Leitsatz

In einem Sorgerechtsverfahren hatte das FamG nach entsprechender schriftlicher Ermittlung des Sachverhalts ohne mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Zustimmung der Antragstellerin auf den Antragsgegner übertragen. Dem Antragsgegner war Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Seine Verfahrensbevollmächtigte beantragte Festsetzung einer Terminsgebühr gem. Nr. 3104 RVG-VV, deren Festsetzung vom FamG abgelehnt wurde.

Die hiergegen von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG ging von einer Zulässigkeit der Beschwerde aus, obgleich der Beschwerdewert die gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG erforderlichen 200,00 EUR nicht erreiche. Das FamG habe die Beschwerde gleichwohl zugelassen, weil die zur Entscheidung stehende Frage, ob in einem ohne mündliche Verhandlung entschiedenen Sorgerechtsverfahren des § 1671 BGB eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 RVG-VV anfalle, grundsätzliche Bedeutung habe.

Nach Ansicht des OLG stand dem Beschwerdeführer eine Terminsgebühr für das Verfahren auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts in analoger Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zu. Nach dieser Vorschrift entstehe eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde.

Das FamG habe nach entsprechender schriftlicher Ermittlung des Sachverhalts ohne mündliche Verhandlung das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Zustimmung der Antragstellerin auf den Antragsgegner übertragen. In diesem Verfahren sei im Sinne von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben.

Die einschlägigen Bestimmungen der §§ 50a und 50b FGG geböten eine "mündliche Verhandlung" in Streitigkeiten über die elterliche Sorge. Gem. § 50a Abs. 1 S. 2 FGG solle das Gericht in Angelegenheit der Personensorge die Eltern in der Regel persönlich anhören. Dies bedeute eine zwingende persönliche, also mündliche Anhörung der Eltern (vgl. BGH, FamRZ 2001, 907; Keidel/Kunze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 13. Aufl., § 50a Rz. 10). Auch Kinder ab etwa vier Jahren seien gem. § 50b Abs. 1 FGG in derartigen Verfahren persönlich anzuhören, da zumindest eine der dort genannten Anhörungsvoraussetzungen regelmäßig gegeben sei.

Das OLG teilte die Auffassung des FamG nicht, wonach der Gesetzgeber durch die Fassung der in Rede stehenden Vergütungsvorschrift eine Grenze für die möglichen Ausnahmeregelungen ziehen wollte. Die gesetzgeberischen Ziele hätten bei Schaffung des RVG in der Vereinfachung, der Erhöhung der Transparenz und der Angleichung der Gebührentatbestände in den verschiedenen Verfahrensarten sowie der Einführung eher leistungsorientierter Gebühren bestanden. Diese Grundsätze sprachen nach Auffassung des OLG dafür, die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes in ZPO-Verfahren und FGG-Verfahren nach denselben Grundsätzen zu behandeln.

Bislang sei obergerichtlich lediglich festgestellt worden, dass Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV analog anzuwenden sei, soweit in einer WEG-Sache das Verfahren ohne mündliche Verhandlung beendet werde. Der BGH habe maßgeblich darauf abgestellt, dass § 44 Abs. 1 WEG die mündliche Verhandlung dem Richter grundsätzlich nicht freistelle und auch nicht von einem Antrag eines Verfahrensbevollmächtigten abhängig mache (vgl. BGH v. 9.3.2006 - V ZB 164/05, BGHReport 2006, 881 = MDR 2006, 1134 = NJW 2006, 2495; vgl. auch LG Potsdam v. 28.9.2005 - 3 T 65/05, NJW 2005, 3583).

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 30.03.2007, 15 WF 41/07

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