Rz. 52

A-6.4 Satz 2 AVB D&O enthält eine sog. Kostenanrechnungsklausel. Diese bestimmt, dass Leistungen auch im Bereich der Kosten maximal bis zur Höhe der Versicherungssumme erbracht werden bzw. "Aufwendungen des Versicherers für Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Abwehr der gegenüber einer versicherten Person von einem Dritten und/oder dem Versicherungsnehmer bzw. einer Tochtergesellschaft geltend gemachten Ansprüche (insbesondere Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten) auf die Versicherungssumme angerechnet (werden)." Dadurch besteht die Gefahr, dass durch kostenintensive Prozesse Aufwendungen entstehen, die die Versicherungssumme aufbrauchen und am Ende keine Kapazität mehr für die Freistellung von der Schadensersatzverpflichtung zur Verfügung steht. Man spricht hier davon, dass die Versicherungssumme durch die Abwehrkosten "verbrannt" wird.

 

Rz. 53

Die Kostenanrechnungsklausel weicht von der dispositiven Vorschrift des § 101 Abs. 2 Satz 1 VVG ab, dort heißt es unter der Überschrift "Kosten des Rechtsschutzes", dass die Versicherung auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten umfasst, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, soweit die Aufwendung der Kosten den Umständen nach geboten ist. Die Versicherung umfasst danach ferner die auf Weisung des Versicherers aufgewendeten Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnte. Der Versicherer hat die Kosten auf Verlangen des Versicherungsnehmers vorzuschießen. Unter Absatz 2 des § 101 VVG heißt es sodann:

 

Rz. 54

"Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen."

 

Rz. 55

Aufgrund der Abweichung der Kostenanrechnungsklausel vom dispositiven Gesetzestext stellt sich die Frage nach der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Kostenanrechnungsklausel. Eine BGH-Entscheidung dazu liegt noch nicht vor. Es wird vertreten, dass solche Anrechnungsklauseln unwirksam sein können.[1] Diese Ansicht ist vorzugswürdig. Begründet wird die Unwirksamkeit damit, dass die Kostenanrechnungsklausel unangemessen benachteiligend ist, da sie dem Leitbild des Gesetzes widersprechen oder ggf. intransparent sind.[2] Kostenanrechnungsklauseln sind durchaus bedenklich. Sie schaffen Fehlanreize für den Versicherer. Sie geben diesem einen Anreiz, sich auch dann in die Abwehrdeckung zu begeben, wenn die Erfolgsaussichten gering sind. Der Versicherer muss ohnehin "nur" damit rechnen, im Unterliegensfall bei entsprechender Haftung maximal die volle Versicherungssumme zahlen zu müssen, ohne dass wegen der Anrechnungsklausel die Kosten der Abwehr hinzukommen. Dann wird der Versicherer auch bei geringen Chancen den Weg der Abwehr wählen. Auch weicht die Kostenanrechnungsklausel von dem Grundsatz ab, dass Rettungskosten, die auf Weisung des Versicherers veranlasst werden vom Versicherer auch dann erstattet werden, wenn sie die Versicherungssumme übersteigen (siehe § 83 Abs. 3 VVG). Der Versicherer bestimmt aufgrund seines Prozessführungsrechts die Abwehr und damit auch welche Kosten ausgelöst werden. Da die Übernahme der Abwehrkosten Gegenstand der Hauptleistungspflicht des Versicherers ist, soll § 83 Abs. 3 VVG nicht anwendbar sein,[3] der bestimmt, dass Aufwendungen des Versicherungsnehmers, die er gemäß den Weisungen des Versicherers macht, auch insoweit zu erstatten sind, als sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen. Gleichwohl wird mit der Vereinbarung einer Kostenanrechnungsklausel von dem Grundgedanken abgewichen, dass Kosten die auf Weisung des Versicherers entstehen, auch jenseits der Versicherungssumme erstattet werden sollen.

 

Rz. 56

Wird die Klage dann - trotz hoher Erfolgsaussichten - abgewiesen, steht dem Versicherer im Verhältnis zum Versicherten, soweit er die Kosten getragen hat, der Kostenerstattungsanspruch zu. Außerdem kann sich eine Abwehr – trotz geringer materieller Erfolgsaussichten - auch deshalb lohnen, weil sich die Gegenseite, bei der Innenhaftung ist dies die Gesellschaft, bei der Außenhaftung der Dritte - wegen des eigenen Kostenrisikos auf einen für sie ungünstigen Vergleich einlässt. Dieses Interesse des Versicherers muss aber nicht zwingend mit dem Interesse der Versicherten korrespondieren. Auch diese sind primär daran interessiert, dass der Haftungsanspruch abgewehrt wird, bei nur geringen Erfolgschancen geht ihr Interesse aber eher dahin, dass am Ende die Versicherungssumme zur Befriedigung auch ausreicht. Der Versicherte ist daher typischerweise an einem Haftungsvergleich in einer Größenordnung interessiert, für den die Deckungssumme ausreic...

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