Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung in Betrieb, der Kurierfahrten durchführt

 

Normenkette

BetrVG §§ 101, 99 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 27.01.1989; Aktenzeichen 9 TaBV 59/88)

ArbG Köln (Beschluss vom 23.06.1988; Aktenzeichen 13 BV 72/88)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Januar 1989 – 9 TaBV 59/88 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen, das sich mit Geldtransporten, Kurierdiensten und Bewachungen befaßt. Die ca. 80 von ihm beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat gewählt, den Antragsteller im vorliegenden Verfahren.

Im Geschäftsbereich Kurierdienst transportiert der Arbeitgeber vornehmlich im Auftrag von Bankinstituten Belege und sonstige Unterlagen. Hier beschäftigt der Arbeitgeber 12 eigene Arbeitnehmer. Daneben werden 25 Mitarbeiter auf der Grundlage von Verträgen tätig, die der Arbeitgeber mit Subunternehmern geschlossen hat. Die Subunternehmer und die für sie tätigen Mitarbeiter decken neun Touren ab und erhalten dafür vom Arbeitgeber ein Honorar von 35.476,85 DM monatlich.

Nach § 1 Abs. 2 des Werkvertrages des Arbeitgebers mit den jeweiligen Subunternehmern werden Tourenpläne für den Ablauf der Transporte im Benehmen mit dem Unternehmer aufgestellt, die Vertragsbestandteil werden. § 4 Abs. 1 regelt, daß die Subunternehmer im selben Umfang haften wie der Arbeitgeber gegenüber seinen Auftraggebern. Nach § 4 Abs. 3 hat der Unternehmer „bei Beförderungs- oder Ablieferungshindernissen unverzüglich die Weisung von P einzuholen”.

Die Subunternehmer und deren Mitarbeiter führen die Fahrten nach den vorgegebenen Tourenplänen mit ihren Privatfahrzeugen durch, die mit Aufschriften des Arbeitgebers versehen sind. Die Subunternehmer führen Ausweise mit sich, die sie als Mitarbeiter des Arbeitgebers ausweisen. Sie haben von dem Arbeitgeber Schlüssel zu den Bankräumen erhalten, damit sie zum Abholen und Abliefern des Transportgutes außerhalb der Geschäftszeiten die angefahrenen Banken betreten können. Fällt jemand von ihnen aus, setzt der Arbeitgeber eigenes Personal ein. Fällt das Fahrzeug eines der Subunternehmer oder seiner Mitarbeiter aus, stellt der Arbeitgeber eigene Dienstfahrzeuge zur Verfügung.

In dem Einsatz dieser Subunternehmer und ihrer Mitarbeiter sieht der Betriebsrat eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S. von § 99 BetrVG. Die 25 Mitarbeiter seien in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers eingegliedert und seinen Weisungen unterworfen. Sie verrichteten dieselben Arbeiten wie die eigenen Arbeitnehmer des Arbeitgebers und dienten in gleicher Weise wie alle anderen Arbeitnehmer des Arbeitgebers dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs. Der Einsatz erfolge auf Grund genau festgelegter Tourenpläne, die auf die Minute genau alle Anfahrtspunkte festlegten und so die Arbeitszeit von 7.00 Uhr morgens bis 16.00 Uhr nachmittags einschließlich der Pausen genau regelten. Abweichend vom vorgelegten Vertragsmuster würden tatsächlich die Tourenpläne keineswegs gemeinsam mit den Beschäftigten aufgestellt. Sie basierten vielmehr vollständig auf Vorgabezeiten, die von den Banken festgelegt würden und die der Arbeitgeber lediglich weitergebe. Für den Fall, daß die vorgegebenen Zeiten nicht eingehalten würden, greife der Arbeitgeber auf Beschwerden der Auftraggeber ein und dränge auf Einhaltung der Zeiten, wie dies bei Arbeitnehmern üblich sei. Die Fahrten würden zwar mit Privat-PKWs durchgeführt; falls erforderlich, würden diese jedoch mit Funkgeräten ausgerüstet, die der Arbeitgeber stelle.

Da der Arbeitgeber bei der Beschäftigung der Subunternehmer und ihrer Mitarbeiter den Betriebsrat nicht beteiligte, hat dieser das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, die Beschäftigung der Mitarbeiter Petra Z, Robert R, Gustl V, Günter Alfred B, Hannelore F, Bernhard M, Angela D, Bert S, Paula L, Carolin B, Karlheinz K, Ulrich Ö, Helmut Z, Rainer K, Manuela B, Ralf Ferdinand S, Rolf H, Monika H, Paul V, Peter V, Peter B, Gisela B, Ulrike B, Thomas S und Karlheinz K zu unterlassen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beschäftigung der 25 Mitarbeiter erfolge im Rahmen eines mit den Subunternehmern abgeschlossenen Werkvertrages. Die 25 Mitarbeiter seien nicht in die betriebliche Organisation eingegliedert. Er könne auf ihren Einsatz keinerlei Einfluß ausüben oder Weisungen erteilen. Die Tourenpläne würden gemeinsam mit den jeweiligen Subunternehmern aufgestellt, im übrigen seien sie von den auftraggebenden Banken vorgegeben. Die Kennzeichnung der Privatfahrzeuge sowie das Tragen der Ausweise diene nur Sicherheitsgründen und dem Nachweis, daß die 25 Mitarbeiter letztlich im Auftrag des Arbeitgebers handelten. Die Fahrzeuge seien nicht mit Funkgeräten des Arbeitgebers bestückt. Dem Subunternehmer, dessen Fahrzeug ausfalle, werde gegen Entgelt ein eigenes Fahrzeug vermietet.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat könne nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Beschäftigung der im Antrag aufgeführten Personen verlangen, weil in dieser Beschäftigung eine Einstellung dieser Personen liege, die vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats vorgenommen worden sei. Die im Antrag genannten Mitarbeiter seien in gleicher Weise im Kurierdienst beschäftigt worden wie die eigenen zwölf Arbeitnehmer des Arbeitgebers. Bei dem Einsatz im Kurierdienst sei es nicht um unselbständige Hilfstätigkeiten gegangen, sondern um die Erfüllung des eigentlichen arbeitstechnischen Zwecks des Unternehmens des Arbeitgebers. Aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeit dieser Personen ergebe sich, daß sie in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert seien. Die Weisungsgebundenheit folge daraus, daß die zu verrichtende Tätigkeit sehr detailliert vorgegeben sei. Die Tourenpläne seien im einzelnen mit Zeitangaben im voraus festgelegt; es sei im Ergebnis unerheblich, ob der Arbeitgeber die Tour nach eigenem Gutdünken festlege oder nur Forderungen der auftraggebenden Banken weiterleite. Bei Störungen und Verzögerungen in den vorgegebenen Tourenplänen würden auf entsprechende Meldungen hin – sei es unmittelbar vom Arbeitgeber oder von den auftraggebenden Banken – über den Arbeitgeber konkrete Einzelweisungen gegeben, wie zu verfahren sei. Diesem Zweck diene auch die Verwendung von Funkgeräten zumindest in einem Teil der Fahrzeuge. Daß die im Antrag aufgeführten Personen in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert seien, um zusammen mit den übrigen zwölf im Kurierdienst beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen, werde ferner aus dem Umstand deutlich, daß die Privatfahrzeuge der Kuriere mit Aufklebern des Arbeitgebers versehen seien, daß im Fahrzeug ein Schild mitgeführt werden müsse, aus dem ersichtlich sei, daß der Betreffende im Auftrag des Arbeitgebers tätig sei und daß schließlich ein Ausweis getragen werden müsse, der die gleiche Funktion erfülle. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß im Bedarfsfall bei Ausfall entweder eines Fahrers oder eines Fahrzeugs der Subunternehmer Ersatz vom Arbeitgeber gestellt werde.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist der Senat weitgehend gefolgt.

Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beantragen, daß dem Arbeitgeber aufgegeben wird, eine personelle Maßnahme aufzuheben, die der Arbeitgeber ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt hat. Der Betriebsrat hat damit einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf „Aufhebung der Maßnahme”, d.h. auf Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustandes (Beschluß des Senats vom 22. März 1983, BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 für die Aufhebung einer Eingruppierung).

1. Der Anspruch des Betriebsrates auf Aufhebung einer Einstellung setzt voraus, daß eine Einstellung ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates erfolgt ist. Davon war vorliegend auszugehen.

Nach der Entscheidung des Senats vom 15. April 1986 (BAGE 51, 337 = AP Nr. 35 zu § 99 BetrVG 1972) liegt eine nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtige Einstellung dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an. An dieser Rechtsprechung hat der Senat in späteren Entscheidungen festgehalten (Beschluß vom 16. Dezember 1986 – 1 ABR 52/85 – AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 18. April 1989 – 1 ABR 97/87 – zur Veröffentlichung vorgesehen) und diese in dem Beschluß vom 1. August 1989 (– 1 ABR 54/88 – AP Nr. 68 zu § 99 BetrVG 1972) dahingehend präzisiert, daß maßgebend ist, ob die von diesen Personen zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine weisungsgebundene Tätigkeit ist, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes zu dienen bestimmt ist und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß. Darauf, ob und gegebenenfalls von wem diesen Personen tatsächlich Weisungen hinsichtlich dieser Tätigkeit gegeben werden, kommt es nicht an.

2. Die Tätigkeit der 25 im Kurierdienst eingesetzten Mitarbeiter der Subunternehmer ist eine solche weisungsgebundene Tätigkeit. Die Durchführung der Kurierdienste ist Aufgabe des Arbeitgebers, die dieser seinen Auftraggebern gegenüber zu erbringen verpflichtet ist. Die beim Kurierdienst zu erbringenden Arbeiten muß der Arbeitgeber organisieren, für deren ordnungsgemäße Erbringung ist er verantwortlich. Die Arbeiten der 25 im Kurierdienst tätigen Mitarbeiter der Subunternehmer sind damit ebenfalls weisungsgebundene Tätigkeiten, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs des Arbeitgebers dienen. Daß der Arbeitgeber sich zur Ausführung dieser Arbeiten der Mitarbeiter von Subunternehmen bedient, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Arbeitgeber läßt Dienstleistungen, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks seines Betriebs dienen, lediglich durch die Mitarbeiter von Subunternehmen durchführen.

Die Durchführung der Kurierdienste ist nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt arbeitstechnischer Zweck des Betriebes des Arbeitgebers. Diese Feststellung ist von der Rechtsbeschwerde nicht mit zulässigen Rügen angegriffen worden. Der neue Vortrag des Arbeitgebers in der Rechtsbeschwerdeinstanz, der Kurierdienst stelle gegenüber der Unternehmensüberwachung und den Geldtransporten eine untergeordnete Nebentätigkeit dar, die nicht unmittelbar mit der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs verknüpft sei, hat nicht mehr berücksichtigt werden können. Im übrigen würde eine andere Wertung voraussetzen, daß es sich bei den zu verrichtenden Diensten um absonderbare Nebentätigkeiten handelte, die geeignet sind, auf Fremdfirmen und deren Arbeitnehmer übertragen zu werden (vgl. für die Überwachungstätigkeit, wenn diese unabhängig vom eigentlichen arbeitstechnischen Zweck des Unternehmens durchgeführt wird, Beschluß des Senats vom 28. November 1989 – 1 ABR 90/88 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die 25 Mitarbeiter der Subunternehmen werden im vorliegenden Fall aber gerade beschäftigt, um den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes, soweit es sich um Kurierfahrten handelt, zusammen mit den anderen 12 dort beschäftigten Arbeitnehmern zu verwirklichen.

3. Muß der Arbeitgeber die zur Verwirklichung seines Betriebszwecks erforderlichen Arbeiten organisieren und gehört die Tätigkeit der 25 Mitarbeiter der Subunternehmen zu diesen Arbeiten, so ist es gleichgültig, ob die dafür erforderliche Weisungen des Arbeitgebers unmittelbar von Mitarbeitern des Arbeitgebers an die 25 Personen ergehen oder ob solche notwendigen Weisungen des Arbeitgebers über die Subunternehmen gehen. Auf die mit der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen, die sich im wesentlichen darauf beziehen, ob und gegebenenfalls von wem diesen Personen Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit gegeben werden, kommt es deshalb nicht an. Entscheidend ist, daß die 25 Personen beschäftigt werden, um den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes des Arbeitgebers mit den anderen dort beschäftigten Arbeitnehmern durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Daß sie mit den anderen im Kurierdienst beschäftigten Arbeitnehmern zusammenarbeiten müssen und das auch tun, hat das Landesarbeitsgericht festgestellt. Danach stellt im Bedarfsfall bei Ausfall entweder eines Fahrers oder eines Fahrzeugs der Subunternehmer der Arbeitgeber entsprechenden Ersatz. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht ein über diesen Vertretungsrahmen hinausgehendes Kriterium der erforderlichen Zusammenarbeit nicht für erforderlich gehalten, weil aufgrund der Art der Tätigkeit – Kurierfahrt durch Einzelpersonen – eine weitergehende Zusammenarbeit auch bei den als Kurieren eingesetzten 12 Arbeitnehmern des Arbeitgebers nicht stattfindet.

Damit liegt in der Beschäftigung der 25 Mitarbeiter der Subunternehmen im Kurierdienst eine Einstellung, die nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf. Da es der Arbeitgeber unterlassen hat, die erforderliche Zustimmung einzuholen, ist er verpflichtet, die Beschäftigung der 25 Personen aufzuheben.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Schneider, Spiegelhalter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969655

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