Ansprüche, die durch eine betriebliche Übung begründet wurden, können nachträglich, soweit sie nicht unter einem Vorbehalt erbracht wurden, nur mit den allgemeinen vertragsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (einvernehmliche Vertragsänderung, Änderungskündigung) verändert werden.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung wird von einer für den Arbeitnehmer günstigeren Betriebsvereinbarung (lediglich) für die Dauer ihres Bestehens verdrängt[1], danach leben die individualrechtlichen Ansprüche aus der betrieblichen Übung wieder auf.[2]

Im Grundsatz steht das Günstigkeitsprinzip einer Ablösung der betrieblichen Übung durch eine für den Arbeitnehmer schlechtere Betriebsvereinbarung entgegen. Dieses Prinzip gilt auch für das Verhältnis zwischen individualvertraglichen Rechten und Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Eine Betriebsvereinbarung tritt deshalb hinter einer günstigeren einzelvertraglichen Regelung zurück. Dies gilt auch dann, wenn der einzelvertragliche Anspruch auf eine betriebliche Übung zurückgeht. Auch hierbei handelt es sich um individualvertragliche Rechtsgrundlagen und nicht um kollektive Rechtsquellen eigener Art, die auf gleicher Stufe mit einer Betriebsvereinbarung stehen; die Zeitkollisionsregel gilt hier deshalb nicht.[3] Etwas anderes gilt für freiwillige Sozialleistungen mit kollektivem Bezug. Soweit es nicht zu einer Verringerung der Gesamtbelastung des Arbeitgebers kommt, ist die Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung zulässig, soweit die Arbeitnehmer bei kollektiver Betrachtung nicht schlechter gestellt werden.[4] Freiwillige Sozialleistungen mit kollektivem Bezug sind insbesondere die Weihnachtsgratifikation und die Jubiläumszuwendung.

 
Hinweis

Auch verschlechternde Ablösung durch Betriebsvereinbarung möglich

Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Eine solche Vereinbarung kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen auch konkludent erfolgen und ist namentlich neben betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen auch für Ansprüche aus betrieblicher Übung möglich, da diese regelmäßig einen kollektiven Bezug haben. Deshalb stünde eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen dem entgegen. Eine ausdrückliche Vereinbarung liegt insbesondere dann vor, wenn in der vertraglichen Absprache auf die jeweils geltende Betriebsvereinbarung Bezug genommen wird (z. B.: "Es wird ein zusätzliches Urlaubsgeld nach den betrieblichen Regeln gezahlt.").[5]

Aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber aufgrund betrieblicher Übung erbrachten Leistungen um solche handelt, die einer möglicherweise auch verschlechternden Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.[6]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge