Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Klagen eines DB-Beamten

 

Leitsatz (amtlich)

Für Klagen eines der Deutschen Bahn AG zugewiesenen Beamten ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten auch dann gegeben, wenn er – gegen die Deutsche Bahn AG oder seinen Dienstherrn – das Beamtenverhältnis betreffende Ansprüche aus einem Sozialplan geltend macht.

 

Normenkette

ArbGG §§ 2, 5; BBG § 172; BRRG § 126; DBGrG §§ 12, 19; DBAGZustV § 1; GVG § 17a; BetrVG § 112

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Beschluss vom 28.07.1997; Aktenzeichen 2 Ta 18/97)

ArbG Bremen (Beschluss vom 27.03.1997; Aktenzeichen 6 Ca 6613/96)

 

Tenor

  • Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 28. Juli 1997 – 2 Ta 18/97 – aufgehoben.
  • Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.
  • Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Bremen verwiesen.
  • Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  • Der Streitwert wird auf 3.533,34 DM festgesetzt.
 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung.

Der Kläger ist ein der Beklagten im Rahmen des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) zugewiesener Beamter. Infolge einer von der Beklagten vorgenommenen Umorganisation wurde die frühere Dienststelle des Klägers, der Werkteil Lokomotivenfertigung in O…, stillgelegt.

Zwischen der Beklagten und dem zuständigen Betriebsrat kam es deshalb am 22. September 1995 zum Abschluß eines Interessenausgleichs und Sozialplans.

Dieser lautet – soweit vorliegend von Interesse:

“…

5. Sozialplan

Zum Ausgleich bzw. zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die Arbeitnehmer infolge der vorstehend geregelten Versetzungen entstehen, wird nachstehender Sozialplan vereinbart. Vornehmliche Zielsetzung ist dabei, für alle von der Stillegung des Werkteils Lokomotivfertigung O… Betroffenen die Folgen der erforderlichen Versetzung abzumildern. Für die in Anlage B aufgeführten Beamten gelten die nachfolgenden Regelungen, sofern beamtenrechtliche Bestimmungen diesen nicht entgegenstehen.

5.2 Ausgleich zusätzlicher Fahrtzeiten

Den Arbeitnehmern wird – soweit sie nicht einen Arbeitsplatz in O… erhalten – der für die Erreichung des neuen Arbeitsplatzes zusätzlich erforderliche Zeitaufwand für einen Übergangszeitraum teilweise nach Maßgabe der nachstehenden Regelungen ausgeglichen.

5.2.1 Den Mitarbeitern wird zusätzlich Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung in folgendem Umfang gewährt:

1995 

5

Arbeitstage 

1996

20

Arbeitstage

1997

15

Arbeitstage

1998

10

Arbeitstage

1999

8

Arbeitstage

Die Behandlung dieser Tage unterliegt denselben rechtlichen Bedingungen wie Erholungsurlaub.

…”

Der Kläger ist in der Anlage B zum Interessenausgleich/Sozialplan aufgeführt. Er arbeitet seit Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes im Werk B… der Beklagten.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung gemäß dem Interessenausgleich/Sozialplan für die Jahre 1996 bis 1999 im Umfang von insgesamt 53 Arbeitstagen.

Diese Freistellung lehnte die Beklagte ab, weil sie der Ansicht ist, der Anwendung der Freistellungsregelung des Interesenausgleichs/Sozialplans auf Beamte stünden beamtenrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Arbeitszeitordnung entgegen.

Außerdem rügt die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Sie hält den Verwaltungsrechtsweg für gegeben.

Das Arbeitsgericht hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Verwaltungsgericht B… verwiesen.

Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten als gegeben angesehen und in seinem Beschluß die sofortige Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Verweisungsantrag an das Verwaltungsgericht weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen für den vorliegenden Rechtsstreit bejaht. Vielmehr ist nach § 172 BBG i.V.m. § 126 Abs. 1 BRRG der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

1. Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt nicht aus § 2 ArbGG.

a) Einschlägig könnte für den Streitfall allenfalls § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sein. Diese Vorschrift eröffnet die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist aber weder Arbeitnehmer im Sinne dieser Norm noch steht er zu der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis, aus welchem er bürgerlich-rechtliche Ansprüche gegen sie herleiten könnte. Vielmehr steht er als Beamter des Bundeseisenbahnvermögens im Dienste des Bundes und ist somit unmittelbarer Bundesbeamter, § 7 Abs. 1 Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen. Seine Dienstausübung bei der Beklagten erfolgt auf Grund einer sich aus § 12 Abs. 2 Deutsche Bahn Gründungsgesetz (DBGrG) ergebenden Zuweisung. Durch diese entsteht kraft Gesetzes zwischen dem Kläger als Bundesbeamtem und der Beklagten ein sog. Zuweisungsverhältnis, in dessen Rahmen er für die Beklagte tätig wird (VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 26. Januar 1995 – 4 S 3368/94 – ÖD 1995, 123). Diese ist kraft der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 4 Satz 2 DBGrG zur Ausübung des Weisungsrechts gegenüber dem ihr zugewiesenen Kläger befugt, soweit es die Dienstausübung in ihrem Betrieb erfordert.

Des weiteren hat der Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung durch § 12 Abs. 6 Satz 2 DBGrG durch die DBAG-Zuständigkeitsverordnung (DBAGZustV) vom 1. Januar 1994 bestimmt, welche weiteren beamtenrechtlichen Entscheidungen sowie sonstigen Entscheidungen und Maßnahmen der Beklagten für die ihr auf Grund des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 DBGrG zugewiesenen Beamten übertragen sind.

Durch dieses Zuweisungsverhältnis und die damit verbundene Übertragung von an sich dem Bundeseisenbahnvermögen als Dienstherrn des Klägers zustehenden Befugnissen auf die Beklagte hat sich am Beamtenstatus des Klägers selbst nichts geändert. So bestimmt § 12 Abs. 4 Satz 1 DBGrG:

“Die Rechtsstellung der nach den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn bleiben gewahrt.”

Damit ist der Kläger Beamter und gilt somit nach der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 2 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn er Ansprüche aus seinem Beamtenverhältnis gerichtlich geltend macht.

b) Die streitige Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen, ist eine beamtenrechtliche Frage. Die an sich dem Dienstherrn des Klägers, nämlich dem Bundeseisenbahnvermögen zustehende Befugnis, Urlaub bzw. Freistellung zu gewähren, ist der Beklagten durch § 1 Nr. 27 DBAGZustV übertragen worden. Sie nimmt somit anstelle des Dienstherrn die aus dem Beamtenverhältnis resultierenden Befugnisse gegenüber dem Kläger wahr.

Daß Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Freistellungsanspruch der Interessenausgleich/Sozialplan zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat ist, ändert daran nichts. Entscheidend ist nicht, auf welche Anspruchsgrundlage das klägerische Begehren gestützt wird, sondern, ob der Anspruch selbst bürgerlichrechtlichen Charakter hat. Dies ist bei dem geltend gemachten Freistellungsanspruch nicht der Fall. Die Entscheidung des Dienstherrn über die Freistellung eines Beamten und damit über dessen Entbindung von der Dienstleistungspflicht ist dem Beamtenrecht und damit dem öffentlichen Recht zuzurechnen.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch § 19 Abs. 1 DBGrG zu keinem anderen Ergebnis.

Nach dieser Norm gelten die der Beklagten zugewiesenen Beamten des Bundeseisenbahnvermögens für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer der Beklagten. § 19 Abs. 1 DBGrG fingiert aber nur für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmereigenschaft der zugewiesenen Beamten im Verhältnis zur Beklagten. Es ist nach § 19 Abs. 1 DBGrG von dem Grundsatz auszugehen, daß die zugewiesenen Beamten in vollem Umfange wie die Arbeitnehmer in die betriebliche Arbeitnehmervertretung einbezogen sind (BAG Beschluß vom 12. Dezember 1995 – 1 ABR 23/95 – AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

Damit führt § 19 Abs. 1 DBGrG nur dazu, daß Beamte als Arbeitnehmer im Sinne der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen gelten, die auf den Arbeitnehmerbegriff abstellen und daß betriebsverfassungsrechtliche Normen für zugewiesene Beamte ebenso gelten wie für Arbeitnehmer der Beklagten. Wenn sich aus diesen betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen aber Ansprüche des Beamten ergeben, die er gegenüber der Beklagten geltend macht und die sein Beamtenverhältnis als solches berühren, so bleibt es bei seinem Rechtsstatus als Bundesbeamter mit der Folge, daß er seine Ansprüche in gleicher Weise wie ein solcher geltend machen muß.

Dafür spricht auch § 19 Abs. 5 DBGrG, der bestimmt, daß soweit die Deutsche Bahn AG Verpflichtungen, die ihr nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegen, deshalb nicht erfüllen kann, weil sie nicht Dienstherr der ihr gemäß § 12 Abs. 2 und 3 DBGrG zugewiesenen Beamten ist, diese Verpflichtungen das Bundeseisenbahnvermögen treffen. Damit hat der Gesetzgeber gerade den Fall im Auge, daß ein zugewiesener Beamter zwar betriebsverfassungsrechtlich als Arbeitnehmer der Beklagten gilt, jedoch ein Anspruch dieses Beamten, der sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt, gerade deshalb durch die Beklagte nicht erfüllt werden kann, weil es sich um einen beamtenrechtlichen Anspruch handelt, dessen Erfüllung dem Dienstherrn vorbehalten ist. Die amtliche Begründung zu § 19 Abs. 5 DBGrG (BT-Drucks. 12/4609 (neu)) nennt hierfür als Beispielsfälle, daß die Beklagte ihre Pflicht, in den Betriebsrat oder Aufsichtsrat gewählte Beamte beim beruflichen Aufstieg nicht zu benachteiligen, nur deshalb nicht erfüllen kann, weil die dafür erforderlichen Beförderungen in die Zuständigkeit des Bundeseisenbahnvermögens fallen.

3. Demnach handelt es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um keinen, für den nach § 2 ArbGG die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gegeben ist. Vielmehr liegt eine Streitigkeit aus dem Beamtenverhältnis des Klägers vor, für welche nach §§ 172 BBG, 126 Abs. 1 BRRG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 48 Abs. 1 ArbGG war deshalb die Unzulässigkeit des zu den Gerichten für Arbeitssachen beschrittenen Rechtsweges festzustellen und der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Bremen (§ 52 Nr. 5 VwGO) zu verweisen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck

 

Fundstellen

Haufe-Index 884847

BAGE, 24

BB 1998, 168

DB 1998, 632

NVwZ 1998, 1108

FA 1998, 90

NZA 1998, 165

RdA 1998, 127

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