Entscheidungsstichwort (Thema)

Festschreibung der Höhe einer dynamischen Zulage

 

Orientierungssatz

1. Beim Widerruf von Vergütungsbestandteilen und Zusatzleistungen ist vorrangig darauf abzustellen, welcher Teil der Gesamtvergütung von dem Widerrufsvorbehalt betroffen ist und ob der nicht widerrufliche Teil der Bezüge die in einem Tarifvertrag festgesetzte oder sonst übliche Höhe erreicht.

2. Zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei freiwilligen Leistungen zu denen der Arbeitgeber weder durch Gesetz noch aufgrund Tarifverträge verpflichtet ist.

 

Normenkette

BGB § 315; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 11.08.1994; Aktenzeichen 4 Sa 243/93)

ArbG Passau (Entscheidung vom 07.01.1993; Aktenzeichen 2 Ca 350/92 D)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte eine Zulage wirksam widerrufen hat.

Der Beklagte ist eine Einrichtung, die sich mit Vorsorgemaßnahmen gegen Tierseuchen in der Landwirtschaft befaßt. Er wird u.a. finanziert von der Bayerischen Tierseuchenkasse in der Bayerischen Versicherungskammer und dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Beim Beklagten sind etwa 80 Tierärzte beschäftigt.

Der Kläger ist seit dem 1. Mai 1975 beim Beklagten als Tierarzt tätig. Der Arbeitsvertrag vom 12. Februar 1975 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

"§ 2

Für das Arbeitsverhältnis gelten der Bundes-Ange-

stelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961

und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarif-

verträge sinngemäß.

§ 3

Nebenabreden

1) An die Stelle der BAT-Grundvergütung tritt das

Grundgehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe

A 13.

2) Zum Ausgleich der Arbeitnehmeranteile an den

Sozialversicherungsbeiträgen wird eine nicht

gesamtversorgungsfähige Zulage in entsprechen-

der Höhe gewährt.

3) Die Nebenabreden unter 1) und 2) sind wider-

ruflich."

1983 ergänzten die Parteien § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages um folgenden Satz 2:

"Ortzuschlag und Stellenzulagen werden entspre-

chend den Besoldungsbestimmungen gewährt."

as Schreiben vom 28. Oktober 1983, mit dem der Beklagte dem Kläger diese Änderung des Arbeitsvertrages anbot, lautet auszugsweise:

"Bei der seinerzeitigen Regelung der Bezahlung

der beim TGD beschäftigten Akademiker nach der

Beamtenbesoldung wurde vereinbart, daß dabei

keine Besser- oder Schlechterstellung gegenüber

vergleichbaren Beamten eintreten darf. Es ist

deshalb notwendig geworden, bei § 3 (Nebenabre-

den) Abs. 1 im Arbeitsvertrag folgenden 2. Satz

anzufügen."

Mit Schreiben vom 22. Mai 1992 teilte der Beklagte dem Kläger und den anderen nicht nach dem BAT bezahlten Tierärzten mit, daß für das laufende Jahr mit einem Defizit von 500.000,00 DM gerechnet und für 1993 ein Defizit von 800.000,00 DM prognostiziert werde. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

"In keinem Fall sind wir in der Lage, die jährli-

chen Anpassungen entsprechend den Erhöhungen der

Sozialversicherungsbeiträge vorzunehmen.

Der TGD friert daher den Ihnen gewährten Aus-

gleich der Arbeitnehmeranteile auf den Stand

30.6.1992 bis auf weiteres ein. Formell widerru-

fen wir hiermit die Zulage, soweit sie diesen

eingefrorenen Stand künftig übersteigen wird."

Der beim Beklagten gebildete Betriebsrat widersprach dem Widerruf. Er reklamierte ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG. Zu einer Einigung kam es nicht.

Der Kläger hält den einseitigen Widerruf für unwirksam. Er hat vorgetragen: Bei dem streitigen Vergütungsbestandteil handele es sich nicht um eine Zulage im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern um einen Teil des Gehalts. Grundlage der Vergütungsregelung sei der Gedanke, den Tierärzten die Vergütung nach der Bayerischen Beamtenbesoldung zukommen zu lassen. Um die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen auszugleichen, habe sich der Beklagte dann verpflichtet, eine entsprechende nicht gesamtversorgungsfähige Zulage zu leisten. Dieser Teil der Vergütung habe also weder besondere Leistungen vergüten noch besondere soziale Verhältnisse ausgleichen sollen und sei deshalb keine Zulage, für die in zulässiger Weise ein Widerruf vorbehalten werden dürfe. Vielmehr sei eine Änderung nur nach Maßgabe des Kündigungsschutzgesetzes zulässig. Auch sei die Maßnahme deshalb unwirksam, weil der Beklagte den Betriebsrat nicht beteiligt habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die von der Beklagten mit

Schreiben vom 22. Mai 1992 erstrebte Änderung der

Arbeitsbedingungen rechtsunwirksam ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht: Nach dem klaren Wortlaut des Arbeitsvertrags handele es sich um eine widerrufliche Zulage. Eine solche Regelung sei zulässig. Der Widerruf entspreche billigem Ermessen. Die Zulage betrage bei einem Bruttogehalt von 9.038,89 DM nur insgesamt 816,00 DM und damit 9,2 % im Verhältnis zum Bruttogehalt. Angesichts einer desolaten Haushaltslage sei er gezwungen, alle Einsparungsmöglichkeiten zu nutzen. Das Haushaltsdefizit im Jahre 1992 habe nur deshalb auf 30.846,94 DM begrenzt werden können, weil die Tierseuchenkasse wiederum einen Zuschuß in Höhe von 500.000,00 DM gewährt habe. Hierbei sei aber zur Bedingung gemacht worden, daß die Zulage eingefroren werde. Für 1993 seien Einsparungen in Höhe von 45.000,00 DM und für 1994 in Höhe von etwa 250.000,00 DM zu erwarten gewesen.

Der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Denn die Entlohnungsgrundsätze seien nicht geändert worden. Mit dem Schreiben vom 22. Mai 1992 habe er, der Beklagte, die mit Billigung des Betriebsrats praktizierten Entlohnungsgrundsätze nicht geändert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung nach Beweisaufnahme über die Behauptungen des Beklagten zu den Haushaltsdefiziten, den voraussichtlichen Ersparnissen und den Vorgaben der Tierseuchenkasse zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages zu zahlende Zulage ist widerruflich. Der Widerruf der Zulage ist wirksam.

I.1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß sich der Beklagte arbeitsvertraglich den Widerruf der Zulage nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vorbehalten hat. Die Revision meint, es handele sich nicht um eine Zulage im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern um einen Ausgleichsbetrag, der zur Gesamtvergütung gehöre und untrennbar mit ihr verbunden sei. Deswegen bedürfe es hier einer Änderungskündigung.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Es mag zutreffen, daß die Beklagte mit dieser Bestimmung ursprünglich die bei ihm angestellten Tierärzte den beamteten Tierärzten gleichstellen wollte. Damit ist jedoch nur das Motiv für die Aufnahme dieser Regelung in den Arbeitsvertrag beschrieben. Daß die Bezüge des Klägers immer genauso hoch wie die beamteter Kollegen sind, ist nicht Vertragsinhalt geworden.

2. Ist einem Vertragspartner das Recht eingeräumt, einzelne Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, so handelt es sich - unabhängig von der gewählten Bezeichnung - um einen Widerrufsvorbehalt.

a) Die Vereinbarung eines solchen Widerrufsvorbehalts ist grundsätzlich zulässig. Sie ist aber dann gem. § 134 BGB nichtig, wenn sie zur Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führt. Das wird in aller Regel dann der Fall sein, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde (BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; BAG Urteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 521/95 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 1 der Gründe). Beim Widerruf von Vergütungsbestandteilen und Zusatzleistungen ist vorrangig darauf abzustellen, welcher Teil der Gesamtvergütung von dem Widerrufsvorbehalt betroffen ist und ob der nicht widerrufliche Teil der Bezüge die in einem Tarifvertrag festgesetzte oder sonst übliche Höhe erreicht (vgl. BAG Urteil vom 9. Juni 1965 - 1 AZR 388/64 - AP Nr. 10 zu § 315 BGB; BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung).

b) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Vereinbarung, daß die Zulage zum Ausgleich der Arbeitnehmeranteile widerruflich ist, als zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß diese Zulage gegenüber dem nach § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages geschuldeten Beamtengehalt lediglich 9,2 % ausmacht, und auch bei jüngeren Tierärzten, deren Gehalt die Beitragsbemessungsgrenzen der gesetzlichen Renten- bzw. Arbeitslosenversicherung nicht überschritt, die Zulage 11,5 % des nach § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages geschuldeten Gehalts nicht übersteigen konnte. Bezieht sich demnach der Widerrufsvorbehalt auf einen zusätzlichen Vergütungsbestandteil von 9 - 12 %, und haben der Kläger und seine Kollegen weiter Anspruch auf ein Gehalt in Höhe des entsprechenden Beamtengehalts, so liegt eine grundlegende Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung nicht vor. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß sich der Beklagte nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrages auch das Recht vorbehalten hat, von der Bezahlung nach Beamtenrecht (A 13) zu einer Bezahlung nach BAT überzugehen. Auch in diesem Fall ändert sich die Größenordnung der insgesamt widerruflichen Gehaltsbestandteile nicht.

3. Das Widerrufsrecht konnte nur nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) ausgeübt werden.

Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist der Widerruf an keinerlei Voraussetzungen geknüpft. Bereits aus der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB ergibt sich aber, daß er nach billigem Ermessen auszuüben ist. Hinzu kommt, daß die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nach freiem Ermessen jedenfalls insoweit unzulässig ist, als sie sich auf Bestandteile des laufenden Verdienstes bezieht (BAGE 55, 275 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle, zu II 2 der Gründe). Im übrigen hat der Beklagte ein Widerrufsrecht nach freiem Ermessen oder Belieben auch nicht in Anspruch genommen.

4. Der Widerruf entsprach billigem Ermessen.

Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der gerichtlichen Kontrolle. Das Revisionsgericht hat ein unbeschränktes Überprüfungsrecht (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 23. Januar 1992 - 6 AZR 87/90 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2 c der Gründe).

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß der Widerruf billigem Ermessen entsprach. Es hat dabei zutreffend einerseits auf die schlechte finanzielle Lage des Beklagten abgestellt und andererseits darauf, daß der Widerruf insofern schonend ausgeübt worden ist, als er den erreichten Besitzstand bei den Zulagen erhalten hat. Es entfallen nur künftige Erhöhungen der Zulage infolge von Steigerungen des Gehalts, der Beitragssätze oder der Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Sozialversicherung. Gemessen an der Gesamtvergütung des Klägers und der anderen betroffenen Tierärzte betrifft der Widerruf nur einen kleinen Teil der Vergütung, und zwar auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die Beiträge in Zukunft stärker steigen werden.

Hinsichtlich der finanziellen Lage des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Aussagen der Zeugen S und K zugrunde gelegt. Danach drohten beim Beklagten erhebliche Defizite, und zwar auch deshalb, weil die Tierseuchenkasse, zahlendes Mitglied des Beklagten, nicht mehr bereit war, alle Defizite durch Zuschüsse auszugleichen.

Die Revision macht demgegenüber geltend, das Landesarbeitsgericht habe eine Vielzahl von Gesichtspunkten unberücksichtigt gelassen und sei somit zu falschen Wertungen gelangt. Eine darin eventuell enthaltene Revisionsrüge nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO ist nicht zulässig. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar, nämlich nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen von § 286 ZPO. Das bedeutet: Der erkennende Senat kann lediglich überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt hat, ob es alle erhobenen Beweise gewürdigt hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG Urteil vom 18. September 1991 - 5 AZR 581/90 - AP Nr. 10 zu § 14 MuSchG 1968 = EzA § 14 MuSchG Nr. 10). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts als fehlerfrei. Soweit die Revision weitere Gesichtspunkte berücksichtigt haben will, handelt es sich um in der Revisionsinstanz unzulässigen neuen Tatsachenvortrag (§ 561 Abs. 1 ZPO).

Überdies würden die von der Revision vorgetragenen Gesichtspunkte nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Auch wenn der Beklagte auf "massiven Druck" der Tierseuchenkasse handelte, kann ihm nicht vorgehalten werden, er hätte darauf dringen müssen, daß die Tierseuchenkasse die Fehlbeträge erstattet. Denn auf die Willensbildung der Tierseuchenkasse hat der Beklagte keinen Einfluß. Der Einwand, der Beklagte hätte, anstatt die Zulage zu widerrufen, anderweitige Einsparungen vornehmen können und müssen, ist unsubstantiiert.

II. Der teilweise Widerruf der Zulage gegenüber dem Kläger ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat ihm nicht zugestimmt hat.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und der Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Dieses Mitbestimmungsrecht soll nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung schützen. Es soll die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sichern (BAGE 69, 134, 158 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auch auf die Frage, nach welchen Kriterien sich die Höhe der Zulagen und deren Verhältnis zueinander bestimmen soll.

Bei freiwilligen Leistungen, d.h. solchen, zu denen der Arbeitgeber weder aufgrund Gesetzes noch aufgrund Tarifvertrages verpflichtet ist, ist das Mitbestimmungsrecht jedoch eingeschränkt. Es erstreckt sich nicht auf den Dotierungsrahmen. Diesen gibt der Arbeitgeber vor. Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen hat der Betriebsrat bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dann mitzubestimmen, wenn sich durch die Anrechnung das Verhältnis ändert, in dem die Zulagenbeträge zueinander stehen. Darüber hinaus ist erforderlich, daß für die Regelung der Anrechnung innerhalb des mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens noch ein Gestaltungsspielraum verblieben ist. Deshalb ist die Anrechnung mitbestimmungsfrei, wenn sie das Zulagenvolumen völlig aufzehrt. Das gleiche gilt, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAGE 69, 134, 164 ff. = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 4 - 6 der Gründe). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Einschränkung anderer freiwilliger Leistungen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat eine Mitbestimmung des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht verneint.

Der Betriebsrat war mit der bisherigen Praxis, wonach den Tierärzten eine Zulage in Höhe der jeweiligen Arbeitnehmeranteile gezahlt wurde, einverstanden. Das ergibt sich aus dem Schreiben des Betriebsrats an die Geschäftsführung des Beklagten vom 30. März 1992; der Betriebsrat reklamiert darin nur ein Mitbestimmungsrecht für die "Änderung dieser Zulagen". Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 22. Mai 1992 den bestehenden Entlohnungsgrundsatz nicht geändert hat. Dagegen bestehen erhebliche Bedenken. Denn das Einfrieren der Zulage bedeutet, daß diese nicht mehr wie bisher in Höhe der jeweiligen, sondern nur noch in Höhe der im Juli 1992 zu zahlenden Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt wird. Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus anderen Gründen nicht besteht. Der Kläger und die anderen Tierärzte erhalten die Zulage in der bisherigen Höhe weiter gezahlt. Die Zulage soll nur in Zukunft nicht mehr erhöht werden. Damit ändert sich das Verhältnis, in dem die Zulagen der einzelnen Tierärzte zueinander stehen, nicht. Im übrigen ähnelt der Fall des Einfrierens von variablen Zulagen dem der vollständigen und gleichmäßigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage.

Griebeling Schliemann Reinecke

Brücker Anthes

 

Fundstellen

ZTR 1997, 39-40 (ST1-2)

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