Rz. 62a

In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 3 TzBfG neu aufgenommen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, einen Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf Aufforderung Arbeit abgerufen werden kann. Nach Art. 2 der RL (EU) 2019/1152 sind dies Zeitfenster an festgelegten Tagen. Nach den Erwägungsgründen 30 und 31 zur RL (EU) 2019/1152 soll damit bei völlig oder größtenteils unvorhersehbaren Arbeitsmustern sichergestellt werden, dass die Arbeitnehmer über ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit verfügen. Der vorab festzulegende Zeitrahmen muss bestimmt sein und muss, geht man von der Festlegung durch den Arbeitgeber aus, billigem Ermessen entsprechen. Die Festlegung der betrieblichen Arbeitszeit für Vollzeitkräfte als möglicher Zeitrahmen einer Halbtageskraft wird beispielsweise billigem Ermessen nicht entsprechen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Festlegung eines Zeitrahmens einer Teilzeitkraft im Gastronomiegewerbe:

Donnerstags bis Sonntags in der Zeit von 18.00 bis 24.00.

Nur innerhalb des vorab bestimmten Zeitrahmens ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet.

Die Neuregelung gilt ohne Übergangsbestimmung auch für Altverträge. Um den Anforderungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 TzBfG gerecht zu werden, sollte, obgleich § 5 Satz 1 NachwG für den Nachweis eine Übergangsbestimmung vorsieht, umgehend der Zeitrahmen (Referenztage und Referenzstunden) festgelegt werden.

 

Rz. 63

Der Abruf zur Arbeitsleistung kann als Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 GewO[2] auch formlos und auch über einen Aushang erfolgen.[3] Auch die Mitteilung über E-Mail oder Einstellung des Arbeitsplans ins Intranet ist möglich. Wirksam wird die Mitteilung mit dem Zugang. Bei Aushang am Schwarzen Brett oder Information über Intranet muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Arbeitnehmer Kenntnis erhält. Beweispflichtig für den Zugang und den Zeitpunkt des Zuganges ist der Arbeitgeber.

Wird bei der Vereinbarung einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit die Dauer der Arbeitsleistung verändert, übt der Arbeitgeber sein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB aus.[4]

 

Rz. 64

Wird der Abruf als Ausübung des Direktionsrechts verstanden, ist eine einseitige nachträgliche Änderung durch den Arbeitgeber bei Wahrung der Ankündigung nach billigem Ermessen möglich.[5]

Bei Wahrung der Ankündigungsfrist gilt dies auch für eine Änderung des Leistungsbestimmungrechts.

 

Rz. 65

Die Mitteilung muss so eindeutig sein, dass für den Arbeitnehmer der Tag und Beginn und Ende der Arbeitszeit, d. h. Lage und Dauer der Arbeitszeit, erkennbar sind.[6] Die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Mindestdauer[7] ändert nichts an der Pflicht, bei Abruf die Dauer der Arbeitszeit genau anzugeben. Der Umfang der Mitteilung hängt dabei auch von den vertraglichen Vereinbarungen ab.

 
Praxis-Beispiel

Ist im Arbeitsvertrag vereinbart, dass bei Abruf eine Arbeitspflicht von 8.00 bis 11.00 Uhr besteht, genügt die Mitteilung der jeweiligen Arbeitstage.

[1] S. hierzu Rz. 39b.
[2] Vgl. z. B. MünchArbR/Schüren, Bd. 1, 5. Aufl. 2021, § 45, Rz. 34; Annuß/Thüsing/Jacobs, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 12 TzBfG, Rz. 39.
[3] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 27; Meinel/Heyn/Herms/Heyn, TzBfG, 6. Aufl. 2022, § 12 TzBfG, Rz. 42.
[4] HK-TzBfG/Boecken, 6. Aufl. 2019, § 12, Rz. 28.
[5] ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, § 12 TzBfG, Rz. 28; a. A. MünchArbR/Schüren, Bd. 1, 5. Aufl. 2021, § 45, Rz. 34.
[6] Annuß/Thüsing/Jacobs, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 12 TzBfG, Rz. 39.
[7] S. Rz. 58.

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