Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefangenenvereinigung keine Gewerkschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Das Arbeitsverhältnis zwischen Gefangenen und der Anstalt ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Das Recht der Vollzugsbehörde, die Arbeit von Gefangenen auszugestalten (Direktionsrecht), folgt aus §§ 37, 41 Abs. 2 Satz 2 StVollzG.

Gefangene im geschlossenen Vollzug sind keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 ArbGG; ihnen steht insoweit das Recht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht zu.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 1, 3, Art. 12 Abs. 3; ArbGG § 5; StVollzG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 2 S. 2, §§ 37, 41 Abs. 1 S. 2, § 149 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 28.04.2015; Aktenzeichen 592 StVK 665/14 Vollz)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 28. April 2015 wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrte die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (im Folgenden: GGBO) die Aufhebung der mündlichen Entscheidung der Justizvollzugsanstalt Tegel, durch die dem Gefangenen Z. untersagt wurde, an seinem Arbeitsplatz Mitgliedsanträge für die GGBO während der Arbeitszeit und den Pausen zu verteilen und ausgefüllte Anträge entgegen zu nehmen sowie Werbung für die Organisation zu betreiben. Der Gefangene Z. ist Mitglied der Organisation und als Busfahrer auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt tätig. Er befördert Strafgefangene zwischen ihren jeweiligen Teilanstalten und dem Sprechzentrum.

Die Justizvollzugsanstalt begründete ihre Entscheidung damit, dass aus Sicherheitsgründen auf dem Weg zur und von der Arbeit sowie am Arbeitsplatz lediglich eine Verpflegungsbox, aber keine sonstigen Behältnisse, Schriftstücke, Zeitschriften, Bücher oder ähnliche Dinge mitgeführt beziehungsweise aufbewahrt werden dürfen; deshalb sei weder die Verteilung noch die Entgegennahme von Mitgliedsanträgen bei der Arbeit möglich. Mündliche Mitgliedswerbung sei dagegen zulässig. Gleichzeitig bot sie an, dass Mitgliedsanträge an allgemein zugänglichen Stellen ausgelegt werden können. Die Antragstellerin sieht in dieser Vorgehensweise eine Verhinderung der Tätigkeit ihrer "gewerkschaftlichen Organisation". Sie meint, eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt bestehe schon deshalb nicht, weil Mitgliedbeiträge nicht eingefordert werden würden und der Gefangene Z. während der gesamten Zeit unter der Aufsicht der Antragsgegnerin stehe.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag der Organisation zurückgewiesen. Rechtsgrundlage für das Verbot sei § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG, da das Verhalten des Gefangenen Z. die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Anträge übergeben und sogleich ausgefüllt zurück gefordert werden. Dadurch könnten Drucksituationen entstehen. Es handele sich um ein primäres Verbot, auch wenn die Anstalt die Werbung für die Organisation erst nach ungefähr einem Monat verboten habe.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zwar zulässig, da sie insbesondere die Fortbildung des Rechts im Sinne des § 116 Abs. 1 StVollzG ermöglicht. Klarstellend weist der Senat in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, dass die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den allein der Gefangene A. gestellt hat, zu Unrecht als zulässig erachtet hat. Denn dieser war allein nicht vertretungsbefugt (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2015 - 2 Ws 97/15 Vollz-). Nachdem aber das Landgericht darauf seine Entscheidung nicht gestützt und der ehemalige Gefangene R. dem prozessualen Vorgehen des A. in der Rechtsmittelinstanz noch zugestimmt hat, war entsprechend § 89 ZPO eine Sachentscheidung durch den Senat veranlasst (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO 30. Aufl., § 89 Rdn. 11 f. m.w.N.).

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet.

Allerdings hat die Strafvollstreckungskammer das von der Justizvollzugsanstalt (ohne ausdrückliche Nennung einer Ermächtigungsgrundlage) ausgesprochene Verbot, Mitgliedsanträge der Organisation mit zur Arbeitsstelle zu nehmen und für diese zu werben, zu Unrecht auf § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG gestützt. Denn diese Norm kann als Rechtsgrundlage nur dann herangezogen werden, wenn für die Maßnahme keine andere Bestimmung vorhanden ist (vgl. Schwindt/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 6. Aufl., § 4 Rdn. 20, 23); § 4 Abs. 2 Satz 2 StVollzG ist als Generalklausel subsidiär (vgl. Arloth, StVollzG 3. Aufl., § 4 Rdn. 5). Hinzu kommt, dass weitergehende Feststellungen für das Vorliegen der engen Voraussetzungen dieser Vorschrift, insbesondere eine schon gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung, nicht getroffen worden sind.

Dieser Fehler nötigt indes nicht zur Aufhebung der Entscheidung. Denn aus den Feststellungen zur Untersagung durch die Justizvollzu...

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