Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die datenschutzwidrige Weiterleitung des an die Anstaltsleitung gerichteten Schreibens eines Gefangenen zu anderen Vollzugsverfahren ist eine Maßnahme i.S.v. § 109 Abs. 1 StVollzG und begründet ein Feststellungsinteresse zumal dann, wenn sie diskriminierende Auswirkungen hat.

  • 2.

    Die Unterbringung eines Gefangenen nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG ist eine belastende Maßnahme und auch dann anfechtbar, wenn der Gefangene ihrer Fortdauer später zustimmt.

  • 3.

    Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 8 Abs. 1 u. 2, und 85 StVollzG.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 23.05.2006; Aktenzeichen 542 StVK 989/05 Vollz)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 23. Mai 2006 aufgehoben,

    • 1.

      soweit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf die Feststellung eines Verstoßes der Vollzugsbehörde gegen Datenschutzbestimmungen gerichtet ist und

    • 2.

      soweit die Strafvollstreckungskammer nicht über den Antrag entschieden hat festzustellen, daß die Unterbringung des Gefangenen nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG rechtswidrig gewesen sei.

      Insoweit wird die Sache an die Strafvollstreckungskammer - auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde in diesem Umfang - zurückverwiesen.

  • II.

    Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Gefangenen verworfen.

 

Gründe

A.

Der Gefangene verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Tegel in der Teilanstalt (TA) III eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten mit Anordnung anschließender Sicherungsverwahrung wegen Vergewaltigung eines dreizehn Jahre alten Mädchens, nachdem er zuvor aus der Sozialtherapeutischen Abteilung (SothA) aus in seiner Person liegenden Gründen herausverlegt worden war. Am 29. Mai 2005 berichtete er - unter namentlicher Bezeichnung anderer Gefangener - in einem ausdrücklich an die "AG Sicherheit und Drogen" dieser Anstalt adressierten Brief Näheres über den anstaltsinternen Drogenhandel. Nachdem jenes Schriftstück - auf unbekanntem Weg - von dortaus an diejenige Abteilung der Justizvollzugsanstalt Tegel gelangt war, welche für die Vollzugsbehörde die Stellungnahmen in gerichtlichen Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG verfaßt, verwandte ein dort tätiger Mitarbeiter es in (mindestens) einem Verfahren, das ein in jenem Schreiben genannter Gefangener gegen die Vollzugsbehörde führte. Da die Behörde es in unveränderter Form eingereicht hatte, erfuhren diese Gefangenen so davon, daß der Antragsteller sie und andere "angeschwärzt" hatte, woraufhin sich diese Information in der Anstalt (im angefochtenen Beschluß ausdrücklich genannt sind die TA II und III) rasch verbreitete. Der Antragsteller, der davon im August 2005 gehört hatte, wandte sich an die Vollzugsbehörde mit der Bitte um "Schutzmaßnahmen", weil er die Rache der Gefangenen aus der Abschirmstation für Drogendealer befürchtete. Als ihn Ende Oktober 2005 Gefangene in der TA III (wie im angefochtenen Beschluß näher beschrieben) bedrohten, wurde seine gemeinschaftliche Unterbringung vom 28. Oktober bis 3. November 2005 (und erneut vom 28. November bis 2. Dezember 2005) gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 3 StVollzG beschränkt. Zwischen diesen beiden Zeiträumen und seither befindet er sich in der TA III Tag und Nacht "freiwillig unter Verschluß", da er sich gegen eine Verlegung in die TA I und II ausgesprochen hatte, sich aber in der TA III nach wie vor bedroht fühlte. Bei der Vollzugsbehörde beantragte er zahlreiche Änderungen seiner Haftsituation. Unter anderem regte er folgende Verlegungen an: in das Krankenhaus des Maßregelvollzugs, IV. Abteilung für Forensische Psychiatrie in Buch (dort werden die Unterbringungen nach § 64 StGB vollzogen), die Sozialtherapeutische Anstalt oder eine andere Haftanstalt des geschlossenen Vollzugs innerhalb Berlins (genannt wurden zu verschiedenen Zeitpunkten die Justizvollzugsanstalten Charlottenburg und Plötzensee, Nebenanstalt Lehrter Straße). Zur Bedrohungssituation fügte er später hinzu, sein Schreiben sei sogar in der Gefangenenzeitschrift "lichtblick" veröffentlicht worden.

Die Justizvollzugsanstalt Tegel lehnte, zuletzt mit Bescheiden vom 22. Dezember 2005 und 6. Januar 2006, seine Begehren sämtlich ab. Er habe auf die Aushändigung des Ergebnisses der Vollzugsplankonferenz aufbrausend, rechthaberisch und uneinsichtig reagiert. Seine Behauptung, er werde zur TA-Leitung und zum Gruppenleiter nicht vorgelassen, sei falsch. Er inte-griere sich nicht in die Station, komme der Arbeitspflicht nicht nach, und es lasse sich keine aktuelle Bedrohungssituation feststellen. Unter Verschluß befinde er sich freiwillig. Deshalb könne die Anstalt an seiner Vollzugslage nichts ändern.

Der Gefangene hat - bei sinngemäßer Auslegung ( § 120 Abs. 1 StVollzG, § 300 StPO) - beantragt

  • 1.

    die Rechtswidrigkeit der Offenlegung seines Schreibens über den anstaltsinternen Drogenhandel festzustellen; denn die Offenlegung habe zur Gefährdung seiner Sicherheit geführt,

  • 2.

    festzustellen, daß die Vollzugsbehörde

    • a...

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