Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 03.11.2010 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 08.11.2010 aufgelöst wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zapfer weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 11.217,66 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Die Beklagte betreibt mit insgesamt ca. 80 Arbeitnehmern die Hausbrauerei „A.”, in der neben Speisen insbesondere das selbstgebraute Bier und alkoholfreie Getränke angeboten werden. Darüber hinaus unterhält sie jährlich im Sommer auf der E. ein Brauerei-Zelt. Der 50-jährige Kläger ist seit dem 01.07.1993 bei der Beklagten gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.869,61 EUR als Zapfer, so genannter Büfettier, beschäftigt. Neben dem Kläger waren zuletzt fünf weitere Zapfer bei der Arbeitgeberin beschäftigt, von denen einer Betriebsratsmitglied des bei der Beklagten gewählten fünfköpfigen Betriebsrats ist. Daneben beschäftigt die Arbeitgeberin 29 Mitarbeiter im Service (Kellner), von denen drei Betriebsratsmitglieder sind.

Der Verkauf und die Abrechnung von Getränken erfolgt bei der Beklagten in der Weise, dass die Gäste zunächst beim Kellner bestellen. Sodann begibt sich der Kellner zu der in seiner Station befindlichen Kasse. Dort gibt er Art und Anzahl der bestellten Getränke ein, um anschließend einen entsprechenden Bon zu ziehen. Diesen überreicht er dem Zapfer. Den Zapfern ist es durch arbeitgeberseitige Weisung untersagt, ohne Bon Getränke an die Kellner herauszugeben. Außerdem sind die Gläser ordnungsgemäß, das heißt bis zum Zapfstrich, zu befüllen. Der Kellner serviert die Getränke und kassiert anschließend. Der Zapfer kommt mit Kassiervorgängen nicht in Berührung. Nach Schichtende wird geprüft, wie viele Biere der jeweilige Kellner in die Kasse eingegeben („gebongt”) hat. Den so errechneten Betrag muss der Kellner beim jeweiligen Betriebsleiter ausgleichen.

Zusätzlich überprüft werden kann von der Beklagten, wie viele so genannte Plus-Biere angefallen sind. Aus jedem Fass kann rechnerisch eine bestimmte Anzahl an Bieren gezapft werden, z.B. 400 Gläser aus einem 100-Liter-Fass. Fasst das Fass tatsächlich eine größere Menge Bier oder werden Gläser, z.B. wegen des Schaums, mit einer geringeren Menge herausgegeben, also unterfüllt, so können mehr Biere, die Plus-Biere, verkauft werden, als für das Fass an sich vorgesehen sind.

Nachdem der Beklagte bereits Ende 2007 meinte, Differenzen zwischen dem üblichen Anteil der Wareneinsatzes am Gesamtumsatz und dem in ihrem Betrieb üblichen festgestellt zu haben, versuchte sie, durch Gespräche mit ihren damaligen drei Betriebsleitern, die Ursache hierfür zu finden. Nachdem diese ersten Aufklärungsversuche gescheitert waren, ließ sie im Januar 2009 einen Zähler an den Zapfanlagen für alkoholfreie Getränke (AFG) reparieren und aktivieren. Die Beklagte beauftragte danach eine Softwarefirma damit, auf einzelne Mitarbeiter bezogen zu überprüfen, wie hoch die Differenz von bonierten Getränken vor und nach der Aktivierung war. Sodann ließ sie von der Softwarefirma die Datenbestände der Kasse auf etwaige Manipulationen zu überprüfen. Hierbei wurden im Zeitraum von vier Jahren Minusbuchungen in einer Gesamthöhe von 1.159.823,50 EUR festgestellt. In der Folge kündigte die Beklagte Ende 2009 die Arbeitsverhältnisse der zwei noch verbliebenen Betriebsleiter wegen des Verdachts der Unterschlagung und des Betruges zu ihren Lasten. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren wurden im März 2010 durch Vergleich bzw. Klagerücknahme beendet. Zwischenzeitlich erhob die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Anklage gegen alle drei ehemaligen Betriebsleiter.

Vor der Karnevalswoche 2010 teilte der Betriebsleiter, der Zeuge E. den Mitarbeitern mit, dass man über Karneval alles ganz genau kontrollieren und etwaige Umsatzveränderungen beobachten werde.

Nachdem die Beklagte im Sommer 2010 auf der E. einen Bierstand betrieben hatte, sprach sie im Juli 2010 gegenüber einem der dort eingesetzten Zapfer, dem Zeugen B., eine fristlose Kündigung aus. Sie warf ihm vor, mit einem oder mehreren Kellnern Biere „ungebongt” an Kunden herausgegeben und die gezahlten Gelder gemeinsam mit diesen vereinnahmt zu haben. Unstreitig räumte der Zeuge S. die Unterschlagung gegenüber der Beklagten ein, gab aber keine konkrete Auskunft über weitere Täter.

Im August 2010 wies die Beklagte die bei ihr beschäftigten Zapfer an, für jedes angestochene Fass nicht nur einen Briefumschlag vorzubereiten, in den sämtliche, diesen Fässern zuzuordnenden Bons zu legen waren, sondern auf den Umschlägen auch den Name des Zapfers zu vermerken.

In der Zeit vom 29.09. bis 16.10.2010 ließ die Beklagte ei...

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