Rz. 66

Der Arbeitnehmer ist nach § 12 Abs. 3 TzBfG zur Arbeit nur dann verpflichtet, wenn die ordnungsgemäße Mitteilung ihm 4 Kalendertage vorher zugeht. Die Frist beginnt mit Zugang der Mitteilung, nicht mit der beispielsweise bei einem Brief möglicherweise späteren tatsächlichen Kenntnisnahme. Eine Verkürzung der Frist ist weder einzelvertraglich noch durch Betriebsvereinbarung möglich.[1]

 

Rz. 67

Die Fristberechnung erfolgt nach den §§ 186 ff. BGB, wobei Samstage, Sonn- und Feiertage als Kalendertage grundsätzlich mitzählen. Der Tag des Zugangs zählt nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mit. Der Tag der Arbeitspflicht zählt ebenso nicht, weil die Ankündigung 4 Tage im Voraus zu erfolgen hat. Der Ankündigungstag ist durch eine Rückrechnung vom Einsatztag zu ermitteln. Fällt bei der Berechnung der Ankündigungstag auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, muss die Mitteilung in entsprechender Anwendung des § 193 BGB am vorhergehenden Werktag zugehen.[2]

 
Überblick über den Mitteilungszeitpunkt
Beginn des Arbeitseinsatzes Zugang der Ankündigung
Montag Mittwoch
Dienstag Donnerstag
Mittwoch Freitag
Donnerstag Freitag
Freitag Freitag
Samstag Montag
Sonntag Dienstag
 

Rz. 68

Wird die Ankündigungsfrist nicht gewahrt oder erfolgt ein Abruf außerhalb der vorab festgelegten Referenztage oder Referenzstunden, ist der Abruf unwirksam, da keine wirksame Leistungsbestimmung erfolgt ist. Der Arbeitnehmer ist zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet.

Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er dem Arbeitsabruf nicht nachkommen will.[3] Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber von einem Einsatz ausgeht, begründet auch unter Treuegesichtspunkten keine Mitteilungspflicht, da die Wahrung der Ankündigungsfrist im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liegt.[4] Nur bei Hinzukommen besonderer Umstände kann eine Mitteilungspflicht bestehen, so z. B. wenn die Versäumung der Ankündigungsfrist auf Verzögerungen beim Postlauf zurückzuführen ist[5] oder wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit verspäteten Abrufen Folge geleistet hat und diese Handhabung nun ändern will.[6] Zulässig dürfte sein, vertraglich eine Mitteilungspflicht zu vereinbaren.[7]

 
Hinweis

Ein Verstoß gegen eine bestehende Mitteilungspflicht führt nicht zur Leistungspflicht des Arbeitnehmers. Ähnlich der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG liegt daher bei einem Verstoß keine Arbeitsverweigerung vor, vielmehr nur ein Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflicht.

 

Rz. 69

Dem Arbeitnehmer steht es frei, trotz Nichteinhaltung der Ankündigungsfrist oder der Nichtbeachtung der Referenztage und Referenzstunden die Tätigkeit aufzunehmen. Eine verspätete oder abweichende Leistungsbestimmung ist regelmäßig in ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung über den geplanten Arbeitseinsatz umzudeuten. Stimmt er dem Einsatz zu, ist eine zulässige vertragliche Vereinbarung getroffen worden. Danach kann sich der Arbeitnehmer auf die Versäumung der Ankündigungsfrist nicht mehr berufen. Nimmt der Arbeitnehmer auf verspäteten Abruf die Tätigkeit ohne ausdrückliche Erklärung auf, stimmt er stillschweigend dem Angebot zu.[8]

 

Rz. 70

Nimmt der Arbeitnehmer auf den verspäteten Abruf oder bei Abruf außerhalb des festgelegten Zeitrahmens die Tätigkeit nicht auf, hat er nach allgemeiner Ansicht weder Anspruch auf Vergütung, noch wird die Zeit auf ein Zeitdeputat angerechnet.[9] Die Nichtarbeit nach verspäteter Anforderung darf der Arbeitgeber weder unmittelbar noch mittelbar sanktionieren. Jede Sanktion wäre ein Verstoß gegen § 5 TzBfG.[10]

 

Rz. 71

Kann der Arbeitgeber allerdings innerhalb des vereinbarten Bezugzeitraums das vereinbarte Arbeitszeitdeputat nicht mehr abrufen, bestehen Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug nach § 615 BGB.[11] Der Arbeitnehmer schuldet die Arbeitsleistung im vereinbarten Bezugszeitraum. Ruft der Arbeitgeber die Arbeit nicht oder nicht fristgerecht ab, ist die durch den Arbeitgeber zu erbringende wirksame Leistungsbestimmung unterblieben.[12] Eine Übertragung unverbrauchter Arbeitszeit in den folgenden Bezugszeitraum ist nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung möglich.[13]

Ohne zumindest wörtliches Angebot besteht hingegen kein Anspruch auf Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer Ansprüche darauf stützt, dass die getroffene Vereinbarung unwirksam ist.

 
Praxis-Beispiel

Im Arbeitsvertrag wurde eine Bandbreite der wöchentlichen Arbeitszeit von 30 bis 40 Stunden vereinbart. Die ergänzende Vertragsauslegung führt zu einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 35 Stunden.[14] Der Arbeitnehmer macht nun rückwirkend für die Zeiten, in denen er unter 35 Stunden wöchentlich eingesetzt wurde, die Differenz geltend. Nach klarstellender Rechtsprechung des BAG besteht außerhalb von unwirksamen Arbeitgeberkündigungen ohne zumindest wörtliches Angebot kein Anspruch aus Annahmeverzug.[15]

[1] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 25.
[2] Vgl. z. B ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 26; MünchArbR/Schüren, Bd. 1, 5. Aufl. 2021,...

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