Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfühlungsverhältnis. Vergütung. Arbeitsentgelt. Zur Frage, wann ein sog. Einfühlungsverhältnis zu bejahen ist, in dem eine Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitsentgelt nicht besteht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Maßgebend für das Vorliegen eines Einfühlungsverhältnisses ist die fehlende Verpflichtung zur Arbeitsleistung bzw. die fehlende Weisungsbefugnis.

2. Will der Arbeitgeber den Bewerber für eine Arbeitsstelle erproben, ist in der Regel davon auszugehen, dass der Bewerber in den Betriebsablauf eingegliedert wird und den Arbeitsanweisungen unterworfen ist.

3. Die Abrede der Entgeltfreiheit für die geleistete Tätigkeit ist wegen der ungleichen Verhandlungsposition der Vertragsparteien sittenwidrig.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 138 Abs. 1, §§ 611-612, 614

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 146,24 EUR brutto sowie 5 % Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 17.01.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 146,24 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Arbeitsvergütung.

Die Beklagte betreibt u.a. die Pflegeeinrichtung Pfarrer – Lukas – Haus in D..

Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten als Pflegekraft. Kurz vor Weihnachten 2007 kam es zwischen ihr und dem Heimleiter, Herrn D., zu einem Gespräch. Am 27. und 28.12.2007 war die Klägerin im Heim tätig.

Die Klägerin trägt vor, sie sei von Beruf Krankenschwester und habe eine mehrjährige berufliche Erfahrung. Sie habe an den beiden Tagen insgesamt 16 Stunden gearbeitet. Bei einem Gehalt in Höhe von 1.900,00 EUR brutto monatlich ergebe sich eine Vergütung von 146,24 EUR brutto.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 146,24 brutto + 5 % Zinsen darauf über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, im Rahmen des Gesprächs, das Herr D. mit der Klägerin geführt habe, sei ihr gesagt worden, man wolle sich vor der Entscheidung, ob und zu welchen Konditionen man sie einstellen werde, von ihrer Qualifikation überzeugen. Zu diesem Zweck habe man eine zweitägige Probetätigkeit am 27. und 28.12.2007 vorgeschlagen. Herr D. habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für diese Tätigkeit keine Vergütung gezahlt werden würde. Die Klägerin habe sich damit einverstanden erklärt.

Die Beklagte macht geltend, die Parteien hätten kein Arbeitsverhältnis, sondern ein unentgeltliches Einfühlungsverhältnis vereinbart. Rechtlich stelle dies ein loses Rechtsverhältnis sui generis dar. Der Arbeitnehmer werde demnach in den Betrieb übernommen, ohne seinerseits Pflichten zu übernehmen. Er unterliege dem Hausrecht, nicht aber dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Eine Vergütungspflicht werde nur begründet, wenn eine entsprechende Vereinbarung vorliege.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, § 2 Absatz 1 Nr. 3 a ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, § 46 Absatz 2 ArbGG iVm § 29 ZPO.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für die am 27. und 28.12.2007 geleistete Arbeit, §§ 611, 612, 614 BGB.

Zwischen den Parteien wurde ein entgeltpflichtiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart.

Die Beklagte macht zwar geltend, zwischen den Parteien sei lediglich ein sogenanntes Einfühlungsverhältnis begründet worden.

Dem vermag sich das erkennende Gericht indes nicht anzuschließen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt den Begriff des Einfühlungsverhältnisses als eine besondere – regelmäßig unentgeltliche – Form, für einen anderen Arbeitsleistung zu erbringen, nicht. Vielmehr geht es davon aus, dass geleistete Arbeit zu vergüten ist, §§ 611, 612 BGB. Gleichwohl ist es nach verbreiteter Ansicht aufgrund der Vertragsfreiheit zulässig, eine wirksame Vereinbarung des Inhalts zu treffen, dass Arbeitsleistung ohne Vergütungsanspruch erbracht werden soll (vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Urteil vom 24.05.2007 – Az: 2 Sa 87/07; Landesarbeitsgericht Bremen – Urteil vom 25.07.2002 – Az: 3 Sa 83/02 = LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 5; Landesarbeitsgericht Köln – Urteil vom 18.03.1998 – Az: 8 Sa 1662/97 = LAGE § 138 BGB Nr. 10; Sächsisches Landesarbeitsgericht – Urteil vom 05.03.2004 – Az: 2 Sa 386/03).

Danach sei es Zweck eines Einfühlungsverhältnisses, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer oder Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennenzulernen, sich einen Überblick zu verschaffen. Dazu gehörten auch die Fälle, in denen den Arbeitnehmern, die längere Zeit keine abhängige Arbeit geleistet hätten oder fachfremd seien, auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werde, sich mit den Verhältnissen eines Betriebs vertraut zu machen, um danach zu prüfen, ob ein Arbeits- oder Probearbei...

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