Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildung im Strafvollzug. Unzuständigkeit d. Arbeitsgerichte

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Rahmen des Strafvollzuges zwischen dem Träger der Vollzugsanstalt und einem Strafgefangenen ein Berufsausbildungsverhältnis begründet, so handelt es sich hierbei nicht um ein privatrechtliches, sondern um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Für Rechtsstreitigkeiten aus einem solchen Rechtsverhältnis sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.

 

Normenkette

ArbGG §§ 2, 5; StVollzG §§ 4, 7 Abs. 2 Nr. 3, § 11 Abs. 2, § 37 Abs. 3, § 39 Abs. 1, § 41 Abs. 2-3, § 149 Abs. 3, § 159; AFG § 168

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.02.1985; Aktenzeichen 13 Sa 170/84)

ArbG Ulm (Urteil vom 12.11.1984; Aktenzeichen 5 Ca 367/84)

 

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

 

Tatbestand

I. Bevor die Parteien im Revisionsverfahren übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, haben sie darüber gestritten, ob das Berufsausbildungsverhältnis zwischen ihnen durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 23. August 1984 rechtswirksam beendet worden ist.

Der 1948 geborene Kläger verbüßte in der Justizvollzugsanstalt Ulm des beklagten Landes eine Freiheitsstrafe.

Am 24. November 1983 schloß die Vollzugsanstalt mit ihm einen Berufsausbildungsvertrag zum Ausbildungsberuf “Fleischer – verkaufsbetont –” nach einem Formularvertrag, wie er von der Handwerkskammer empfohlen wird.

Er enthält u.a. folgende Regelungen:

“§ 7

Kündigung

  • Kündigung während der Probezeit

    Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

  • Kündigungsgründe

    Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden

    • aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,
    • vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will.
  • Form der Kündigung

    Die Kündigung muß schriftlich, im Falle der Ziff. 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.

  • Unwirksamkeit der Kündigung

    Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als 2 Wochen bekannt sind. Ist ein Schlichtungsverfahren gem. § 9 eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt.

§ 9

Beilegung von Streitigkeiten

Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuß anzurufen.”

Regelungen über die Höhe der Vergütung und die Dauer des Urlaubs wurden in den hierfür vorgesehenen Leerfeldern der §§ 5 und 6 des Vertragsformulars nicht getroffen.

Der Ausbildungsvertrag wurde in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse der Handwerkskammer Ulm eingetragen. Nach deren Bescheid über die Verkürzung der Ausbildungszeit vom 30. November 1983 sollte das am 1. Dezember 1983 begonnene Ausbildungsverhältnis zum 30. November 1985 enden.

Die Ausbildungsvergütung des Klägers betrug in der Folgezeit 7,21 DM pro Arbeitstag. Die Ausbildung fand in den Räumen der Vollzugsanstalt Ulm statt.

Am 28. August 1984 erhielt der Kläger das Schreiben der Vollzugsanstalt Ulm vom 23. August 1984, das folgenden Inhalt hatte:

“Betr.: Ausbildungsverhältnis gem. Ausbildungsvertrag vom 24.11.1983 eingetragen in der Lehrlingsrolle Nr. 1028/83 bei der Handwerkskammer Ulm

Hiermit erkläre ich die fristlose Kündigung des obengenannten Ausbildungsverhältnisses, da aufgrund Ihres jetzt gezeigten Verhaltens in Bezug auf die von Ihnen eingestandene Verfehlung nach unserer Auffassung eine Grundlage für eine sinnvolle und vertrauenswürdige Fortführung des Ausbildungsverhältnisses nicht mehr gegeben ist.”

Dem Kläger ist gekündigt worden, weil er in der Ausbildungsstätte am 2. August 1984 Wurstwaren entwendet hatte.

Mit Schriftsatz vom 10. September 1984 hat der Kläger gegen die ausgesprochene fristlose Kündigung Klage beim Arbeitsgericht Ulm erhoben.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die ausgesprochene Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie nicht die gemäß § 15 Abs. 3 BBiG erforderliche Begründung enthalte. Im übrigen sei auch die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 BBiG nicht gewahrt worden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 23. August 1984 aufgelöst ist, sondern fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat ausgeführt, die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht zuständig. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, da zwischen ihm und dem beklagten Land keine dem Privatrecht zuzuordnenden Rechtsbeziehungen bestünden. Die in bezug auf den Kläger getroffenen Maßnahmen hätten ihre Rechtsgrundlage in dem durch den Vollzug der Freiheitsstrafe entstandenen besonderen Gewaltverhältnis. Der Abschluß des Ausbildungsvertrages beruhe auf § 37 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG und seine Auflösung auf einer Änderung des in § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG genannten Teils des Vollzugsplans, die nach Beratung in der Konferenz gemäß § 159 StVollzG vorgenommen worden sei. Gegen Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafvollzugs stünden dem Kläger nur die Rechtsbehelfe des Strafvollzugsgesetzes zur Verfügung. Danach sei die Strafvollstreckungskammer des örtlichen Landgerichts ausschließlich sachlich zuständig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 23. August 1984 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Sodann haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen nunmehr, jeweils dem Gegner die Kosten aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. Dafür ist grundsätzlich der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits maßgebend. Dem Kläger waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, denn das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Klage unzulässig gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere ausgeführt: Der vorliegende Rechtsstreit betreffe keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses bzw. Ausbildungsverhältnisses im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG, denn die Ausbildung des Klägers in der Vollzugsanstalt werde nicht aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses durchgeführt. Vielmehr beruhe die Begründung, Ausgestaltung und Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zwischen den Parteien auf den diesbezüglichen Regelungen des Strafvollzugsgesetzes (§ 37 Abs. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG) und dem von der Vollzugsanstalt erstellten Vollzugsplan. Die aufgrund dieses Vollzugsplan durchgeführten Maßnahmen seien Ausfluß des zwischen den Parteien bei der Durchführung der Strafvollstreckung bestehenden besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses und unterlägen nicht den Regeln des Privatrechts.

Auch wenn in dem zwischen den Parteien am 24. November 1983 abgeschlossenen schriftlichen Berufsausbildungsvertrag Bestimmungen enthalten seien, die für eine privatrechtliche Ausgestaltung des Ausbildungsverhältnisses sprächen, könne dies nicht dazu führen, daß die Berufsausbildung des Klägers dem Privatrecht unterworfen sei und der Kläger als Arbeitnehmer gelte. Die Strafvollzugsbehörde sei nämlich kraft Gesetzes nicht dazu berechtigt, durch besondere vertragliche Vereinbarungen mit Strafgefangenen Gleichordnungsverhältnisse zu schaffen. Die den Regelungen des Strafvollzugsgesetzes widersprechenden Vertragsklauseln seien gemäß § 134 BGB nichtig, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstießen.

Die “fristlose Kündigung” des Ausbildungsverhältnisses stelle sich folglich als Regelung einer Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzuges dar, die gemäß der §§ 108 ff. StVollzG in dem dort vorgesehenen besonderen Rechtsbehelfsverfahren angegriffen werden könne, wobei die Zuständigkeit für die gerichtliche Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer des örtlichen Landgerichts liege (§ 78a GVG, § 110 StVollzG).

2. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat.

a) Der Zuständigkeitsbereich der Gerichte für Arbeitssachen ist in den §§ 2 bis 5 ArbGG zwingend festgelegt. Bei Rechtsstreitigkeiten über die Beendigung eines Vertragsverhältnisses sieht § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nur vor, wenn es sich um eine bürgerlichrechtliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses handelt. Hierzu zählen gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG auch die Beschäftigungsverhältnisse von Auszubildenden, in Heimarbeit Beschäftigter und ihnen Gleichgestellter sowie sonstiger Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

Nach diesen Vorschriften sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen entzogen (BAG 22, 1, 4 = AP Nr. 18 zu § 5 ArbGG 1953). Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist nur, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten privatrechtlichen Rechtsverhältnisses im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist.

b) Strafgefangene erfüllen diese Voraussetzung im Verhältnis zum Träger der Vollzugsanstalt nicht.

Zwischen dem Gefangenen und der Vollzugsbehörde besteht kein Gleichordnungsverhältnis, das einzelvertraglich geregelt werden kann, sondern ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis, denn der Gefangene ist im Rahmen der geltenden Gesetze und Verordnungen den Maßnahmen der Vollzugsbehörde unterworfen.

aa) Der Fünfte Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. April 1969 (BAG 22, 1, 5 = AP Nr. 18 zu § 5 ArbGG 1953), bezogen auf das Rechtsverhältnis des Gefangenen zum Träger der Vollzugsanstalt vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes, festgestellt, daß zwischen ihnen keine dem Privatrecht zugehörigen Rechtsbeziehungen bestehen, und zwar auch dann nicht, wenn der Gefangene zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Die Verwahrung in der Strafhaft erfolgt nämlich stets aufgrund staatlichen Zwangs und unterwirft den Häftling einem besonderen, dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Gewaltverhältnis. Alle gegen den Häftling im Rahmen der Haft getroffenen Maßnahmen – einschließlich der Heranziehung zur Arbeitsleistung – haben ihre Rechtsgrundlage in diesem besonderen Gewaltverhältnis.

bb) Die am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes haben zwar in einzelnen Teilbereichen Neuerungen gegenüber dem früheren Rechtszustand gebracht, jedoch die Rechtsstellung des Gefangenen zur Justizvollzugsanstalt nicht grundsätzlich geändert. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG unterliegt der Gefangene den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit und ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 StVollzG verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit auszuüben, zu deren Verrichtung er aufgrund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Damit ist Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Gefangenen nach wie vor das zum Träger der Vollzugsanstalt bestehende besondere Gewaltverhältnis. Mit dem Hinweis hierauf hat der Sechste Senat in seinem Beschluß vom 3. Oktober 1978 – 6 ABR 46/76 – (AP Nr. 18 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 3 der Gründe) den Arbeitnehmerstatus eines Gefangenen auch nach den am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes verneint.

cc) Die im vorliegenden Fall interessierenden und erst am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Bestimmungen des 5. Titels des Strafvollzugsgesetzes haben zum Ziel, die Eingliederung in das spätere Leben in Freiheit zu erleichtern und eine weitere Angleichung an die Lebensverhältnisse außerhalb des Strafvollzugs mit sich zu bringen (§ 3 Abs. 1, 3 StVollzG; vgl. Schwind/Böhm, StVollzG, § 37 Rz 7). Nach § 37 Abs. 3 StVollzG soll geeigneten Gefangenen Gelegenheit zur Berufsausbildung gegeben werden. Soweit nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen, soll dem Gefangenen gemäß § 39 Abs. 1 StVollzG auch gestattet werden, eine Berufsausbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen. Sowohl die Teilnahme an Berufsausbildungsmaßnahmen bedarf gemäß § 41 Abs. 2 StVollzG der Zustimmung des Gefangenen als auch die Beschäftigung außerhalb der Vollzugsanstalt, insbesondere wenn sie in einem von privaten Unternehmen unterhaltenen Betrieb stattfindet (§ 11 Abs. 2, § 41 Abs. 3 StVollzG). Schließlich schreibt Nr. 2 Abs. 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 39 StVollzG ausdrücklich vor, daß zwischen dem Gefangenen und seinem Arbeitgeber ein schriftlicher Vertrag (Arbeitsvertrag, Berufsausbildungsvertrag o.ä.) abzuschließen ist.

dd) Die Revision leitet aus diesen Bestimmungen ab, die Vollzugsanstalt habe auch die Möglichkeit, einen privatrechtlichen Berufsausbildungsvertrag mit Gefangenen abzuschließen, wenn die Ausbildung von ihr selbst innerhalb der Vollzugsanstalt durchgeführt wird, und meint, hiervon habe die Vollzugsanstalt Ulm bei Abschluß des Ausbildungsvertrages mit dem Kläger vom 24. November 1983 Gebrauch gemacht.

Sie stützt ihre Ansicht auf Fredebeul (BB 1983, 968, 974), der aus den Bestimmungen der §§ 37, 39 StVollzG eine “Doppelspurigkeit” bei der Berufsausbildung von Strafgefangenen ableitet, weil sowohl eine öffentlich-rechtliche “Vollzugsausbildung” als auch eine privatrechtliche “Einstellungsausbildung” zugelassen werde. Hieraus folgert er, daß eine “Einstellungsausbildung” durch private Unternehmen nicht nur im Freigang außerhalb der Anstalt durchgeführt werden könne, sondern im Rahmen des § 149 StVollzG auch innerhalb der Strafanstalt, und es keinen grundsätzlichen Unterschied in der rechtlichen Beurteilung machen könne, wenn die Vollzugsbehörde selbst eine eigene Ausbildungseinrichtung schafft und nicht in einem privaten Fremdbetrieb innerhalb der Vollzugsanstalt ausbilden läßt. Danach sei die Vollzugsbehörde frei in der Wahl zwischen einer öffentlich-rechtlichen Vollzugsausbildung und einer privatrechtlichen Einstellungsausbildung.

Auch Pécic (AK-StVollzG, § 39 Rz 10) erörtert die Möglichkeit der Eingehung eines freien Beschäftigungsverhältnisses mit einem privaten Unternehmerbetrieb innerhalb der Anstalt.

ee) Gegen eine analoge Anwendung des § 39 Abs. 1 StVollzG auf Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnisse innerhalb der Anstalt spricht der Ausnahmecharakter dieser Regelung. Dieser wird aus der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs deutlich, in der es zu § 39 heißt, daß die Gestattung eines freien Beschäftigungsverhältnisses innerhalb der Anstalt “gegenwärtig noch regelmäßig an den räumlichen, organisatorischen und personellen Verhältnissen der Anstalt scheitern und zu Beunruhigungen führen” würde, wenn in einem Betrieb Gefangene aufgrund eines freien Arbeitsverhältnisses und aufgrund zugewiesener Arbeit nebeneinander beschäftigt würden. “Der Entwurf hat deshalb die Bindung der Vollzugsbehörde nur für freie Beschäftigungsverhältnisse außerhalb der Anstalt vorgesehen” (BT-Drucks. 7/918, S. 67). Hinsichtlich des Einsatzes von Gefangenen in Betrieben privater Unternehmen innerhalb der Anstalt führt die amtliche Begründung weiter aus, durch § 136 Abs. 3 des Entwurfs – den späteren § 149 Abs. 3 des Gesetzes – solle infolge der Beschränkung auf die technische und fachliche Leitung seitens Angehöriger dieser Unternehmen vermieden werden, daß der Gefangene an den Unternehmer verdingt oder ihm auf eine andere Weise zur Verfügung gestellt werde. Die amtliche Begründung betont ausdrücklich, daß der Gefangene, auch “wenn er in einem solchen Betrieb beschäftigt ist, ausschließlich der Vollzugsbehörde gegenüber zur Arbeit verpflichtet” ist und der Unternehmer von ihm keine Arbeitsleistung verlangen kann, wie auch der Gefangene von dem Unternehmen kein Entgelt oder eine andere Leistung verlangen kann. “Ein zur Leistung verpflichtendes und zu Ansprüchen berechtigendes Rechtsverhältnis besteht ausschließlich zwischen dem Gefangenen und der Vollzugsbehörde” (so BT-Drucks. 7/918, S. 64).

Die Eingehung gegenseitiger privatrechtlicher Verträge zwischen Gefangenen und Unternehmerbetrieben soll danach weiterhin ausgeschlossen bleiben. Auch Calliess/Müller-Dietz (StVollzG, 3. Aufl., § 39 Rz 4) und Schwind/Böhm (StVollzG, § 39 Rz 4) sprechen sich gegen die Zulässigkeit freier Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der Anstalt aus, da hierdurch insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Entlohnung ein unerträgliches Zweiklassensystem geschaffen werden würde, das Spannungen und Unruhen unter den Gefangenen befürchten ließe.

Demnach ist es der Vollzugsbehörde verwehrt, nach ihrer Wahl innerhalb der Anstalt mit einzelnen Gefangenen privatrechtliche Ausbildungsverträge abzuschließen. Die Schaffung eines Gleichordnungsverhältnisses auf dem Gebiet des Ausbildungswesens innerhalb der Vollzugsanstalt wäre auch mit tragenden Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes unvereinbar.

Maßnahmen der beruflichen Ausbildung sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG Gegenstand des für jeden Gefangenen zu erstellenden Vollzugsplans. Der in einer Konferenz gemäß § 159 StVollzG zu erstellende Vollzugsplan stellt eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs dar (vgl. Schwind/Böhm, aaO, § 7 Rz 4). Er setzt für jeden Gefangenen fest, was mit ihm während der Vollzugszeit geschehen soll (vgl. Schwind/Böhm, aaO, Rz 2). Insoweit unterliegt der Gefangene seinen Regelungen im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 1 StVollzG. Der Vollzugsplan wird nicht mit dem Gefangenen frei ausgehandelt, sondern von der Vollzugsbehörde einseitig festgelegt; dabei kann der Gefangene lediglich durch das Zustimmungserfordernis zu einzelnen besonderen Vollzugsmaßnahmen (z.B. § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 41 Abs. 2 und 3 StVollzG) auf den konkreten Inhalt Einfluß nehmen. Durch diese erforderlichen Mitwirkungshandlungen des Gefangenen (vgl. § 4 Abs. 1 StVollzG) verliert der Vollzugsplan nicht seinen öffentlich-rechtlichen Charakter (vgl. Schwind/Böhm, aaO, § 4 Rz 4).

Das Gebot für die Vollzugsbehörde, den Vollzugsplan mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 StVollzG) und die Befugnis des Anstaltsleiters, dem Gefangenen für Lockerungen des Vollzugs im Rahmen von § 11 StVollzG Weisungen zu erteilen oder diese bei Vorliegen bestimmter Umstände einseitig zu widerrufen oder zurückzunehmen (§ 14 StVollzG), verdeutlichen die Gewaltunterworfenheit des Gefangenen.

Das Bestehen eines Über-Unterordnungsverhältnisses zwischen Vollzugsanstalt und Strafgefangenen auch auf dem Gebiet der Berufsausbildung wird weiterhin verdeutlicht durch die §§ 47 ff. StVollzG, die die Verwendung des Arbeitsentgelts regeln, die §§ 68 ff. StVollzG, die u.a. den Bezug von Zeitschriften, den Besitz von Hörfunkgeräten und von anderen Gegenständen zur Fortbildung regeln (vgl. OLG Frankfurt am Main vom 13. Juli 1979 – 3 Ws 235/79 – ZfStrVo SH 1979, 75), und insbesondere die Bestimmungen über Sicherheit und Ordnung (§§ 81 bis 93 StVollzG), die auch bei der Genehmigung eines freien Beschäftigungsverhältnisses zu beachten sind (vgl. Schwind/Böhm, aaO, § 81 Rz 2), und die Disziplinarmaßnahmen (§§ 102 bis 107 StVollzG), die ebenfalls konkrete Auswirkungen auf das Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis haben (vgl. insbes. § 103 Abs. 1 Nr. 4, 7, 8, 9, § 104 Abs. 5 Satz 3 StVollzG).

Wegen der vollständigen Überlagerung des eingegangenen Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnisses durch die öffentlich-rechtlichen Normen des Strafvollzugsgesetzes besteht für die Vollzugsbehörde nicht die Möglichkeit, mit dem Gefangenen auf dem Gebiet der Arbeitstätigkeit bzw. Berufsausbildung durch den Abschluß privatrechtlicher Vereinbarungen Gleichordnungsverhältnisse zu schaffen. Das Strafvollzugsgesetz regelt verbindlich die Maßnahmen staatlichen Zwangs, denen der Gefangene während der Haft unterworfen ist, und die Rechte und Pflichten innerhalb des während der Haft bestehenden besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses. Die Vollzugsbehörde kann einzelvertraglich nicht gesetzlich vorgesehene hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafvollzugs, die Bestand, Inhalt und Ablauf des mit dem Gefangenen bestehenden Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnisses betreffen, ausschließen, denn sie ist im Interesse der Allgemeinheit zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vollzugs gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes verpflichtet. Die das Verhältnis zwischen Vollzugsbehörde und Gefangenen betreffenden Regelungen des Strafvollzugsgesetzes sind nicht dispositiv.

Der öffentlich-rechtlichen Natur der Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Vollzugsanstalt und dem Gefangenen bei der Erbringung von Arbeitsleistungen oder der Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen stehen die Regelungen der §§ 190 bis 194 StVollzG und die durch sie geänderten sozial- und arbeitslosenversicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht entgegen. Durch diese Regelungen soll der Gefangene in die gesetzliche Sozial- und Arbeitslosenversicherung einbezogen werden, wenn er eine Vergütung gemäß den §§ 43 bis 45, 176 f. StVollzG erhält.

In § 168 Abs. 3a Satz 2 AFG ist nunmehr geregelt, daß die beitragspflichtigen Gefangenen als Arbeitnehmer im Sinne der Vorschriften des 6. Abschnitts des AFG und das für die Vollzugsanstalt zuständige Land insoweit als Arbeitgeber gelten. Dies läßt die arbeitsrechtliche Beurteilung ihrer Rechtsbeziehung jedoch unberührt, denn es handelt sich bei dieser Vorschrift lediglich um eine gesetzliche Fiktion für den Bereich der Arbeitslosenversicherung. Der Sonderregelung in § 168 Abs. 3a Satz 2 AFG bedurfte es deshalb, weil Gefangene den Arbeitnehmerstatus im Rahmen des § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG gerade nicht haben. Auch auf dem Gebiet der Sozial- und Arbeitslosenversicherung ist die Einordnung als Arbeitnehmer davon abhängig, daß er freiwillig eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausübt (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 168 Anm. 3) und nicht aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, wie dies bei Gefangenen der Fall ist (so Schmitz/Specke/Picard, AFG, § 168 Anm. 2.4). Das Bundessozialgericht (Entscheidung vom 22. März 1979 – 7 RAr 98/78 – BSGE 48, 129, 133) leitet aus dieser Vorschrift keine generelle, sondern nur eine auf das Gebiet der Arbeitslosen- oder Sozialversicherung beschränkte Gleichstellung des Gefangenen mit einem Arbeitnehmer ab. Insoweit besteht keine Divergenz zur Rechtsansicht der Strafsenate verschiedener Oberlandesgerichte, nach der die berufliche Ausbildung eines Gefangenen eine Behandlungsmaßnahme im Rahmen des Strafvollzugs (§ 7 Abs. 2 StVollzG) mit der hieraus resultierenden Gewaltunterworfenheit darstellt (OLG Frankfurt am Main vom 13. Juli 1979 – 3 Ws – 235/79 – ZfStrVo SH 1979, 75) und bei dem Beschäftigungsverhältnis des Gefangenen keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen ihm und der Vollzugsanstalt bestehen, da es sich entsprechend dem verfolgten Zweck (§ 2 StVollzG) um öffentlichrechtliche Beziehungen handelt (OLG Celle vom 2. Mai 1980 – 3 Ws 94/80 – ZfStrVo 1980, 253; OLG Hamm vom 22. Dezember 1980 – 1 Ws 52/80 – ZfStrVo 1981, 249).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte das am 24. November 1983 eingegangene Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nur ein öffentlich-rechtliches, im Strafvollzugsgesetz geregeltes und auch der Sache nach dem Gebiet des Strafvollzugs zuzurechnendes Ausbildungsverhältnis begründen. Es wurde unmittelbar mit der Vollzugsanstalt eingegangen, und die Ausbildung wurde innerhalb der Vollzugsanstalt durchgeführt.

Ob die vertragsschließenden Parteien – wie vom Kläger behauptet – überhaupt ein privatrechtliches Ausbildungsverhältnis begründen wollten oder der formularmäßige Ausbildungsvertrag – wie das beklagte Land behauptet – nur deshalb Verwendung fand, um seine Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der Handwerkskammer und die Zulassung des Klägers zur Prüfung gemäß den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes zu gewährleisten, kann dahinstehen. Wie bereits ausgeführt und auch vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, steht es der Vollzugsbehörde nicht frei, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des Strafvollzugsgesetzes bezüglich konkreter Vollzugsmaßnahmen mit einzelnen Gefangenen partielle Gleichordnungsverhältnisse zu schaffen.

d) Die Rechtswirksamkeit der Kündigungserklärung der Vollzugsbehörde vom 23. August 1984 gegenüber dem Kläger kann von den angerufenen Gerichten für Arbeitssachen daher nicht geprüft werden. Zuständig für die gerichtlichen Entscheidungen sind insoweit die Strafvollstreckungskammern des örtlichen Landgerichts und der Strafsenat des übergeordneten Oberlandesgerichts, denn diese Willenserklärung betraf eine Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs (vgl. §§ 108 ff., 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG).

Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen konnte auch durch die Gerichtsstandsvereinbarung in § 9 des Vertrages nicht begründet werden. Eine Vereinbarung, die den Katalog der in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fallenden Streitgegenstände (§§ 2 bis 3 ArbGG) beschneiden oder erweitern soll, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam (Urteile vom 16. November 1959 – 2 AZR 616/57 – AP Nr. 13 zu § 276 ZPO, zu A 2 der Gründe; vom 17. April 1964 – 5 AZR 224/63 – AP Nr. 11 zu § 528 ZPO, zu 1 der Gründe; vom 27. Februar 1975 – 3 AZR 136/74 – AP Nr. 1 zu § 3 ArbGG 1953, zu II 1, 4 der Gründe).

3. Waren nach alledem die Gerichte für Arbeitssachen unzuständig und wäre die Klage – ohne die Erledigungserklärung – als unzulässig abzuweisen gewesen, so waren die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger als der unterliegenden Partei aufzuerlegen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Roeper, Dr. Steckhan, Neumann, Dr. Blaeser

 

Fundstellen

Haufe-Index 872443

BAGE, 336

BB 1987, 1256

NJW 1987, 2399

NStZ 1987, 575

RdA 1987, 126

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