Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligtenwechsel im Beschlußverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Geht im Laufe eines Beschlußverfahrens die Zuständigkeit für die Wahrnehmung des im Verfahren umstrittenen Mitbestimmungsrechts auf ein anderes betriebsverfassungsrechtliches Organ - vom Betriebsrat auf den Gesamtbetriebsrat - über, so wird dieses Organ Beteiligter des anhängigen Beschlußverfahrens.

Ein solcher Wechsel in der Zuständigkeit ist auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu beachten.

 

Normenkette

ArbGG §§ 87, 89, 81; BetrVG § 50; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 07.10.1986; Aktenzeichen 4 TaBV 5/86)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.10.1985; Aktenzeichen 4 BV 10/85)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs vom 25. Februar 1985, mit dem mit Wirkung vom 1. April 1985 ein neuer Provisionsplan für die Verkaufsrepräsentanten des Arbeitgebers aufgestellt worden war.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens war der Betriebsrat der S GmbH, einem Tochterunternehmen des amerikanischen Konzerns S. Die S GmbH war ein Unternehmen, das in Deutschland Anlagen und Systeme der Datenverarbeitung vertrieb. Im Vertrieb waren Verkaufsrepräsentanten beschäftigt, die neben festen Bezügen für die von ihnen vermittelten Geschäfte Prämien und Provisionen erhielten. Bis zum Inkrafttreten des hier strittigen Spruchs der Einigungsstelle bestimmten sich Provisionen und Prämien seit dem 1. Oktober 1981 nach einem Provisions- und Prämienplan, der ebenfalls durch Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommen war.

Die Beschäftigten der S GmbH, die in Deutschland offensichtlich eine Reihe von Niederlassungen unterhielt, hatten gemeinsam nur einen Betriebsrat, den Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gewählt.

Im September 1986 schlossen sich die amerikanischen Konzerne S und B zusammen. Am 12. Dezember 1986 erfolgte die Verschmelzung der S GmbH mit der B Deutschland GmbH als aufnehmende Gesellschaft, die später in die U Deutschland GmbH, der Rechtsbeschwerdeführerin des vorliegenden Verfahrens, umbenannt wurde. Anläßlich der Betriebsratswahl 1987 wählten die Beschäftigten der nunmehrigen U Deutschland GmbH in den verschiedenen Betrieben und Niederlassungen getrennt Betriebsräte, die einen Gesamtbetriebsrat, den Rechtsbeschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens, bildeten. Zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der U Deutschland GmbH wurde mit einem Spruch der Einigungsstelle vom 19. Mai 1987 ein neuer Provisionsplan für alle Verkaufsrepräsentanten der U Deutschland GmbH beschlossen, der am 1. Januar 1988 in Kraft trat.

Der Betriebsrat der S GmbH hat den Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 mit einem am 18. März 1985 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz angefochten. Er hat geltend gemacht, der Spruch der Einigungsstelle sei nichtig und dies mit Verfahrensfehlern der Einigungsstelle sowie damit begründet, der Spruch enthalte in einer Vielzahl von Regelungen Rechtsverstöße und die getroffene Regelung überschreite die Grenzen des Ermessens der Einigungsstelle. Er hat beantragt

1. festzustellen, daß der Spruch der Eini-

gungsstelle ... vom 25. Februar 1985

nichtig ist,

hilfsweise,

den Beschluß der Einigungsstelle ...

vom 25. Februar 1985 aufzuheben,

2. die S GmbH zu verpflichten, den

Spruch der Einigungsstelle ... (vom 25.

Februar 1985) nicht anzuwenden, insbe-

sondere keine personellen Maßnahmen auf

ihn zu stützen, und den bisherigen Provi-

sions- und Prämienplan, gültig ab 1. Ok-

tober 1981, weiter anzuwenden, bis er

durch eine andere Abmachung ersetzt wird.

Die S GmbH hat die Abweisung dieser Anträge beantragt und den Spruch der Einigungsstelle als wirksame und angemessene Regelung verteidigt.

Das Arbeitsgericht hat am 22. Oktober 1985 festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 nichtig ist, den weitergehenden Antrag des Betriebsrats jedoch abgewiesen mit der Begründung, ein Spruch der Einigungsstelle, über dessen Wirksamkeit gestritten werde, sei bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Beschlusses im Betrieb weiter anzuwenden.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts hat zunächst die S GmbH Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, die Abweisung auch des Feststellungsantrags des Betriebsrats zu erreichen. Der Betriebsrat hat nach Ablauf der Beschwerdefrist unselbständige Anschlußbeschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag, die S GmbH zu verpflichten, den bisherigen Provisions- und Prämienplan weiter anzuwenden, weiter verfolgt. Er hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens den Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 zum 31. März 1986 gekündigt.

Das Landesarbeitsgericht hat am 7. Oktober 1986 die Beschwerde der S GmbH mit der Begründung zurückgewiesen, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam, da die Regelung die Grenzen des Ermessens der Einigungsstelle überschreite. Die unselbständige Anschlußbeschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig verworfen. Es hat die Rechtsbeschwerde für beide Beteiligten zugelassen.

Mit Rücksicht auf die kurz nach der Verkündung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eingetretenen - oben dargestellten - betriebsverfassungsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Änderungen haben der neu gebildete Gesamtbetriebsrat und die U Deutschland GmbH Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts eingelegt, mit der sie jeweils die vom Betriebsrat der S GmbH bzw. der S GmbH vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiterverfolgen.

B. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten und die nunmehr vom Gesamtbetriebsrat verfolgten Anträge sind zulässig. Der Senat hat darüber vorab durch Teilbeschluß entschieden. Die Entscheidung über die Begründetheit der Anträge bedarf weiterer Vorbereitung.

I. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist zulässig.

1. Die Formalien der Rechtsbeschwerde sind gewahrt. Die Rechtsbeschwerde ist vom Landesarbeitsgericht zugelassen worden. Sie ist innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist eingegangen und begründet worden.

2. Der neu gebildete Gesamtbetriebsrat ist auch beschwerdebefugt.

Die Anträge sind vom Betriebsrat der S GmbH gestellt worden. Durch die Abweisung dieser Anträge ist daher zunächst nur der Betriebsrat der S GmbH beschwert worden. Dieser hat gegen die Abweisung seiner Anträge Rechtsbeschwerde nicht eingelegt. Die Frage, ob er dazu noch befugt gewesen wäre, ist vom Senat daher nicht zu entscheiden.

Der Gesamtbetriebsrat ist Beteiligter des vorliegenden Verfahrens geworden und als solcher rechtsmittelbefugt.

a) Die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlußverfahren enthalten keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob ein Dritter einem anhängigen Verfahren zur Unterstützung des Antragstellers oder eines anderen Beteiligten beitreten oder sich dem Verfahren mit einem eigenen Sachantrag anschließen kann. Das Beschlußverfahren selbst kennt nur den Antragsteller und Beteiligte des Verfahrens. Der Senat hat daher in dem Beitritt eines Dritten mit einem e i g e n e n Sachantrag eine Antragsänderung gesehen, deren Zulässigkeit sich nach den Regeln über die Antragsänderung im Beschlußverfahren bestimmt, den neuen Antragsteller aber in seiner Eigenschaft als Antragsteller eines - unter Umständen auch unzulässigen - Antrags als Beteiligten des Verfahrens angesehen, der damit bei Abweisung seines Antrags auch rechtsmittelbefugt ist (Beschluß des Senats vom 16. Dezember 1986 - 1 ABR 35/85 - BAGE 54, 36 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).

Im vorliegenden Verfahren tritt der Gesamtbetriebsrat dem Verfahren nicht als neuer Antragsteller mit einem neuen, eigenen Sachantrag bei. Wäre das der Fall, wäre die darin liegende Antragsänderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässig (BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979). Der Gesamtbetriebsrat verfolgt vielmehr den bislang vom Betriebsrat der S GmbH gestellten und noch in der Beschwerdeinstanz verfolgten Sachantrag unverändert weiter.

An dem durch diesen Sachantrag umschriebenen Streitgegenstand ist der Gesamtbetriebsrat nunmehr beteiligt. In einem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes sind diejenigen Personen und Stellen Beteiligte, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluß vom 13. März 1984 - 1 ABR 49/82 - AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; Beschluß vom 25. September 1986 - 6 ABR 68/84 - BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972).

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 und damit der Provisionsregelung für alle Verkaufsrepräsentanten der früheren S GmbH sowie die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die davor geltende Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 weiter anzuwenden. Diese Fragen betreffen ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis. Von der Beantwortung der Fragen hängt ab, ob Mitbestimmungsrechte des zuständigen Betriebsrats bei der Abänderung der Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 noch bestehen oder bereits wahrgenommen worden sind und ob der Arbeitgeber aus der Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 dem zuständigen Betriebspartner gegenüber noch verpflichtet ist, diese im Betrieb anzuwenden.

Die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 und die Provisionsordnung aus dem Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 betrafen alle Verkaufsrepräsentanten der früheren S GmbH. Träger von Mitbestimmungsrechten hinsichtlich dieser Provisionsordnung war der damals von allen Arbeitnehmern der S GmbH allein gewählte Betriebsrat der S GmbH, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens. 1987 haben die Arbeitnehmer der nunmehrigen U Deutschland GmbH für die einzelnen Betriebe und Niederlassungen eigene Betriebsräte gewählt, die einen Gesamtbetriebsrat gebildet haben. Nach dem Vorbringen der Beteiligten werden auch die Arbeitnehmer der früheren S GmbH nunmehr durch mehrere Betriebsräte vertreten. Damit ist ein Mitbestimmungsrecht bei der Regelung der Provisionsordnung für die Verkaufsrepräsentanten der Zuständigkeit eines einzelnen Betriebsrats entwachsen und der Gesamtbetriebsrat zuständig geworden. Nach § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte ihrer Betriebe geregelt werden können. Dabei handelt es sich um eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Eine Provisionsordnung, die für alle Verkaufsrepräsentanten eines Unternehmens einheitlich gelten soll, ist eine Angelegenheit, die das Gesamtunternehmen betrifft und nicht mehr durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann. Dabei ist es unerheblich, daß die hier strittigen Provisionsordnungen nur noch für die Verkaufsrepräsentanten der früheren S GmbH Rechtswirkungen haben können, nicht aber für solche der früheren B Deutschland GmbH. Auch die Arbeitnehmer der früheren S GmbH werden nunmehr durch mehrere Betriebsräte vertreten. Eine nur für sie geltende gleiche Provisionsordnung kann nicht mehr durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb der jeweiligen Betriebe geregelt werden. Das genügt für die Begründung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Die Angelegenheit muß nicht alle Betriebe des Unternehmens betreffen, es genügt, wenn mehrere Betriebe betroffen sind.

Mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten an einer einheitlichen Provisionsordnung für die Verkaufsrepräsentanten mehrerer Betriebe auf den Gesamtbetriebsrat ist dieser Beteiligter des vorliegenden Beschlußverfahrens geworden. Die Entscheidung über die seinerzeit vom Betriebsrat der S GmbH gestellten Anträge berührt nunmehr den Gesamtbetriebsrat unmittelbar in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung. Von ihr ist abhängig, ob er vom Arbeitgeber noch die Anwendung der seinerzeit geltenden Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 verlangen kann und ob ihm noch ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung derjenigen Provisionsordnung zusteht, die die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 ablösen soll, oder ob dieses Mitbestimmungsrecht durch den Beschluß der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 ausgeübt worden ist.

b) Erwächst damit die Beteiligtenstellung in einem anhängigen Beschlußverfahren einer Person oder Stelle kraft materiellen Betriebsverfassungsrechts, ohne daß es auf eine darauf gerichtete Handlung der Person oder Stelle oder des Gerichts ankommt, so ist diese kraft Gesetzes eingetretene Beteiligung auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenso zu beachten, wie nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die an einem Verfahren nach materiellem Recht beteiligten Personen und Stellen auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen "zu beteiligen" sind, was nichts anderes bedeutet, als daß ihre materiell-rechtlich begründete Beteiligtenstellung noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BAG Beschluß vom 3. April 1979 - 6 ABR 64/76 - AP Nr. 1 zu § 13 BetrVG 1972; Beschluß vom 20. Juli 1982 - 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG).

Daraus folgt gleichzeitig, daß auch neue Tatsachen, aus denen sich die Beteiligtenstellung anderer als der bisherigen formell am Verfahren beteiligten Personen und Stellen ergibt, noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu berücksichtigen und notfalls aufzuklären sind.

c) Ist damit der Gesamtbetriebsrat Beteiligter des Verfahrens, so ist er grundsätzlich auch befugt, ein Rechtsmittel gegen eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung einzulegen, sofern die übrigen Rechtsmittelvoraussetzungen gegeben sind. Auch das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 25. August 1981 - 1 ABR 61/79 - BAGE 37, 31 = AP Nr. 2 zu § 83 ArbGG 1979; Beschluß vom 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - BAGE 50, 179 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Das gilt auch dann, wenn ein Beteiligter bislang irrtümlich am Verfahren nicht beteiligt worden ist (Beschluß vom 10. September 1985 - 1 ABR 15/83 - AP Nr. 2 zu § 117 BetrVG 1972), und muß daher erst recht gelten, wenn eine Person oder Stelle bislang nicht Beteiligte war, ihre Beteiligtenstellung vielmehr erst im Laufe des Verfahrens erworben hat.

d) Der Gesamtbetriebsrat ist nunmehr Träger der im vorliegenden Verfahren umstrittenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte. Er ist durch die angefochtene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch beschwert, die die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats der S GmbH als unzulässig verworfen und damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufrechterhalten hat, die dem Betriebsrat der S GmbH das Recht abspricht, vom Arbeitgeber die Anwendung der alten Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 verlangen zu können. Damit ist die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats zulässig.

II. Auch die Rechtsbeschwerde der U Deutschland GmbH ist zulässig.

1. Die U Deutschland GmbH war bislang am Verfahren nicht beteiligt. Die Anträge des Betriebsrats der S GmbH richteten sich allein gegen diese. Die U Deutschland GmbH ist jedoch Beteiligte des anhängigen Beschlußverfahrens geworden.

Die gegen die S GmbH gerichteten Anträge des Betriebsrats betrafen das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Betriebsrat und der S GmbH in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber ihrer Arbeitnehmer und Inhaber ihres Betriebs oder ihrer Betriebe, für die der Betriebsrat gewählt worden war. Durch eine Entscheidung über die vom Betriebsrat gestellten Anträge wurde die S GmbH in ihrer Rechtsstellung als Betriebspartner, als das Organ "Arbeitgeber" der Betriebsverfassung betroffen. Diese Organstellung der S GmbH im Rahmen der Betriebsverfassung ist mit der Verschmelzung der S GmbH und der B Deutschland GmbH letztlich zur U Deutschland GmbH auf diese übergegangen. Diese ist Inhaber des Betriebs oder der Betriebe der S GmbH geworden, wobei es gleichgültig ist, auf welchem rechtlichen Wege sie in diese Organstellung eingerückt ist. Betriebsverfassungsrechtliche Rechte und Pflichten im Hinblick auf Beteiligungsrechte des betriebsverfassungsrechtlichen Organs der Arbeitnehmerseite kann nur der jeweilige Inhaber des Betriebs als das Organ "Arbeitgeber" sein (Beschluß vom 28. September 1988 - 1 ABR 37/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Ist damit die U Deutschland GmbH Beteiligte des anhängigen Beschlußverfahrens geworden, so ist sie ebenso wie der Gesamtbetriebsrat rechtsmittelbefugt. Sie ist durch die angefochtene Entscheidung beschwert. Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 berührt ihre Stellung als Partei der durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzten Betriebsvereinbarung zwischen ihr und dem für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten anläßlich der Schaffung einer Provisionsordnung für die Verkaufsrepräsentanten zuständigen Betriebsrats. Die U Deutschland GmbH hält ebenso wie früher die S GmbH den Spruch der Einigungsstelle für wirksam und damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an einer die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 ablösenden Provisionsordnung für ausgeübt. Ist der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 unwirksam, muß sie eine neue Regelung treffen und dabei Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats beachten.

III. Die Anträge des Gesamtbetriebsrats sind zulässig.

1. Der Senat ist zunächst nicht gehindert, über den Antrag des Gesamtbetriebsrats zu entscheiden, nunmehr die U Deutschland GmbH zu verpflichten, den Provisions- und Prämienplan vom 1. Oktober 1981 weiter anzuwenden. Die diesen Antrag abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig geworden. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats als unzulässig verworfen. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist seit dem Inkrafttreten der Arbeitsgerichtsnovelle von 1979 die unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig (BAG Beschluß vom 2. April 1987 - 6 ABR 29/85 - AP Nr. 3 zu § 87 ArbGG 1979, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Beschluß vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979).

2. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 unwirksam ist, ist zulässig.

Das erforderliche Feststellungsinteresse ist nicht deswegen entfallen, weil der Gesamtbetriebsrat und die U Deutschland GmbH als Arbeitgeber für die Zeit ab 1. Januar 1988 - wenn auch über einen Spruch der Einigungsstelle - eine neue Provisionsordnung für die Verkaufsrepräsentanten vereinbart haben. Mit dieser neuen Provisionsordnung haben zwar die alte Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 und auch die durch den Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 getroffene Provisionsordnung ihr Ende gefunden, jedoch nur für die Zeit ab dem 1. Januar 1988. Die Frage, welche Provisionsordnung in der Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 galt und von der damaligen S GmbH anzuwenden war, hat dadurch keine Beantwortung gefunden. Diese Frage ist nicht nur von Bedeutung für die Provisionsansprüche der Verkaufsrepräsentanten in dieser Zeit, sondern betrifft auch Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats an der Schaffung einer Provisionsordnung für diesen Zeitraum. Der Umstand, daß die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 nach § 77 Abs. 6 BetrVG weiter galt, bis sie durch eine neue Provisionsordnung ersetzt wurde, besagt nicht, daß sie erst durch die Provisionsordnung vom 1. Januar 1988 abgelöst worden ist und für die Zeit davor nunmehr keine Provisionsordnung mehr vereinbart werden könnte. Eine Provisionsordnung für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 kann auch heute noch rückwirkend vereinbart werden.

Damit ist für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten bei der Schaffung einer solchen Provisionsordnung für den genannten Zeitraum nach wie vor von Bedeutung, ob der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 wirksam war.

3. Gegen die Zulässigkeit des Antrags, die U Deutschland GmbH zu verpflichten, für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. Dezember 1987 die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 weiter anzuwenden, bestehen keine Bedenken. Es handelt sich um einen Leistungsantrag. Die Anwendung der Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 ist auch nicht durch Zeitablauf unmöglich geworden. Ist der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Februar 1985 unwirksam, ist die U Deutschland GmbH bis zur Vereinbarung einer neuen Provisionsordnung auch heute noch verpflichtet, der Berechnung der Provisionen für die Verkaufsrepräsentanten in der fraglichen Zeit die Provisionsordnung vom 1. Oktober 1981 zugrunde zu legen.

Matthes Dr. Weller Dr. Etzel

Mager H. Blanke

 

Fundstellen

BAGE 60, 48-56 (LT1)

BAGE, 48

BB 1989, 705-806 (LT1)

DB 1989, 733-734 (LT1)

BetrVG, (1) (LT1)

NZA 1989, 396-399 (LT1)

RdA 1989, 130

AP § 81 ArbGG 1979 (LT1), Nr 10

EzA § 83 ArbGG 1979, Nr 8 (LT1)

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