Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittenwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung, nach der eine Vergütungspflicht für eine 14-tägige Probezeit nur für den Fall des Abschlusses eines endgültigen Arbeitsvertrages entstehen soll, ist sittenwidrig.

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 17.09.1997; Aktenzeichen 9 Ca 5655/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.09.97 – 9 Ca 5655/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger für eine Tätigkeit in der Zeit vom 20.10.1996 bis 04.11.1996 eine Vergütung zusteht. Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 17.09.1997 gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß dem Kläger ein Lohnanspruch in der beantragten Höhe nebst Spesen zusteht.

Der geltend gemachte Lohnanspruch des Klägers ergibt sich aus § 612 Abs. 2 BGB.

1. Zwischen den Parteien ist ein schriftlicher „vorläufiger Arbeitsvertrag” geschlossen worden, nach dem der Kläger am 20.10.1996 ein Arbeitsverhältnis als Kraftfahrer begonnen hat mit einer Probezeit von 14 Tagen. Ein solches Vertragsverhältnis ist zu unterscheiden von einem ganz losen Rechtsverhältnis eigener Art, welches sich von einem Arbeitsverhältnis, insbesondere auch einem Probearbeitsverhältnis, dadurch unterscheidet, daß der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt. Zweck eines entsprechenden sogenannten Einfühlungsverhältnisses ist es in der Regel, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären (vgl. Dieterich, AR-Blattei Das Probearbeitsverhältnis A II 1; Schaub Arbeitsrechtshandbuch 8. Aufl. § 40 I 1).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann im vorliegenden Fall von der Vereinbarung eines Einfühlungsverhältnisses nicht ausgegangen werden. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des Vertrages, nach dem mit Wirkung ab 20.10.1996 ein Arbeitsverhältnis beginnen sollte. Hiergegen spricht weiter der vereinbarte Probezweck, der insbesondere dem Arbeitgeber eine Beurteilung der Arbeitsleistung ermöglichen soll und deshalb auch voraussetzt, daß der Arbeitnehmer dem Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist. Gegen die Annahme eines nur ganz losen Rechtsverhältnisses ohne Pflichtenübernahme spricht schließlich die tatsächliche Abwicklung des Vertragsverhältnisses bis zum 04.11.1996. Der Kläger hat detailliert vorgetragen, welche Arbeitsleistungen er zusammen mit seinem Arbeitskollegen für die Dauer der Probezeit erbracht hat. Nur bei entsprechender Arbeitsleistung konnte die Beklagte feststellen, ob der Kläger geeignet war, die bei den Touren anfallenden Tätigkeiten ordnungsgemäß und verantwortungsvoll auszuführen. Dies war nach dem Vortrag der Beklagten auch der Sinn der 14-tägigen Beschäftigung.

2. Die zwischen den Parteien im Arbeitsvertrag geschlossene Vereinbarung, nach der eine Vergütungspflicht für die 14-tägige Probezeit nur für den Fall des Abschlusses eines endgültigen Arbeitsvertrages entstehen sollte, ist sittenwidrig und somit nichtig. Leistung und Gegenleistung standen in einem auffälligen Mißverhältnis. Obwohl der Kläger in einem Arbeitsverhältnis als Kraftfahrer zur Beklagten stand und deshalb auch entsprechende Pflichten hatte, sollte ihm nur dann eine Gegenleistung zustehen, wenn es zum Abschluß eines festen Arbeitsverhältnisses kam. Ob diese Bedingung eintrat, war nicht allein von der Entscheidung des Klägers abhängig, sondern auch davon, ob die Beklagte mit den Leistungen des Klägers zufrieden war. Das wirtschaftliche Risiko einer nicht zu einem Dauerarbeitsverhältnis führenden Erprobung wurde damit voll auf den Kläger abgewälzt, dessen Unerfahrenheit, dessen mangelnde Sprachkenntnisse und dessen Interesse an der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht erteilten Arbeitserlaubnis die Beklagte ausnutzte.

Im übrigen wurde der Kläger durch die Vergütungsklausel in seinem Recht frei zu wählen, ob und zu welchen Bedingungen er ein festes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingehen wollte, beeinträchtigt (Artikel 12 Grundgesetz). War er nicht zum Abschluß eines festen Arbeitsverhältnisses zu den von der Beklagten angebotenen Bedingungen bereit, verlor er den ihm anderenfalls von der Beklagten zugestandenen Vergütungsanspruch für die Dauer der 14-tägigen Probezeit. Den Nachteilen des Klägers standen keine angemessenen Vorteile gegenüber. Auch wenn die Beklagte alle behördlichen Schreiben und Telefonate zur Erlangung der Arbeitserlaubnis erledigt hat, ist eine angemessene Gegenleistung nicht erkennbar, zumal die Erteilung der Arbeitserlaubnis auch im Interesse der Beklagten lag.

3. Die Nichtigkeit de...

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