Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatzbeschwerde – Auslegung einer Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann nicht mit der Grundsatzbeschwerde angefochten werden, wenn die Parteien über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung streiten, die zwischen dem Hauptvorstand einer Gewerkschaft und deren Gesamtbetriebsrat zur Regelung der Vergütung der bei der Gewerkschaft beschäftigten Arbeitnehmer abgeschlossen ist. § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG privilegiert ausschließlich Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung eines Tarifvertrages i.S.v. § 1 TVG (Fortführung BAG Beschluß vom 24. Februar 1981 - 6 AZN 471/81 - AP Nr. 15 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

 

Normenkette

ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 1 Nr. 2; BetrVG § 77 Abs. 3-4; TVG § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 25.11.1998; Aktenzeichen 2/17/6 Sa 1733/96)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.04.1996; Aktenzeichen 5 Ca 128/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. November 1998 - 2/17/6 Sa 1733/96 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Der Streitwert wird auf 53.640,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden monatlichen Entgelts.

Der Kläger ist seit 1983 Angestellter der Beklagten beschäftigt. Seit August 1985 ist ihm die Tätigkeit eines geschäftsführenden Sekretärs in der Nebenstelle Flughafen Frankfurt am Main in der Kreisverwaltung Frankfurt übertragen. 1988 ist der Kläger von den Arbeitnehmern der Frankfurter Flughafen Aktiengesellschaft in den Aufsichtsrat gewählt worden. Zusätzlich zu den üblichen Betreuungsaufgaben der ca. 4.300 am Frankfurter Flughafen organisierten Mitglieder der Beklagten ist der Kläger mit der Führung von Prozessen vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und dem Hessischen Landesarbeitsgericht beauftragt. Ferner nimmt er an den Tarifverhandlungen im Betreuungsbereich teil.

Der Kläger ist der Auffassung, er sei nach dem vom Gesamtbetriebsrat mit dem Hauptvorstand abgeschlossenen „Kollektiven Vertrag über die Vergütungsregelung für die Beschäftigten der Gewerkschaft ÖTV” wie ein Tarifsekretär der Hauptverwaltung, der selbständig und verantwortlich Tarifverhandlungen führt, in die VergGr. 14 einzureihen. Im übrigen stehe ihm auch in gleicher Weise wie dem Leiter des Personal- und Sozialwesens, dem Justitiar, dem Leiter des zentralen Büros für Grundsatzfragen und dem Leiter des Büros für Finanzen und Finanzorganisation eine funktionsbezogene Zulage in Höhe von 800,00 DM zu.

Die darauf gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung und Divergenz gestützte Beschwerde des Klägers.

II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger die Beschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) stützt, ist sie unzulässig.

Nach § 72 a Abs. 1 ArbGG kann die Nichtzulassung der Revision im Falle des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG nur dann angefochten werden, wenn die Rechtssache eine der in § 72 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG genannten Rechtsstreitigkeiten betrifft. Das verkennt der Kläger.

Hier streiten die Parteien über die Auslegung der zwischen dem Gesamtbetriebsrat der Beklagten und dem Hauptvorstand der Beklagten abgeschlossenen kollektiven Vergütungsregelung. Eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung gehört nicht zu den in § 72 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG aufgeführten Angelegenheiten. Nach § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ist nur die Tarifauslegung privilegiert (vgl. BAG Beschlüsse vom 3. September 1980 - 6 AZN 226/80 - AP Nr. 8 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; vom 12. November 1991 - 4 AZN 464/91 - AP Nr. 42 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; Senatsbeschluß vom 9. November 1993 - 9 AZN 281/93 - BAGE 75, 65 = AP Nr. 43 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Die in der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung enthaltene Eingruppierungsregelung wirkt hier zwar nach § 77 Abs. 3, 4 BetrVG wie die Rechtsnorm eines Tarifvertrages nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend. Daraus folgt aber keine Gleichsetzung der Betriebsvereinbarung mit einem Tarifvertrag. § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG beschränkt die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde auf Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung eines Tarifvertrages i.S.v. § 1 TVG. Rechtsstreitigkeiten über die Auslegung anderer, auch normativ wirkender Regelungen sind ausgeschlossen (vgl. BAG Beschlüsse vom 24. Februar 1981 - 6 AZN 471/81 - AP Nr. 15 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; vom 7. September 1988 - 4 AZN 436/88 - AP Nr. 36 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; vom 10. März 1993 - 4 AZN 17/93 - BAGE 72, 324 = AP Nr. 26 zu § 72 a ArbGG 1979, m.w.N.). Das ist wegen der besonderen Bedeutung der Tarifautonomie für unsere Wirtschafts- und Sozialordnung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Mai 1999 - 9 AZN 209/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Die im übrigen auf Divergenz gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Entgegen den Darlegungen der Beschwerde hat die anzufechtende Entscheidung keinen tragenden Rechtssatz aufgestellt, der in derselben Rechtsfrage von einem Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht.

a) Die Beschwerde macht geltend, das Landesarbeitsgericht habe abweichend vom Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. Juli 1987 - 15 Sa 286/87 - einen Rechtssatz „bezogen auf die Vergütungsgruppe 14” aufgestellt. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil in dem Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm ausschließlich Rechtsfragen behandelt werden, die die VergGr. 9 und 10 betreffen.

b) Die Beschwerde hat zu Recht dem anzufechtenden Urteil den Rechtssatz entnommen, daß „unabhängig von konkreten Zeitanteilen” für die Eingruppierung auf die Tätigkeiten oder Funktionen abgestellt werden könne, die „das Gepräge geben”. Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht in dem angezogenen Urteil vom 27. Januar 1982 - 4 AZR 435/79 - (BAGE 37, 370, 374, 375 = AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Banken) ausgeführt, der Begriff des Gepräges sei nicht „justitiabel”, so daß die Eingruppierung nach dem Gepräge der Tätigkeit nicht möglich sei.

Die Beschwerde übersieht jedoch, daß die anzufechtende Entscheidung nicht auf der geltend gemachten Abweichung beruht. In dem anzufechtenden Berufungsurteil ist die Klage unabhängig von dem „Gepräge” der Tätigkeit des Klägers abgewiesen worden. Das Landesarbeitsgericht führt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts aus, die für Beschäftigte in der Hauptverwaltung geltende VergGr. 14 des kollektiven Vertrages erfasse nicht die Tätigkeit des Klägers als geschäftsführenden Sekretärs der Nebenstelle einer Kreisverwaltung. Das anzufechtende Urteil enthält demnach eine von der Eingruppierung der Tarifarbeit des Klägers unabhängige Begründung. Ist – wie hier – bei einer im anzufechtenden Urteil enthaltenen Mehrfachbegründung nicht feststellbar, daß der aufgezeigte abweichende Rechtssatz nicht in sämtlichen selbständigen Begründungen enthalten ist, so liegt keine rechtserhebliche Divergenz vor (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Oktober 1998 - 9 AZN 575/98 - AP Nr. 39 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Leinemann, Reinecke, Düwell, Fr. Holze, Weiss

 

Fundstellen

Haufe-Index 436068

BAGE, 109

BB 1999, 1822

DB 1999, 2220

FA 1999, 332

NZA 1999, 1238

ZTR 2000, 89

AP, 0

www.judicialis.de 1999

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