12.2006; Aktenzeichen 22 Ca 5474/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.08.2009; Aktenzeichen 3 AZR 12/08)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.12.2006 – 22 Ca 5474/06 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer höheren Betriebsrente.

Der am 28.04.1937 geborene Kläger war bei der Beklagten als Luftfahrzeugführer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für das Bord- bzw. Cockpitpersonal der Beklagten Anwendung.

Am 15.04.1993 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, der u.a. vorsieht, dass der Kläger zum 30.04.1993 wegen Erreichens der Altersgrenze gemäß § 19 des Manteltarifvertrags Nr. 4 Bordpersonal aus den Diensten der Beklagten ausscheiden sollte. Weiterhin heißt es in dem Aufhebungsvertrag unter der Überschrift „2. Übergangsversorgung”:

„(a) Herr B erhält nach seinem Ausscheiden die ihm aus dem Tarifvertrag Übergangsversorgung zustehenden Leistungen, über die er gesondert informiert wird.

(b) Im Hinblick auf die Bereitschaft von Herrn B, auf die bereits vereinbarten Vertragsverlängerungen zu verzichten, sagt L Herrn B zu, bei der Berechnung der ÜV-Rente ab 01.05.1993 eine Beschäftigungszeit bis 30.04.1995 zu berücksichtigen.

Soweit es auf diesem Wege zu einer Überschreitung des tarifvertraglich vorgesehenen Rentensatzes von 60 % (§ 5 (3) TV ÜV) kommt, führen bereits abgeschlossene Vertragsverlängerungen zu einer Erhöhung von jeweils 1 % pro Jahr.

Herr B erhält dementsprechend eine Übergangsversorgungsrente von 61 % der zuletzt bezogenen Gesamtvergütung (§ 5 (3) TV ÜV) bis zum 30.04.2002. Die Übergangsversorgungsrente wird gemäß § 5 (4) TV ÜV dynamisiert.

L verzichtet gegenüber Herrn B auf die Anwendung des § 6 (1) Tarifvertrag Übergangsversorgung.”

Vom 01.05.1993 bis zum 30.04.2002 leistete die Beklagte an den Kläger die im Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vorgesehenen monatlichen Zahlungen. Seit dem 01.05.2002 erhält der Kläger von der Beklagten nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrags Nr. 3 vom 19.12.1979 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von derzeit 1.947,80 EUR.

Der Kläger ist außerordentliches Mitglied der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V. Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V.

Am 04.12.2004 schlossen die Tarifvertragsparteien den „Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal – Ablösung der VBL-gleichen Altersversorgung und Überleitung in die L-Betriebsrente – ” (im Folgenden: TV VBL-Ablösung Cockpit), der auszugsweise lautet:

„Präambel

Mit Beendigung ihrer Beteiligung an der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) am 31...

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