Leitsatz

Eine den Feuerversicherer zum Zahlungsaufschub berechtigende polizeiliche oder strafrechtliche Untersuchung gegen den VN aus Anlass des Schadens kann auch dann schon eingeleitet sein, wenn das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft aktenmäßig noch gegen Unbekannt geführt wird.

 

Normenkette

§ 11 Abs. 1 VVG, § 17 Nr. 2 b AFB, § 15 Nr. 3 b FBUB

 

Sachverhalt

Der Kl. verlangte von der Bekl. Schadenersatz wegen Zahlungsverzugs, weil sie vor der endgültigen Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ihre Zahlung für den entstandenen Feuer- und Feuer-BU-Schaden zurückgehalten und auch keine Abschlagszahlung geleistet hat.

Das OLG hat die Klage abgewiesen.

 

Entscheidung

Dem Kl. stehen - so das OLG - unter Verzugsgesichtspunkten keine Ansprüche auf Schadenersatz zu. Die Bekl. habe bis zur endgültigen Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ihre Zahlungen zurückhalten dürfen. Vorher seien an den Kl. aus der Feuerversicherung und aus der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung keine Zahlungen, auch keine Abschlagsleistungen, zu erbringen gewesen. Derartige Ansprüche seien schon nicht fällig gewesen. Die endgültige Entschädigung sei grundsätzlich erst fällig, wenn der Versicherer die notwendigen Ermittlungen abgeschlossen hat (§ 11 Abs. 1 VVG). Bei den hier vorliegenden Versicherungen sei die Bekl. zudem nach den vereinbarten §§ 17 Nr. 2 b AFB, 15 Abs. 3 b FBUB berechtigt gewesen, - weil eine "polizeiliche" Untersuchung aus Anlass des Schadens gegen den Kl. eingeleitet worden war - bis zur Erledigung dieser Untersuchung Zahlungen aufzuschieben. Dieses Recht hindere die Fälligkeit der Ansprüche. Es habe der Bekl. auch hinsichtlich des Verlangens nach Abschlagszahlungen zugestanden. Denn ein "nach Lage der Sache" sich ergebender Mindestschaden sei nur und erst dann zu erstatten, wenn die Eintrittspflicht dem Grunde nach feststeht.

Ein den Voraussetzungen der §§ 17 Nr. 2 b AFB und 15 Abs. 3 b FBUBgenügendes Ermittlungsverfahren sei (schon) seit dem Brand gegen den Kl. geführt worden. Es spiele keine entscheidende Rolle, dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft aktenmäßig zunächst als Ujs-Sache ("Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt") und erst seit dem 26.05.1994 als Js-Sache wegen Brandstiftung und Versicherungsbetrugs gegen den Kl. geführt worden ist. Maßgebend für das Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers könne nicht allein die aus Gründen der Rechtssicherheit einfachere, weil formale Betrachtungsweise sein, ob ein Ermittlungsverfahren ausdrücklich gegen einen namentlich bezeichneten und dem gemäß in das Register eingetragenen Beschuldigten geführt wird.

Im Hinblick auf das regelmäßige Tätigwerden der Kriminalpolizei nach einem Brand könne aber auch die Anhängigkeit irgendeines Ermittlungsverfahrens nicht ausreichend sein, um einen Zahlungsaufschub zu rechtfertigen. Entscheidend sei deshalb, ob das Ermittlungsverfahren sachlich - auch - gegen den VN oder Personen geführt wird, für deren Verhalten er einzustehen habe. Es komme darauf an, wann bei den Ermittlungsbehörden zum ersten Mal ein Verdacht gegen den VN aufkam und wegen dieses Verdachts ermittelt worden sei.

Bereits die Ermittlungen der Kriminalpolizei hätten sich nicht nur beiläufig, sondern gezielt gegen den Kl. gerichtet, wenn auch daneben weitere Spuren verfolgt worden seien. Ein ausreichender Verdacht habe gegen den Kl. bereits nach dem Brand bestanden. Schon die ersten Erkenntnisse der ermittelnden Kriminalpolizei hätten dazu gedrängt, über das in Brandfällen "übliche Maß" hinaus Ermittlungen gegen den Kl. und VN zu führen. Es sei deutlich gewesen, dass das Hotelgebäude vorsätzlich in Brand gesetzt worden war. Bei der Brandortbesichtigung am 24.12.1993 seien im Innenbereich des Hotels sieben verschmolzene und ein weiterer, teilweise noch gefüllter 5-l-Kraftstoffbehälter gefunden worden. Das Zündmittel sei in sämtlichen Fluren im Erdgeschoss, im Treppenhaus und in den Fluren der ersten, zweiten und dritten Etage verschüttet worden. Der Hotelbereich sei infolgedessen weitgehend ausgebrannt gewesen.

Eine solche Vorgehensweise habe nur den Schluss zugelassen, dass es dem Täter nur und allein darauf angekommen sei, das Hotelgebäude weitgehend zu zerstören. (Die Verdachtsmomente gegen den Kl. legt das OLG im einzelnen dar.) Der Bekl. habe mithin bereits ab Januar 1994 ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne der Versicherungsbedingungen zugestanden mit der Folge, dass Ansprüche auf Abschlagszahlung nicht fällig gewesen seien und die Bekl. mit ihrer Zahlungsverweigerung nicht in Verzug habe kommen können. Dass die Ermittlungen insgesamt letztlich erfolglos gewesen seien, stehe dem nicht entgegen …

 

Link zur Entscheidung

OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 15.10.1997, 2 U 171/97

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