Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstellenverfahren über Rechtsfragen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Betriebspartner können nach § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbaren, daß eine Einigungsstelle die Rechtsfrage, welchen Inhalt eine abgeschlossene Betriebsvereinbarung gegenwärtig hat, entscheiden soll. Diese Vereinbarung verpflichtet die Betriebspartner, zunächst die Entscheidung der Einigungsstelle über diese Rechtsfrage herbeizuführen, bevor sie die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Ein Antrag auf Feststellung des Inhaltes einer Betriebsvereinbarung ist unzulässig, solange das vereinbarte Einigungsstellenverfahren nicht durchgeführt worden ist.

Eine Vereinbarung, daß eine solche Entscheidung der Einigungsstelle verbindlich sein soll, stellt eine nach § 4 ArbGG unzulässige Vereinbarung eines Schiedsgerichts dar.

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 6, 2, 5; ArbGG § 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Beschluss vom 23.12.1988; Aktenzeichen 6 TaBV 10/88)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 30.06.1988; Aktenzeichen 20 BV 15/87)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Dezember 1988 – 6 TaBV 10/88 – aufgehoben. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Juni 1988 – 20 BV 15/87 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Das vorliegende Verfahren ist anhängig gemacht worden vom Betriebsrat der J… Gabelstapler GmbH & Co. KG, Hamburg (im folgenden nur Arbeitgeber bzw. wenn zur Unterscheidung nötig J… Gabelstapler KG). Diese Firma gehörte zur Unternehmensgruppe J…, der u.a. noch die nachfolgenden Firmen angehörten:

Die Heinrich J… & Co. Maschinenfabrik GmbH und Co. KG, Hamburg (im folgenden nur J… Maschinenfabrik KG, Hamburg).

Die H. J… Maschinenfabrik GmbH & Co., N (im folgenden nur J… Maschinenfabrik, N…).

Die J… Unternehmensverwaltungs KG, Hamburg (im folgenden nur J… Verwaltungs KG).

Zumindest die Firmen J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, J… Gabelstapler KG, Hamburg (der Arbeitgeber) und die J… Verwaltungs KG unterhielten in Hamburg, Friedrich-Ebert-Damm 129, Betriebe, in denen jeweils Betriebsräte gewählt waren.

Das vorliegende Verfahren hat eine längere Vorgeschichte, in der es um die Beteiligung der Betriebsräte anläßlich der Einführung des Personalinformations- und Abrechnungssystems PAISY ging.

Im Jahre 1982 machte der Betriebsrat der J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, vor dem Arbeitsgericht Hamburg ein Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung anhängig (18 GaBV 1/82), in dem es u.a. um Unterlassungsansprüche des Betriebsrats ging. In diesem Verfahren schlossen die Beteiligten einen Vergleich, der wie folgt lautet:

  • Der Betriebsrat stimmt zu, daß parallele Probeläufe mit echten Personaldaten der bei der J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, beschäftigten Arbeitnehmer mit dem bei der J… Verwaltungs KG vorhandenen Personalabrechnungs- und Informations-system PAISY vorgenommen werden, und zwar mit folgender Maßgabe:

    Die Betriebspartner werden bis zum 31. März 1983 eine Betriebsvereinbarung abschließen über den Einsatz des EDV-Programms PAISY, soweit die Arbeitnehmer der J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, im Rahmen der Lohnund Gehaltsabrechnung davon betroffen sind.

    Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung soll insbesondere die Frage werden, in welcher Weise die Zusage der J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, daß mit diesem Informations- und Abrechnungssystem lediglich die Lohn- und Gehaltsabrechnung durchgeführt werden soll, kontrolliert und überwacht werden kann.

  • (die Ziffern 2 und 3 betreffen die Zuziehung eines Sachverständigen und die spätere Löschung der Daten aus den Probeläufen).

In der Folgezeit verhandelte ein Arbeitskreis von Betriebsräten mit der J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, über den Abschluß einer Betriebsvereinbarung. Eine solche Betriebsvereinbarung wurde schließlich zwischen dem Betriebsrat der Jungheinrich Maschinenfabrik KG, Hamburg, und dieser Firma am 29./30. März 1983 abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut:

Betriebsvereinbarung

Zwischen der Geschäftsleitung der Firma … und dem Betriebsrat wird nachfolgende Betriebsvereinbarung über die Einführung und den Betrieb des EDV-Programms PAISY abgeschlossen:

  • Gegenstand

    • Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung ist die Verarbeitung aller Daten, die auf gegenwärtige, ehemalige oder künftige Mitarbeiter der Firma sowie deren Angehörige (Betroffene) bezogen sind und die im nachfolgenden als “personenbezogene Daten” bezeichnet werden. Personenbezogene Daten sind auch Daten, die nach einer Verknüpfung und/oder Auswertung eine Identifizierung einer Person möglich machen.
    • Die personenbezogenen Daten werden in der “PAISY”-Datenbank, auf Bändern, Platten und anderen Datenträgern gespeichert. Dieser Bestand an personenbezogenen Daten ist in der Anlage 1 abschließend vereinbart.
    • Alle personenbezogenen Daten, die in verschlüsselter Form gespeichert werden, sind in einem Schlüsselverzeichnis als Anlage 2 erläutert. Es werden ausschließlich die darin vereinbarten Schlüssel und deren vereinbarte Inhalte verwendet.
    • Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgt ausschließlich durch die in Anlage 3 vereinbarten Programme.
    • Die Zugriffsregelung ist in Anlage 4 vereinbart, die festlegt, von welcher Stelle auf welche Daten zugegriffen werden darf.
    • Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erfolgt ausschließlich auf der zentralen Rechenanlage des Rechenzentrums der J… Unternehmensverwaltung KG. Ausnahmen sowie die Einzelheiten der verwendeten Hardware (Rechner, Speicher, Ein- und Ausgabegeräte) sind in Anlage 5 dokumentiert. Änderungen sind dem Betriebsrat mindestens drei Monate vor Inbetriebnahme schriftlich mitzuteilen.
    • Die o.a. Anlagen sind Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung. Anlage 5 fällt nicht unter die Bestimmungen des nachstehenden Absatzes 1.8, Satz 2.
    • Der Betriebsrat ist über geplante Änderungen des Datenbestandes (Anlage 1), der verwendeten Schlüssel (Anlage 2), der Programmfunktionen sowie des Programmbestandes (Anlage 3) und der Zugriffsberechtigung (Anlage 4) rechtzeitig und umfassend zu informieren.

      Jede dieser Veränderungen – mit Ausnahme Zugriffsberechtigung – ist nur nach Zustimmung des Betriebsrates zulässig. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Veränderung aufgrund einer Rechtsnorm erforderlich wird.

  • Unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten

    • Alle zulässigen personenbezogenen Daten sowie deren zulässige Verarbeitung sind ausdrücklich in den Anlagen dieser Betriebsvereinbarung aufgeführt. Somit liegt eine unzulässige Verarbeitung von personenbezogenen Daten dann vor, wenn diese in den Anlagen nicht aufgeführt ist.

      Dies gilt nicht, wenn die Verarbeitung der personenbezogenen Daten aufgrund einer Rechtsnorm erforderlich wird, für den Zeitraum zwischen Entstehung der Verpflichtung und der infolge dessen vorzunehmenden Ergänzung bzw. Änderung der Anlage.

  • Schlußbestimmung

    • Das BDSG findet Anwendung, …
    • Bei Auslegungsstreitigkeiten sowie überall dort, wo nach dieser Betriebsvereinbarung die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich aber nicht erteilt worden ist, entscheidet die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG.
    • Die Betriebsvereinbarung kann mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

      Im Falle der Kündigung dieser Betriebsvereinbarung oder von Teilen dieser Betriebsvereinbarung wirken diese Bestimmungen bis zum Abschluß einer neuen Betriebsvereinbarung nach.

Im Entwurf der Betriebsräte zu dieser Betriebsvereinbarung hatte es im Einleitungssatz geheißen: ”Anläßlich der Einführung und des Betriebs des EDV-Programms PAISY”. Auf Wunsch der J…h Maschinenfabrik KG, Hamburg, wurde dieser Passus dahin geändert, daß es hieß ”über die Einführung und den Betrieb des EDV-Programms PAISY”. Mit dem Wunsch, unter 1.1 der Betriebsvereinbarung hinter den Worten “aller Daten” die Worte “im Rahmen von PAISY” hinzuzufügen, konnte sich die J… Maschinenfabrik KG, Hamburg, nicht durchsetzen.

In der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung sind u.a. 25 Programme aufgelistet, die nicht zum Standardsystem PAISY gehören, aber auch der Durchführung des Systems PAISY dienen und als teilweise selbstentwickelte Bausteine sogenannte Hilfsprogramme darstellen.

Am 4. März 1985 schloß der Betriebsrat der J… Gabelstapler KG eine wortgleiche Betriebsvereinbarung unter der Bezeichnung Betriebsvereinbarung Nr. 614 mit der J… Gabelstapler KG ab.

In der Folgezeit setzte die J… Gabelstapler KG drei weitere Datenverarbeitungsprogramme ein. Mit dem “Monteur-Steuerungsprogramm” auf der IBM 34/36 kann personenbezogen die Leistung jedes einzelnen Monteurs individuell ermittelt werden. Durch standardisierte Schreiben können die Monteure zur Leistungssteigerung aufgefordert werden. Mit dem Programm “Verkäufer-Hitliste” können in der Kostenstelle 216 aktuelle Einzelergebnisse sowie die Plazierung der einzelnen Verkäufer mit Einzelkriterien erfaßt werden. Mit Hilfe eines Personalcomputers in der Kostenstelle 550 wird eine sogenannte “Personalbestandsliste” geführt, für die personenbezogene Daten erfaßt und ausgewertet werden.

Bei der J… Maschinenfabrik, N…, stellte der Betriebsrat 1985/1986 fest, daß Daten über Betriebsratstätigkeiten mit einem Programm erfaßt und bearbeitet würden.

Aufgrund dieser Umstände kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsräten und den jeweiligen Firmen über den Geltungsbereich der genannten Betriebsvereinbarung.

Mit Rücksicht auf die drei genannten und zur Anwendung gebrachten Programme hat der Betriebsrat der J… Gabelstapler KG am 14. Oktober 1987 das vorliegende Verfahren anhängig gemacht. Der Betriebsrat ist der Ansicht, daß die Betriebsvereinbarung Nr. 614 die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten regele. Weitere, nicht in den Anlagen zur Betriebsvereinbarung genannte Programme könnten daher nur mit seiner Zustimmung zur Anwendung kommen. Der zwischen den Beteiligten aufgetretene Streit über den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 sei nach Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung von der Einigungsstelle zu entscheiden. Dieser obliege nicht nur die Entscheidung über die Auslegung der Betriebsvereinbarung, sondern auch über deren Anwendbarkeit, da diese maßgeblich von der Auslegung der Betriebsvereinbarung abhänge. Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Einigungsstelle gemäß Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 zuständig ist für die Klärung der Frage, ob die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten durch EDV dem Regelungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt,

hilfsweise

festzustellen, daß die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten durch EDV dem Regelungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt.

Der Arbeitgeber hat beantragt, diese Anträge abzuweisen sowie

festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung Nr. 614 sich ausschließlich auf die im Rahmen des EDV-Systems PAISY erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten erstreckt.

Er ist der Ansicht, die Einigungsstelle sei zur Entscheidung der Frage, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 614 für die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten anzuwenden sei, nicht zuständig. Die Regelung in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 betreffe nur Regelungsstreitigkeiten aus der Betriebsvereinbarung selbst, nicht aber die Frage, ob die Betriebsvereinbarung überhaupt Anwendung finde. Die Betriebsvereinbarung Nr. 614 regele nicht die Verarbeitung von Daten, die nicht zum Betrieb von PAISY gehörten. Die Betriebsvereinbarung sei “über” die Einführung und den Betrieb des EDV-Programms PAISY abgeschlossen worden, nicht aber “anläßlich” von dessen Einführung. Alle in der Anlage 3 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 genannten Programme dienten der betrieblichen Anwendung des Abrechnungssystems PAISY, auch wenn sie nicht Bestandteil der Standard-Software seien.

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsrats stattgegeben und den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat umgekehrt das Landesarbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats abgewiesen und auf den Antrag des Arbeitgebers festgestellt, daß sich die Betriebsvereinbarung Nr. 614 ausschließlich auf die im Rahmen des EDV-Systems PAISY erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten erstreckt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betriebsrat mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er beantragt unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses

festzustellen, daß die Einigungsstelle gemäß Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 zuständig ist für die Klärung der Frage, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten durch in den Betrieb eingeführte EDV-Systeme (Monteur-Steuerungsprogramm, Personalbestandsliste, Verkäufer-Hitliste) dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt,

hilfsweise

festzustellen, daß die EDV-Verarbeitung aller personenbezogenen Daten im Betrieb des Arbeitgebers dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt.

Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Arbeitnehmer der in Hamburg gelegenen Betriebe der Firmen J… Maschinenfabrik KG, J… Gabelstapler KG und J… Verwaltungs KG im März 1990 gemeinsam einen sogenannten “Standortbetriebsrat” gewählt. Spätestens zum 1. Juli 1990 sind die genannten Firmen in der zu diesem Zeitpunkt in das Handelsregister eingetragenen J… AG aufgegangen. Der “Standortbetriebsrat” führt seit diesem Zeitpunkt seine Geschäfte als Betriebsrat Hamburg der J… AG fort.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.

I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

1. Die Formalien der Rechtsbeschwerde sind gewahrt. Die Rechtsbeschwerde ist noch vom Betriebsrat der J… Gabelstapler KG eingelegt worden, der – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – Beteiligter des anhängigen Verfahrens war und der durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das seine Anträge abgewiesen hatte, beschwert war.

2. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung vom Betriebsrat angekündigten Anträge stellen keine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragsänderung dar. Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsrats festzustellen, daß die Einigungsstelle für die Klärung der Frage, ob die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten dem Regelungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt, stattgegeben. Mit seinem Antrag, die Beschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen, hat der Betriebsrat diesen Antrag vor dem Landesarbeitsgericht weiterverfolgt. Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Dieses Begehren verfolgt der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz weiter. Ihm geht es nach wie vor um eine Entscheidung der unter den Beteiligten strittigen Frage, ob die Einigungsstelle zuständig ist für die Klärung der Frage, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 614 nur die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des EDV-Systems PAISY regelt oder auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch andere EDV-Systeme. Daß die Anträge nicht wörtlich übereinstimmen, ist unschädlich. Wenn im Rechtsbeschwerdeantrag auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die strittigen drei Programme verwiesen wird, so dient dies nur der Verdeutlichung des Begehrens, zumal die drei Programme nur in Klammern aufgeführt werden und damit deutlich gemacht wird, daß es sich um Beispiele für die “in den Betrieb eingeführten EDV-Systeme” handelt.

Auch der Hilfsantrag wird vom Betriebsrat unverändert weiterverfolgt. Es ist die gleiche Frage, ob die “Verarbeitung aller personenbezogenen Daten … dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt”, oder ob “die Betriebsvereinbarung Nr. 614 die Verarbeitung sämtlicher personenbezogener Daten regelt”.

3. Die Rechtsbeschwerde ist hinsichtlich des Hauptantrages auch ausreichend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat diesen mit der Begründung abgewiesen, die Bestimmung in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614, wonach die Einigungsstelle über die Auslegung der Betriebsvereinbarung “gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG” entscheide, sei unzulässig. Damit setzt sich die Rechtsbeschwerdebegründung ausführlich auseinander.

Gleiches gilt für den Feststellungsantrag des Arbeitgebers. Die Rechtsbeschwerdebegründung führt insoweit aus, der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil über den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 zuvor die Einigungsstelle zu entscheiden habe. Sie rügt damit, daß das Landesarbeitsgericht diese Einrede der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte aufgrund vorgreiflicher Zuständigkeit der Einigungsstelle nicht beachtet habe. Da sich das Landesarbeitsgericht von seinem Standpunkt aus zu Recht mit dieser Einrede nicht näher befaßt hat, kann sich die Rechtsbeschwerdebegründung auch nicht näher mit den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzen. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Einrede nicht beachtet, reicht daher aus, zumal die Rechtsbeschwerdebegründung sich zuvor ausführlich mit der Zulässigkeit der Bestimmung in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung befaßt hat.

4. Die Verfolgung der gestellten Anträge und damit das vorliegende Verfahren überhaupt ist nicht deswegen unzulässig geworden, weil es einen Betriebsrat der J… Gabelstapler KG nicht mehr gibt. Der Hamburger Betrieb der bisherigen J… Gabelstapler KG ist ebenso wie die Hamburger Betriebe der beiden anderen Firmen zunächst als gemeinsamer Betrieb dieser Firmen fortgeführt worden und nunmehr zum Betrieb Hamburg der J… AG geworden. Für diesen Betrieb haben die Arbeitnehmer der früheren drei selbständigen Betriebe einen Betriebsrat, den “Standortbetriebsrat” gewählt. Der gemeinsame Betrieb der drei Firmen ist mit dem jetzigen Hamburger Betrieb der J… AG identisch. Damit ist der Betriebsrat Hamburg der J… AG an die Stelle auch des bisherigen Betriebsrats der J… Gabelstapler KG getreten. Durch die Neuwahl eines – auch größeren – Betriebsrats wird dessen Stellung als Antragsteller eines anhängigen Verfahrens nicht berührt (BAG Beschluß vom 25. April 1978 – 6 ABR 9/75 – AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG 1972; Beschluß vom 3. April 1979 – 6 ABR 64/76 – AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG 1972). Selbst wenn man den Standortbetriebsrat und den Betriebsrat Hamburg der J… AG nicht als unmittelbaren Funktionsnachfolger des bisherigen Betriebsrats ansehen wollte, wäre doch dieser für die Wahrnehmung der im vorliegenden Verfahren umstrittenen Rechte aus der Betriebsvereinbarung Nr. 614 zuständig geworden und damit unmittelbar Antragsteller des vorliegenden Verfahrens (BAG Beschluß vom 18. Oktober 1988, BAGE 60, 48 = AP Nr. 10 zu § 81 ArbGG 1979). Ein solcher Wechsel in der “Person” des Antragstellers ist auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig und zu beachten.

Gleiches gilt hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren zu beteiligenden “Arbeitgebers”. Inhaber des Betriebes der früheren J… Gabelstapler KG ist nunmehr die J… AG. Als neuer Betriebsinhaber wird sie anstelle des bisherigen Inhabers Beteiligte des anhängigen Verfahrens (Beschluß des Senats vom 28. September 1988, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972).

II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.

1. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist zulässig.

Der Hauptantrag des Betriebsrats ist auf die Feststellung der Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Entscheidung über den Inhalt der Betriebsvereinbarung Nr. 614 gerichtet. Damit wird die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 ZPO begehrt.

Der Senat hat in seiner früheren Rechtsprechung Anträge, die die Zuständigkeit der Einigungsstelle betrafen, regelmäßig für zulässig gehalten und später dargelegt, daß ein Antrag auf Feststellung der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit einer Einigungsstelle ein Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts und damit eines Rechtsverhältnisses sei (Beschluß vom 24. November 1981, BAGE 37, 102 = AP Nr. 11 zu § 76 BetrVG 1972). Im vorliegenden Verfahren steht hinter der umstrittenen Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle jedoch nicht die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts oder nach dessen Reichweite, sondern die Frage nach der Kompetenz der Einigungsstelle zur Entscheidung von Auslegungsstreitigkeiten. Auch diese umstrittene Kompetenz der Einigungsstelle betrifft das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten als Betriebspartner. Die begehrte Entscheidung soll verbindlich Auskunft darüber geben, ob die Betriebspartner im Falle von Auslegungsstreitigkeiten hinsichtlich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 die Einigungsstelle anrufen können oder müssen und ob ihre Entscheidung verbindlich ist. Das Verhältnis der Betriebspartner zueinander, so wie es durch die Betriebsvereinbarung Nr. 614 gestaltet worden ist, wird damit in einer strittigen Frage verbindlich festgestellt. Die begehrte Entscheidung ist damit auf die Feststellung jedenfalls einzelner, selbständig zu beurteilender Elemente eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten gerichtet.

Da insoweit ernsthafter Streit zwischen den Beteiligten besteht, ist auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist daher zulässig.

2. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist auch begründet.

a) Die Beteiligten haben in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 vereinbart, daß bei Auslegungsstreitigkeiten sowie überall dort, wo nach dieser Betriebsvereinbarung die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, aber nicht erteilt worden ist, die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG entscheidet. Davon ist streitig im vorliegenden Verfahren nur die Bestimmung, daß die Einigungsstelle “bei Auslegungsstreitigkeiten” entscheidet, und was unter solchen Auslegungsstreitigkeiten zu verstehen ist.

Das Landesarbeitsgericht hat in dieser Bestimmung nicht die Vereinbarung eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens gesehen, sondern die Begründung einer Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle über Rechtsstreitigkeiten. Das sei unzulässig. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Regelungsgehalt von § 76 Abs. 6 BetrVG verkannt.

b) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Abgesehen von denjenigen Fällen, in denen nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Einigungsstelle entscheidet und ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, auf die § 76 Abs. 5 BetrVG Bezug nimmt, wird nach § 76 Abs. 6 BetrVG die Einigungsstelle allerdings nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind.

Im vorliegenden Verfahren haben die Beteiligten in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 vereinbart, daß bei Auslegungsstreitigkeiten die Einigungsstelle entscheidet. Auslegungsstreitigkeiten sind Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Inhalt der Betriebsvereinbarung. Wenn sie vereinbaren, daß darüber die Einigungsstelle entscheiden soll, dann bedeutet dies auch, daß sie mit dem Tätigwerden der Einigungsstelle in einem solchen Auslegungsstreit einverstanden sind. Die Beteiligten haben daher freiwillig für Auslegungsstreitigkeiten ein Einigungsstellenverfahren im Sinne von § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbart, und zwar unabhängig davon, ob hinsichtlich einzelner Auslegungsstreitigkeiten oder Streitigkeiten über die Erforderlichkeit einer Zustimmung des Betriebsrats nach der Betriebsvereinbarung die Einigungsstelle auch kraft einzelner Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zu entscheiden hätte.

Dem steht entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen, daß es in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 heißt, daß die Einigungsstelle “gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG” entscheidet. § 76 Abs. 5 BetrVG enthält Vorschriften über das Verfahren der Einigungsstelle, über deren Entscheidung und über die Anfechtung der Entscheidung der Einigungsstelle für die Fälle, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kraft Gesetzes ersetzt. Die Verweisung auf § 76 Abs. 5 BetrVG bedeutet daher, daß diese Verfahrensvorschriften auch für das freiwillig vereinbarte Einigungsstellenverfahren gelten sollen. Hinsichtlich der Wirkungen des Spruches der Einigungsstelle in diesem freiwilligen Verfahren wird durch die Verweisung auf § 76 Abs. 5 BetrVG nichts bestimmt. Auch § 76 Abs. 5 BetrVG enthält insoweit keine Regelung, knüpft vielmehr an diejenigen Fälle an, in denen die Wirkung des Spruches an anderen Stellen des Betriebsverfassungsgesetzes dahin festgelegt wird, daß der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt. Welche Wirkung ein Spruch in dem vereinbarten freiwilligen Einigungsstellenverfahren haben soll, wird daher auch durch die Verweisung auf § 76 Abs. 5 BetrVG nicht geregelt, ergibt sich vielmehr aus § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG, wonach der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur ersetzt, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterwerfen oder ihn nachträglich annehmen.

c) Eine andere, davon zu unterscheidende Frage ist, ob § 76 Abs. 6 BetrVG den Betriebspartnern gestattet, ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren auch für diejenigen Fälle zu vereinbaren, in denen die Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Rechtsfrage betrifft. Besteht die Meinungsverschiedenheit hier zwischen den Beteiligten in einer Auslegungsstreitigkeit, so betrifft diese Meinungsverschiedenheit eine Rechtsfrage. Die Parteien streiten darum, welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung Nr. 614 hat, insbesondere ob sie die Verarbeitung personenbezogener Daten durch alle EDV-Systeme oder nur durch das System PAISY regelt. Das aber ist eine Rechtsfrage.

Im arbeitsgerichtlichen Schrifttum wird durchweg angenommen, daß im freiwilligen Einigungsstellenverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG der Einigungsstelle auch die Entscheidung von Rechtsfragen zugewiesen werden könne. Meinungsverschiedenheiten der Betriebspartner – gleich welcher Art – sollten möglichst innerbetrieblich beigelegt werden (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 76 Rz 28 f.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 76 Rz 28; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 76 Rz 39; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 19; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 76 Rz 14; Dütz, Die gerichtliche Überprüfung der Sprüche von betriebsverfassungsrechtlichen Einigungs- und Vermittlungsstellen, 1966, S. 51). Das erscheint einleuchtend. Es ist nicht einzusehen, warum die Betriebspartner nicht freiwillig ein Verfahren sollen vereinbaren können, um Meinungsverschiedenheiten auch über Rechtsfragen möglichst innerbetrieblich und – jedenfalls zunächst – ohne Inanspruchnahme der Gerichte beizulegen. Welche Rechtswirkungen die Entscheidungen der Einigungsstelle haben soll, bleibt immer noch ihnen überlassen. Auch dann, wenn sie sich dem Spruch im voraus unterwerfen, beruht dies auf ihrer eigenen freien Entscheidung.

d) Gleichwohl wird im Schrifttum geltend gemacht, daß ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren nach § 76 Abs. 6 BetrVG über Rechtsstreitigkeiten nur insoweit zulässig sei, als die Betriebspartner über den Gegenstand der Rechtsstreitigkeit verfügen könnten (Dietz/Richardi, aaO, Rz 32; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, Rz 28; Kreutz, aaO, Rz 20). Richtigerweise wird dabei gesehen, daß sich diese Einschränkung nur auf die Wirkung des Spruchs der Einigungsstelle beziehen kann, gleichgültig, ob die Betriebspartner den Spruch nachträglich annehmen oder sich diesem im voraus unterwerfen. Sowohl die vorherige Unterwerfung unter den Spruch als auch dessen nachträgliche Annahme durch die Betriebspartner stellt nach § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dar. Entscheidend für die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle in einer Rechtsfrage ist daher letztlich nicht der Inhalt des Spruchs, sondern der Inhalt der Einigung zwischen den Betriebspartnern, mag dieser auch mit dem Inhalt des Spruchs identisch sein. Mit anderen Worten ist in solchen Fällen lediglich entscheidend, ob die Betriebspartner sich ohne den Spruch der Einigungsstelle auch entsprechend hätten einigen können und ob eine solche Einigung wirksam ist. Eine Einigung zwischen den Betriebspartnern in Rechtsfragen setzt zu ihrer Wirksamkeit aber voraus, daß die Betriebspartner hinsichtlich des umstrittenen Rechtes verfügungsbefugt sind (so ausdrücklich und eindeutig Kreutz, aaO, Rz 20 und 102).

Im vorliegenden Fall soll die Einigungsstelle in Auslegungsstreitigkeiten, d.h. über den Inhalt der Betriebsvereinbarung Nr. 614 entscheiden. Über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung können die Betriebspartner verfügen. Sie können eine Betriebsvereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen jederzeit ändern, ihr einen anderen Inhalt geben. Für eine solche abändernde Betriebsvereinbarung ist es unerheblich, ob einer der Betriebspartner der Ansicht ist, die “neue Regelung” sei bereits Inhalt der zu ändernden Betriebsvereinbarung, so daß sich die Neuregelung für ihn nur als Klarstellung darstellt.

Können damit die Betriebspartner über den Inhalt einer Betriebsvereinbarung verfügen, d.h. diesen ändern, so können sie bei einem Streit darüber, welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung hat oder haben soll, auch vereinbaren, daß diese Meinungsverschiedenheit im freiwilligen Einigungsstellenverfahren durch einen Spruch der Einigungsstelle entschieden werden soll, dem sie sich im voraus unterwerfen oder dessen Annahme sie sich vorbehalten.

e) Eine solche Vereinbarung haben die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 jedoch nicht getroffen. Zumindest aber macht der Betriebsrat eine Zuständigkeit der Einigungsstelle zu einer gegebenenfalls den Inhalt der Betriebsvereinbarung Nr. 614 abändernden Entscheidung nicht geltend.

Schon das Wort “Auslegungsstreitigkeit” in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 weist aus, daß die Einigungsstelle die Betriebsvereinbarung “auslegen” soll. Auslegung einer Norm ist die Feststellung ihres gegenwärtigen Inhalts, nicht aber eine rechtsgestaltende Tätigkeit. Auch die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens verstehen Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 so. Der Betriebsrat erstrebt daher auch die Feststellung der Zuständigkeit der Einigungsstelle für die “Klärung der Frage, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten durch in den Betrieb eingeführte EDV-Systeme – wie die drei strittigen Programme – dem Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Nr. 614 unterliegt”. Aufgrund der festzustellenden Zuständigkeit der Einigungsstelle soll diese den gegenwärtigen Inhalt der Betriebsvereinbarung in ihrer Entscheidung aufzeigen, nicht aber der Betriebsvereinbarung – für die Zukunft – einen bestimmten Inhalt geben. Welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung Nr. 614 gegenwärtig hat, ist eine reine Rechtsfrage, über diese können die Betriebspartner nicht verfügen. Gleichwohl gestattet § 76 Abs. 6 BetrVG den Betriebspartnern zu vereinbaren, daß zunächst eine Einigungsstelle auch diese Rechtsfragen entscheiden soll, auch wenn deren Spruch – wie dargelegt – der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine solche Vereinbarung haben die Betriebspartner in Nr. 9.2 der Betriebsvereinbarung Nr. 614 daher in zulässiger Weise getroffen. Eine von den Betriebspartnern anzurufende Einigungsstelle ist daher zuständig, diese Rechtsfragen zunächst zu entscheiden. Der Antrag des Betriebsrats ist damit begründet.

Der Ansicht des Arbeitgebers, zunächst müsse der Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung feststehen und erst danach könne diese ausgelegt werden und nur innerhalb des festgestellten Geltungsbereiches könne die Einigungsstelle allenfalls eine Auslegungsstreitigkeit entscheiden, vermag der Senat nicht zu folgen. Auch diejenigen Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, die deren Geltungsbereich ergeben, sind Bestandteil der normativen Regelung und bedürfen wie jeder andere Regelungskomplex notfalls der Auslegung.

f) Damit ist noch nichts darüber gesagt, welche Wirkung die Entscheidung der Einigungsstelle über diese Rechtsfragen hat, insbesondere, ob diese Entscheidung für die Betriebspartner verbindlich ist und eine Anrufung der Arbeitsgerichte ausschließt. Das ist zu verneinen.

Wäre es zulässig, daß die Betriebspartner die verbindliche und endgültige Entscheidung einer Rechtsfrage der Einigungsstelle übertragen, dann läge in der Vereinbarung eines solchen freiwilligen Einigungsstellenverfahrens die Vereinbarung eines Schiedsgerichts und damit der Ausschluß der Entscheidungskompetenz der Gerichte für Arbeitssachen. Nach § 4 ArbGG kann die Arbeitsgerichtsbarkeit jedoch nur in den Fällen des § 2 Abs. 1 und 2 und nur nach Maßgabe der §§ 101 bis 110 ArbGG ausgeschlossen werden. Für die in § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG geregelten Fälle der “Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz” ist daher ein Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht möglich (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 4 Rz 2). Es ist daher im Ergebnis auch zutreffend, wenn im Schrifttum gesagt wird, ein Spruch der Einigungsstelle in Rechtsfragen könne wegen eines Rechtsfehlers stets angefochten werden und habe nur die Bedeutung eines außergerichtlichen Vorverfahrens (so Galperin/Löwisch, aaO, Rz 39; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, Rz 56).

3. Die Vereinbarung eines solchen “außergerichtlichen Vorverfahrens” wird durch § 4 ArbGG jedoch nicht ausgeschlossen, durch § 76 Abs. 6 BetrVG vielmehr für zulässig erklärt. Treffen die Betriebspartner eine solche Vereinbarung, dann sind sie im Verhältnis zueinander verpflichtet, im Falle einer Auslegungsstreitigkeit zunächst den Weg des Versuchs einer innerbetrieblichen Einigung zu gehen. Daraus folgt, daß der Antrag des Arbeitgebers, der auf eine gerichtliche Entscheidung des zwischen den Beteiligten bestehenden Auslegungsstreits abzielt, unzulässig ist.

Damit erweist sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats als begründet.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Dr. Stadler, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 839160

BAGE, 243

RdA 1991, 126

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