a) Überblick

 

Rz. 16

Ist der Kostenerstattungsanspruch des Gegners höher als der eigene Kostenerstattungsanspruch, ist die Sache schwieriger, weil dann beim Mandanten nach Kostenausgleichung (§ 106 ZPO) kein Kostenerstattungsanspruch zu seinen Gunsten mehr verbleiben wird. Ungeachtet dessen gelten auch hier die gleichen Erwägungen wie in der vorangegangenen Fallgruppe, da auch dann dem Versicherungsnehmer ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, der quotenbevorrechtigt ist.

b) Getrennte Festsetzung

 

Rz. 17

Deutlich wird das Quotenvorrecht, wenn die Kosten getrennt festgesetzt werden.

 

Beispiel 3: Wie Beispiel 1 (siehe Rdn 7), jedoch hat der Mandant nur zu 30 % gewonnen und zu 70 % verloren. Das Gericht entscheidet mit entsprechender Kostenquote.

Der einfachere Weg, das Quotenvorrecht durchzusetzen, besteht darin, nicht die Kostenausgleichung nach § 106 ZPO zu betreiben, sondern jeweils einseitig festsetzen zu lassen. Eine Verpflichtung, auf den Kostenfestsetzungsantrag des Gegners zu reagieren und der Aufforderung des Gerichts, gem. § 106 Abs. 1 S. 1 ZPO die eigenen Kosten anzumelden, nachzukommen, also sich an der Kostenausgleichung zu beteiligten, besteht nicht.[6] Der Mandant kann also abwarten, bis der Gegner seine Kosten zur Festsetzung anmeldet. Der Rechtspfleger setzt dann eine Frist zur Anmeldung der eigenen Kosten von einer Woche (§ 106 Abs. 1 S. 1 ZPO). Diese Wochenfrist muss der Anwalt dann verstreichen lassen bzw. erklären, dass er an der Kostenausgleichung nicht teilnimmt, sondern eine getrennte Festsetzung wünscht. Dann muss der Rechtspfleger einseitig festsetzen. Es würden dann also zugunsten des Gegners festgesetzt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.068,60 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   986,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.075,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   394,25 EUR
Gesamt   2.469,25 EUR
hiervon 70 %   1.728,48 EUR

Diesen Betrag muss der Rechtsschutzversicherer dem Gegner erstatten.

Hiernach beantragt dann der Mandant die Festsetzung der eigenen Kosten. Er erhält jetzt einen Kostenfestsetzungsbeschluss über

 
Anwaltskosten des Mandanten 2.579,92 EUR
Gerichtskosten, 3,0-Gebühr 1.146,00 EUR
Parteikosten 58,30 EUR
Zwischensumme 3.784,22 EUR
hiervon 30 % 1.135,27 EUR

Von dieser Kostenerstattung darf der Mandant dann jetzt seine nicht gedeckten Kosten i.H.v.

 
nicht gedeckte Reisekosten des Anwalts i.H.v. brutto 110,67 EUR
Selbstbeteiligung 200,00 EUR
eigene Parteikosten 58,30 EUR
  368,97 EUR
entnehmen. Lediglich der Restbetrag i.H.v. 766,30 EUR

geht auf den Rechtsschutzversicherer über.

 

Rz. 18

Nicht selten wenden Rechtspfleger bei Eingang des zweiten Kostenfestsetzungsantrags ein, dies sei rechtsmissbräuchlich. Die Kosten hätten rechtzeitig zur Ausgleichung angemeldet werden müssen. Eine nachträgliche einseitige Festsetzung sei jetzt nicht mehr möglich. Dies ist jedoch unzutreffend. Es besteht für eine Partei keine Pflicht, an einer Kostenausgleichung teilzunehmen. Es besteht lediglich für den Rechtspfleger eine Pflicht zur Kostenausgleichung, wenn beide Parteien ihre Kosten gleichzeitig anmelden. Meldet dagegen eine Partei ihre eigenen Kosten erst an, wenn die Kosten des Gegners festgesetzt sind, findet keine Ausgleichung mehr statt. Die jeweiligen Erstattungsansprüche sind dann gesondert festzusetzen. Die Parteien haben insoweit ein freies Wahlrecht, ob sie an der Kostenausgleichung teilnehmen oder ob sie eine einseitige Festsetzung wünschen.[7]

 

Rz. 19

Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass diese Methode nur dann funktioniert, wenn sich der eigene Kostenerstattungsanspruch auch beim Gegner realisieren lässt. Ist der Gegner nicht zahlungsfähig, kann er also den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten nicht bedienen, funktioniert diese Methode nicht ohne weiteres. In diesen Fall kann aber immerhin nach der Festsetzung zugunsten des Gegners gegen dessen Erstattungsanspruch noch mit dem eigenen Kostenerstattungsanspruch die Aufrechnung erklärt werden, da die Aufrechnung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nicht dessen Festsetzung erfordert, sondern nur das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs als solchem.[8]

[6] LG Frankfurt AGS 2011, 515 = RVGreport 2011, 391 = NJW-Spezial 2011, 604; LG Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220.
[7] LG Frankfurt AGS 2011, 515 = RVGreport 2011, 391 = NJW-Spezial 2011, 604; LG Frankenthal NJW-Spezial 2013, 220.
[8] OLG Frankfurt MDR 1984, 148; LG Tübingen NJW 1965, 1608.

c) Kostenausgleichung

 

Rz. 20

Etwas komplizierter wird es, wenn der Mandant sich an der Kostenausgleichung beteiligt. In diesem Fall ist das Quotenvorrecht über Bereicherungsrecht zu lösen.[9]

 

Beispiel 4: Wie Beispiel 3 (siehe Rdn 17), jedoch hat der Mandant nur zu 30 % gewonnen und zu 70 % verloren. Das Gericht entscheidet mit entsprechender Kostenquote, jedoch meldet der Kläger seine Kosten gem. § 106 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Ausgleichung an. Es ergibt sich jetzt folgende Kostenfestsetzung:

 
a) Kosten des Klägers    
1. Anwaltskosten   2.579,92 EUR
2. vorgelegte Gerichtskosten   1.146,00 EUR
3. Parteikosten   58,3...

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