Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsanspruch und Mutterschaftsurlaub

 

Orientierungssatz

1. Die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs können nicht miteinander gleichgesetzt werden. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub ist von § 8a MuSchG geschützt im Unterschied zur Erkrankung aufgrund der Entscheidung des Arbeitnehmers. Ebenfalls ist ohne Bedeutung, daß die Arbeitnehmerin nach § 8a Abs 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub im Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte, nachdem sie sich hierfür entschieden hatte.

2. Auslegung des § 12 IV Nr 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie der Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West vom 20.6.1983.

 

Normenkette

MuSchG §§ 8a, 8d; BUrlG § 7 Abs. 4, 3

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 26.02.1985; Aktenzeichen 3 Sa 104/84)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 26.07.1984; Aktenzeichen 27 Ca 130/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West vom 20. Juni 1983 (in Kraft seit 1. Januar 1983) (MTV) anzuwenden. Nach § 12 I A Nr. 9 MTV stand ihr für das Jahr 1983 ein Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen zu.

§ 12 IV Nr. 3 MTV lautet:

"Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März des

folgenden Kalenderjahres, sofern er nicht vor-

her vergeblich geltend gemacht worden ist."

Die Klägerin war ab 22. März 1983 arbeitsunfähig krank und nahm bis zu ihrer Entbindung am 22. Oktober 1983 die Arbeit nicht wieder auf. Im Anschluß an die Mutterschutzfrist erhielt sie Mutterschaftsurlaub bis zum 22. April 1984.

Die Beklagte hat sich geweigert, der Klägerin auf deren Aufforderung vom 15. März 1984 den Jahresurlaub für das Jahr 1983 im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub zu gewähren mit dem Hinweis, er sei mit Ablauf des 31. März 1984 erloschen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr 26 Tage Urlaub zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Urlaubsanspruch erloschen ist.

1. Nach § 12 IV Nr. 3 MTV erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, sofern er nicht vorher vergeblich geltend gemacht worden ist. Der Urlaubsanspruch der Klägerin ist am 31. März 1984 erloschen. Damit ist ihre Aufforderung an die Beklagte, ihr den Urlaub für das Jahr 1983 im Anschluß an den am 23. April 1984 beendeten Mutterschaftsurlaub zu gewähren, gegenstandslos. Dem steht auch nicht entgegen, daß nach § 12 IV Nr. 3 MTV der Urlaubsanspruch erhalten bleibt, wenn er vorher vergeblich geltend gemacht worden ist. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach (vgl. zuletzt Urteil vom 13. November 1986 - 8 AZR 212/84 - AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) darauf hingewiesen, daß die Geltendmachung des Urlaubsanspruchs nur dann beachtlich ist, wenn dem Arbeitgeber die Erfüllung des Anspruchs möglich ist. Dies trifft nicht zu, wenn Arbeitspflichten des Arbeitnehmers während des Bestehens des Anspruchs nicht beseitigt werden können. Hier befand sich die Klägerin in Mutterschaftsurlaub. Arbeitspflichten der Klägerin gegenüber der Beklagten haben bis zum Ende des Urlaubsanspruchs nicht bestanden.

2. Der Verfall des Urlaubsanspruchs ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin durch Krankheit daran gehindert war, den Urlaub zu nehmen.

Die Mutterschutzfrist endete am 17. Dezember 1983. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin unstreitig arbeitsfähig. Der Zeitraum bis zum 31. März 1984 hätte ausgereicht, den Urlaubsanspruch zu erfüllen.

Daran ändert nichts, daß die Klägerin im Anschluß an die Mutterschutzfrist den Mutterschaftsurlaub nach § 8 a MuSchG genommen hat. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 498/84 - AP Nr. 3 zu § 8 d MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) sowie in den Entscheidungen vom 25. Februar 1987 (- 8 AZR 395/85 und 8 AZR 404/85 -) dargelegt, daß die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs nicht miteinander gleichgesetzt werden können. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub i. S. von § 8 a MuSchG geschieht im Unterschied zur Erkrankung aufgrund der Entscheidung des Arbeitnehmers. Ebenfalls ist ohne Bedeutung, daß die Klägerin nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub im Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte, nachdem sie sich hierfür entschieden hatte.

3. Eine Regelung über den Fortbestand des Urlaubsanspruchs, der wegen der Gewährung von Mutterschaftsurlaub nicht hat genommen werden können, ist auch in den Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub nicht enthalten. Aus § 8 d MuSchG muß das Gegenteil der von der Klägerin vertretenen Auffassung gefolgert werden: Diese Bestimmung, die eine Kürzungsmöglichkeit für den der Arbeitnehmerin zustehenden Urlaubsanspruch zum Inhalt hat, ist an § 4 ArbPlSchG orientiert (vgl. den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797). Während § 4 Abs. 2 ArbPlSchG eine Regelung über die Fortdauer von Urlaub enthält, der dem Wehrpflichtigen nicht oder nicht vollständig vor der Einberufung gewährt worden ist, fehlt eine solche Bestimmung in § 8 d MuSchG, so daß es bei der Befristung des Anspruchs nach § 12 IV Nr. 3 MTV zu verbleiben hat (vgl. hierzu auch BAGE 45, 155 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968).

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Wittendorfer Harnack

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441561

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