Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff der Einstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtige Einstellung liegt schon dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen (Beschluß des Senats vom 15. April 1986 - 1 ABR 44/84 = BAGE 51, 337 = AP Nr 35 zu § 99 BetrVG 1972). Maßgebend ist, ob die von diesen Personen zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine weisungsgebundene Tätigkeit ist, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes zu dienen bestimmt ist und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß. Darauf, ob und gegebenenfalls von wem diesen Personen tatsächlich Weisungen hinsichtlich dieser Tätigkeit gegeben werden, kommt es nicht an.

2. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat die Aufhebung einer Einstellung auch dann verlangen, wenn die Einstellung aufgrund einer tariflichen Regelung der vollen Mitbestimmung des Betriebsrats - und nicht nur der Zustimmung nach § 99 BetrVG - unterlag und dieses Mitbestimmungsrecht nicht beachtet worden ist.

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 04.11.1987; Aktenzeichen 4 TaBV 5/87)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.05.1987; Aktenzeichen 8 BV 3/87)

 

Gründe

A. Der Arbeitgeber (im folgenden nur HHLA genannt) betreibt im Hamburger Hafen, B, einen Lager- und Umschlagbetrieb. Die dort beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat gewählt, den Antragsteller im vorliegenden Verfahren. Für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gilt noch ein zwischen der HHLA und der ÖTV abgeschlossener "Vertrag zur Betriebsverfassung" vom 9. Juli 1970, in dem es u.a. heißt:

§ 1 Gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebs-

rates

Der Betriebsrat hat in folgenden Angelegen-

heiten ... gleichberechtigt mitzubestimmen:

1. Einstellungen einschließlich Auswahl der

Bewerber;

...

§ 3 Einigungsstelle

Bei Nichteinigung über mitbestimmungspflich-

tige Angelegenheiten entscheidet die Eini-

gungsstelle mit einfacher Stimmenmehrheit un-

ter Ausschluß des Rechtsweges. ...

Aufgabe der HHLA als sogenannter "Kaibetrieb" beim Be- und Entladen von Schiffen mit Containern ist es, die auf dem Kai vor Lagerhallen abgestellten Container mit aus den Lagerhallen herangeschafften Gütern zu beladen bzw. diese Container zu entladen und die Güter in den Lagerhallen auf vorherbestimmten Plätzen abzustellen. Das Be- und Entladen eines bestimmten Containers obliegt dabei einer sogenannten "Packgang", die aus drei bis vier Arbeitnehmern besteht oder jedenfalls früher bestand. Beim Packen von Containern kommt es insbesondere darauf an, daß die Waren in den Containern in einer bestimmten Reihenfolge und darüber hinaus so gepackt werden, daß sich die Ladung während des Seetransportes nicht verschiebt und der Schwerpunkt des Containers möglichst tief liegt. Beim Be- und Entladen der Container fallen sogenannte "Ladungskontrollaufgaben" an. Die Güter müssen auf Anzahl, Güte, Beschädigungen kontrolliert und für die Frachtberechnung vermessen werden. Diese Ladungskontrollaufgaben werden traditionsgemäß im Hamburger Hafen von sogenannten "Tallyfirmen" wahrgenommen, die für den Einzelfall "Tallymänner" einsetzen, die bei ihnen beschäftigte Arbeitnehmer sind. Den Tallymännern obliegt auch die Bestimmung, welche Güter in welchen Container gepackt werden.

Der größte Reedereiverbund am Containerterminal B ist ein aus fünf Reedereien bestehendes T-Konsortium. Die größte dieser Reedereien ist die H. Das T-Konsortium hat die HHLA beauftragt, die im Zuge des Be- und Entladens von Containern anfallenden Ladungskontrollfunktionen selbst wahrzunehmen. Dabei ist die HHLA gehalten, die Firma L, ein Tochterunternehmen der H, soweit wie möglich mit den noch verbleibenden Kontrollfunktionen zu beauftragen.

In Ausführung dieser Vereinbarungen werden beim Be- und Entladen von Containern die Ladungskontrollfunktionen von einem Tallymann der Firma L wahrgenommen. Dieser Tallymann hat daneben jedoch die Aufgabe, mit einem Gabelstapler der HHLA die in Hallen gelagerten Waren vor die zu beladenden Container zu fahren und dort abzustellen, damit sie dann von der Packgang in den Container gepackt werden. Die entsprechenden Papiere, aus denen Art, Gewicht usw. der zu ladenden Güter ersichtlich sind, werden dem Führer der Packgang von dem Tallymann übergeben. In Einzelfällen fährt der Tallymann die zu packenden Güter unmittelbar in den Container hinein und setzt sie dort ab. Wiederum in Einzelfällen helfen die Arbeitnehmer der Packgang dem Tallymann beim Aufnehmen der Güter auf den Gabelstapler.

Beim Entladen der Container bestimmt der Tallymann, welche Container wegen der Eilbedürftigkeit der Güter zuerst entladen werden. Er kontrolliert darüber hinaus die ausgepackten Güter anläßlich der Lagerung in der Halle, wobei unter den Beteiligten streitig ist, inwieweit er dabei dem Gabelstaplerfahrer der HHLA Weisungen hinsichtlich der Lagerstelle und des Lagerns der Güter gibt.

In der Übertragung der Aufgabe, mit einem Gabelstapler Waren aus der Halle vor die Container zu fahren, sieht der Betriebsrat eine Eingliederung der Tallymänner in den Betrieb der HHLA und damit eine mitbestimmungspflichtige Einstellung. Der Tallymann sei bei der Ausführung dieser Arbeiten den Weisungen der Hallenaufsicht unterworfen und gebe seinerseits der Packgang Anweisungen hinsichtlich des Beladens eines Containers. Er verrichte damit weisungsgebundene Arbeiten, so wie früher der Gabelstaplerfahrer der HHLA weisungsgebundene Arbeiten verrichtet habe.

Da die HHLA bei der Beschäftigung der Tallymänner Beteiligungsrechte des Betriebsrates nicht beachtet hat, hat dieser das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt,

der HHLA aufzugeben, die personelle Maß-

nahme "Beschäftigung der Ladungskontrol-

leure der Firma L " mit folgenden

Arbeiten für die HHLA

Transport von Waren mittels Gabelstapler,

Weisungen an Mitarbeiter der HHLA,

Kontrolle von einzulagernden Waren für

die HHLA auf Vollständigkeit und Richtig-

keit

aufzuheben.

Die HHLA hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Beschäftigung der Tallymänner der Firma L erfolge im Rahmen eines mit dieser Firma abgeschlossenen Werkvertrages. Die Tallymänner verrichteten ihre Aufgabe selbständig und seien an Weisungen der Lageraufsicht der HHLA nicht gebunden und ihrerseits nicht berechtigt, Arbeitnehmern der HHLA Weisungen zu erteilen. Sie seien nicht in die betriebliche Organisation eingegliedert.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrates teilweise stattgegeben und der HHLA aufgegeben, die Beschäftigung der Ladungskontrolleure der Firma L mit dem Transport von Waren mittels Gabelstapler aufzuheben. Den weitergehenden Antrag hat es abgewiesen. Die Beschwerde der HHLA gegen diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht - nach Durchführung einer Beweisaufnahme - zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die HHLA ihren Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde der HHLA ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Betriebsrat die Aufhebung der Beschäftigung der Tallymänner mit dem Transport von Waren mittels Gabelstapler verlangen kann.

I. Gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen keine Bedenken. Der Betriebsrat begehrt die Verpflichtung der HHLA zur Vornahme einer Handlung, die Beschäftigung aller Tallymänner mit dem Transport von Waren mittels Gabelstapler aufzuheben. Dieser Antrag ist bestimmt genug, er bedarf jedoch der Konkretisierung.

1. Der Betriebsrat hat seinen Aufhebungsantrag auf § 101 BetrVG gestützt, unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht das Begehren des Betriebsrats gewürdigt.

§ 101 BetrVG bezieht sich ebenso wie die §§ 99 und 100 BetrVG auf eine konkrete personelle Einzelmaßnahme. Zu entscheiden ist jeweils, ob die konkrete personelle Einzelmaßnahme der Zustimmung des Betriebsrates bedarf, ob der Betriebsrat die Zustimmung zu Recht verweigert hat, ob sie vom Arbeitgeber vorläufig durchgeführt werden durfte und ob sie ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt worden ist. Auf eine solche konkrete personelle Einzelmaßnahme bezieht sich der Antrag des Betriebsrates nicht. Gegenstand des Antrages ist vielmehr die Aufhebung einer Vielzahl von gleichgelagerten personellen Einzelmaßnahmen, nämlich der Beschäftigung aller Tallymänner der Firma L mit dem Transport von Waren mit Gabelstaplern.

Das steht jedoch einer Anwendung von § 101 BetrVG nicht entgegen. Es macht keinen Unterschied, ob der Betriebsrat die Aufhebung einer Vielzahl gleichgelagerter personeller Einzelmaßnahmen unter Angabe der jeweils betroffenen Person verlangt oder die beanstandeten Einzelmaßnahmen generell, aber bestimmt umschreibt und deren Aufhebung verlangt. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß ein solcher genereller Antrag des Betriebsrates schon dann abgewiesen werden muß, wenn etwa hinsichtlich einzelner Tallymänner nicht auszuschließen wäre, daß deren Beschäftigung nicht der Zustimmung des Betriebsrates bedurft hätte.

2. Der auf § 101 BetrVG gestützte Antrag des Betriebsrats dient allein der Beseitigung eines bereits eingetretenen betriebsverfassungswidrigen Zustandes. Er ist nicht darauf gerichtet, die künftige Beachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zu sichern (Beschluß des Senats vom 17. März 1987 - 1 ABR 65/85 - AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972). Wird daher - wie hier - die Aufhebung der Einstellung einer Vielzahl bestimmter Personen verlangt, so kann einem solchen Antrag nur stattgegeben werden, wenn hinsichtlich aller dieser Personen ein betriebsverfassungswidriger Zustand vorliegt. Die darauf bezogene gerichtliche Prüfung kann sich nur auf diejenigen Personen beziehen, die jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht bereits eingestellt waren. Eine stattgebende Entscheidung des Gerichts kann sich nur auf diese bereits vorgenommene Einstellung beziehen. Der Senat hat daher den Antrag des Betriebsrats dahin verstanden, daß der HHLA nur die Aufhebung der Beschäftigung der am 4. November 1987 bereits "eingestellten" Tallymänner aufgegeben werden soll. Er hat den Tenor der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zur Klarstellung entsprechend neu gefaßt.

II. Hinsichtlich der am 4. November 1987 beschäftigten Tallymänner ist der Antrag des Betriebsrats begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß der Betriebsrat nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Beschäftigung der Tallymänner als Gabelstaplerfahrer verlangen könne, weil in dieser Beschäftigung eine Einstellung der Tallymänner liege, die von der HHLA ohne Zustimmung des Betriebsrates vorgenommen worden sei. Die Tallymänner seien mit ihrem Einverständnis in den Betrieb der HHLA eingegliedert. Es komme nicht darauf an, daß die Tallymänner regelmäßig keine Weisungen durch die HHLA erhielten. Das habe seinen Grund allein darin, daß die Tallymänner aus langjähriger Vertrautheit mit den Arbeiten auch ohne Weisungen wüßten, was sie zu tun hätten, um reibungslos und störungsfrei mit den Packgangs zusammenzuarbeiten. Dem ist im Ergebnis zu folgen.

2. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beantragen, daß dem Arbeitgeber aufgegeben wird, eine personelle Maßnahme aufzuheben, die der Arbeitgeber ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt hat. Der Betriebsrat hat damit einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf "Aufhebung der Maßnahme", d. h. auf Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustandes (Beschluß des Senats vom 22. März 1983 - 1 ABR 49/81 - BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 für die Aufhebung einer Eingruppierung).

a) Der Anspruch des Betriebsrates auf Aufhebung einer Einstellung setzt voraus, daß die Einstellung ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrates erfolgt ist. Das ist auch vorliegend der Fall.

Wenn es in dem "Vertrag zur Betriebsverfassung" zwischen der HHLA und der ÖTV heißt, daß der Betriebsrat bei Einstellungen gleichberechtigt mitzubestimmen hat und daß im Nichteinigungsfalle die Einigungsstelle entscheidet, so steht das der Begründung des Aufhebungsanspruches aus § 101 BetrVG nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Vertrag heute noch wirksam ist. Er schließt jedenfalls, da er selbst keine eigenständige Sanktionsregelung enthält, Ansprüche des Betriebsrates aus dem späteren Betriebsverfassungsgesetz, die im Falle einer Verletzung von Beteiligungsrechten gegeben sind, nicht aus. Der Vertrag erweitert lediglich das Beteiligungsrecht des Betriebsrates bei Einstellungen, indem er dem Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht gewährt, während § 99 BetrVG die Einstellung lediglich an eine Zustimmung des Betriebsrates bindet, die nur aus bestimmten, in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigert werden kann. Dient § 101 BetrVG der Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustandes, so muß diese Vorschrift auch dann Anwendung finden, wenn der betriebsverfassungswidrige Zustand darin besteht, daß eine Einstellung ohne gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebsrates vom Arbeitgeber vorgenommen worden ist.

Erst recht kommt § 101 BetrVG zur Anwendung, wenn der Vertrag zwischen der HHLA und der ÖTV nicht mehr maßgebend sein sollte. Die Beschäftigung der Tallymänner mit dem Transport von Waren hätte dann, wenn diese Beschäftigung als Einstellung zu werten ist, der Zustimmung des Betriebsrates bedurft, so daß § 101 BetrVG unmittelbar zur Anwendung kommt.

b) Nach der Entscheidung des Senats vom 15. April 1986 (- 1 ABR 44/84 - BAGE 51, 337 = AP Nr. 35 zu § 99 BetrVG 1972), von der auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, liegt eine nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtige Einstellung dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Darüber, ob die Tallymänner der Firma L bei dem Transport von Waren aus der Halle zu den Containern mit einem Gabelstapler Weisungen der HHLA bzw. deren Lageraufsicht unterliegen, streiten die Beteiligten. Während die HHLA geltend macht, daß die Tallymänner aufgrund eines Werkvertrages mit der Firma L tätig würden und allein den Weisungen dieser Firma unterliegen, die HHLA auch aufgrund des Werkvertrages nicht berechtigt sei, den Tallymännern Weisungen zu erteilen, behauptet der Betriebsrat, daß die Lageraufsicht den Tallymännern Weisungen erteilen könne und gelegentlich auch erteile und daß die Tallymänner selbst wiederum der Packgang Weisungen erteilten. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, daß tatsächlich den Tallymännern Weisungen nicht erteilt würden, dies aber allein darauf beruhe, daß es solcher Weisungen nicht bedarf, weil diese von selbst wüßten, welche Arbeiten sie wie zu verrichten hätten.

c) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß es in der Tat nicht darauf ankommen kann, ob den betreffenden Personen tatsächlich Weisungen erteilt werden, sie also unmittelbar dem Direktionsrecht des Arbeitgebers als Betriebsinhaber unterstellt sind. Entscheidend ist, wie der Senat in der genannten Entscheidung ausgesprochen hat, daß sie zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch eine Tätigkeit verwirklichen, die der Senat als "weisungsgebundene Tätigkeit" umschrieben hat. Eine solche weisungsgebundene Tätigkeit liegt aber nicht nur dann vor, wenn tatsächlich zur Ausführung dieser Tätigkeit Weisungen erteilt werden und erteilt werden müssen. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist vielmehr schon dann anzunehmen, wenn deren Organisation dem Arbeitgeber obliegt und wenn diese Tätigkeit der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes dient. Auch die Tätigkeit eines leitenden Angestellten ist eine weisungsgebundene Tätigkeit, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes eines Betriebes erforderlich ist, auch wenn gerade dem leitenden Angestellten hinsichtlich dieser Tätigkeit keine Weisungen erteilt werden, ja vielfach nicht erteilt werden können.

Die Tätigkeit der Tallymänner ist eine solche weisungsgebundene Tätigkeit. Die auf Betreiben des T-Konsortiums und der H vorgenommene Neuverteilung der Aufgaben beim Be- und Entladen von Containern hat die frühere Aufgabenteilung zwischen dem Kaibetrieb und den Tallyfirmen aufgegeben und dazu geführt, daß die Ladungskontrollfunktionen der Tallyfirmen nunmehr vom Kaibetrieb, der HHLA selbst, wahrgenommen werden. Daß die HHLA dabei nach wie vor Tallymänner der Firma L einsetzt, beruht allein darauf, daß ihr dies die H zugunsten ihrer Tochterfirma, der Firma L, zur Auflage gemacht hat.

Damit sind aber die Ladungskontrollfunktionen Aufgaben der HHLA geworden, die diese ihren Auftraggebern gegenüber zu erbringen verpflichtet ist. Arbeitstechnischer Zweck des Betriebes der HHLA ist daher nicht mehr nur das Be- und Entladen der Container und die Lagerung der Ware, sondern auch die Erbringung der Ladungskontrollaufgaben im Zusammenhang mit diesem Geschäft. Diese Arbeiten muß die HHLA organisieren, für deren ordnungsgemäße Erbringung ist sie verantwortlich. Die Arbeiten der Tallymänner, die Ladungskontrolle, ist damit ebenfalls eine weisungsgebundene Tätigkeit, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes der HHLA dient.

Daß die HHLA sich zur Ausführung dieser Arbeiten der Tallymänner der Firma L bedient, ändert an dieser Beurteilung nichts. Damit kauft die HHLA nicht irgendein Werk oder eine Dienstleistung der Firma L für sich ein, sondern läßt Dienstleistungen, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes ihres Betriebes dienen, lediglich durch die Tallymänner der Firma L ausführen.

d) Daß es auch dabei um die Verwirklichung des arbeitstechnischen Zweckes des Betriebes der HHLA geht, wird zusätzlich dadurch deutlich, daß die eingesetzten Tallymänner der Firma L dabei auch Arbeiten verrichten, die unmittelbar den früher schon gegebenen arbeitstechnischen Zweck des Betriebes der HHLA zu verwirklichen bestimmt sind, nämlich dem Be- und Entladen von Containern mit Waren. Die Tallymänner werden mit dem Transport der Waren aus der Halle zu den Containern, gelegentlich sogar beim Beladen der Container selbst und möglicherweise auch beim Abstellen der entladenen Waren in den Hallen beschäftigt. Gerade darin kommt jedenfalls ein Teil der Rationalisierungsbemühungen zum Ausdruck, daß die Tallymänner, die mit der Wahrnehmung der Ladungskontrollfunktionen zeitlich offenbar nicht voll beschäftigt waren, mit weiteren Arbeiten beschäftigt werden.

e) Unerheblich ist bei dieser Gestaltung der Arbeitsabläufe, ob durch den Vertrag zwischen der HHLA und der Firma L geregelt wird, daß die Tallymänner Anweisungen für ihre Arbeit ausschließlich von der Firma L erhalten. Muß die HHLA die zur Verwirklichung ihres Betriebszweckes erforderlichen Arbeiten organisieren und gehört die Tätigkeit der Tallymänner zu diesen Arbeiten, so ist es gleichgültig, ob dafür erforderliche Weisungen der HHLA unmittelbar von deren Mitarbeitern, der Lageraufsicht, an die Tallymänner ergehen, ob solche notwendigen Weisungen über die Firma L gehen oder ob solche Anweisungen praktisch überhaupt nicht erforderlich sind. Entscheidend ist, daß - wie dargelegt - die Tallymänner beschäftigt werden, um den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes der HHLA zusammen mit den anderen dort beschäftigten Arbeitnehmern zu verwirklichen. Daß sie mit diesen Arbeitnehmern eng zusammenarbeiten müssen und das auch tun, hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt.

Damit liegt in der Beschäftigung der Tallymänner der Firma L durch die HHLA und damit auch in der Beschäftigung mit dem Transport von Waren zu den Containern eine Einstellung, die entweder nach dem Vertrag zwischen der HHLA und der ÖTV oder nach § 99 BetrVG der Einigung mit dem Betriebsrat oder dessen Zustimmung bedürfte. Da es daran fehlt, ist die HHLA verpflichtet, die Beschäftigung der Tallymänner mit dem Transport von Waren zu den Containern mit Gabelstaplern - mehr hat der Betriebsrat nicht beantragt - aufzuheben.

Die Rechtsbeschwerde der HHLA ist damit unbegründet.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Heisler H. Paschen

 

Fundstellen

Haufe-Index 436960

BAGE 62, 271-280 (LT1-2)

BAGE, 271

BB 1990, 419

BB 1990, 419-421 (LT1-2)

DB 1990, 483 (L1-2)

AiB 1990, 200-202 (ST1-2)

BetrVG, (6) (LT1-2)

Gewerkschafter 1990, Nr 1, 38-39 (ST1)

NZA 1990, 229-231 (LT1-2)

RdA 1989, 383

SAE 1990, 356-359 (LT1-2)

AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 68

AR-Blattei, ES 640 Nr 15 (LT1-2)

AR-Blattei, Einstellung Entsch 15 (LT1-2)

EzAÜG, Nr 353 (LT1-2)

EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 75 (LT1-2)

JuS 1990, 677-678 (LT)

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