Rz. 128

Auch in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren ist gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 eine zuvor angefallene Geschäftsgebühr nach VV 2300 hälftig anzurechnen.

 

Rz. 129

Hier wird allerdings von der überwiegenden Rspr.[43] und der Kommentarliteratur[44] – häufig ohne nähere Begründung – nicht genügend differenziert. Nach VV Vorb. 3 Abs. 4 ist die Geschäftsgebühr auf ein nachfolgendes Verfahren anzurechnen, das "denselben Gegenstand" betrifft. Daran fehlt es, wenn der Anwalt außergerichtlich hinsichtlich der Hauptsache tätig war (etwa im Falle der Abmahnung), während das einstweilige Verfügungsverfahren eine vorläufige Regelung zum Inhalt hat. Es liegen dann verschiedene Gegenstände vor,[45] sodass eine Anrechnung zu unterbleiben hat.[46]

 

Rz. 130

Eine vorangegangene Geschäftsgebühr kann hier nur dann angerechnet werden, wenn sie aus dem Gegenstand des Verfügungsverfahrens angefallen ist, wenn der Anwalt also außergerichtlich auch hinsichtlich einer vorläufigen Regelung tätig war. Dann entsteht aus diesem Gegenstand eine (weitere) Geschäftsgebühr (siehe oben Beispiel 76), die dann auf die Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzurechnen ist.[47]

 

Rz. 131

Am besten lässt sich dies anhand folgender Übersicht verdeutlichen:

 

Rz. 132

 

Beispiel: Der A hat ein Grundstück, das nur über einen Weg auf dem Grundstück des B zu erreichen ist. B sperrt sein Grundstück eigenmächtig ab, sodass der A sein Grundstück nicht mehr erreichen kann. Der A beauftragt daraufhin einen Anwalt, der unter Fristsetzung die Wiedereinräumung des ungehinderten Zugangs zum Grundstück verlangt (Wert: 10.000 EUR). Als dies nicht geschieht, beantragt der Anwalt für den A den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 5.000 EUR), mit der dem B aufgegeben werden soll, den Zugang in bestimmtem Umfang vorläufig zu ermöglichen.

Die außergerichtliche Tätigkeit betrifft die Hauptsache. Das gerichtliche Verfahren betrifft dagegen die Eilsache. Es liegen verschiedene Gegenstände vor. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 kommt nicht in Betracht. Geht man in der Hauptsache von einem Wert in Höhe von 10.000 EUR aus und hinsichtlich der einstweiligen Verfügung von 5.000 EUR, dann ergibt sich bei Annahme einer Mittelgebühr folgende Berechnung:

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   921,00 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 941,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   178,79 EUR
Gesamt   1.119,79 EUR
II. Einstweiliges Verfügungsverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 454,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   86,30 EUR
Gesamt   540,50 EUR
 

Rz. 133

 

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der A beauftragt jedoch den Anwalt außergerichtlich lediglich damit, den B aufzufordern ihm vorläufig und in bestimmtem Umfang den Zugang zu gewähren. Einen dauerhaften Anspruch auf Zugang zum Grundstück soll der Anwalt nicht geltend machen, da der A sich einen anderweitigen Zugang verschaffen will.

Die außergerichtliche Vertretung betrifft jetzt nur eine vorläufige Regelung, ebenso wie das einstweilige Verfügungsverfahren. Die Geschäftsgebühr ist daher hälftig nach VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen. Ausgehend von einem Wert in Höhe von 5.000 EUR ergibt sich bei Annahme einer Mittelgebühr folgende Berechnung:

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   501,00 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR
II. Einstweiliges Verfügungsverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,   – 250,50 EUR
  0,75 aus 5.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   400,80 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 604,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   114,86 EUR
Gesamt   719,36 EUR
 

Rz. 134

 

Beispiel: Wie vorangegangene Beispiele; nachdem der B der Forderung auf Gestattung des ungehinderten Zugangs zum Grundstück nicht nachgekommen ist, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der dem B aufgegeben werden soll, den Zugang in bestimmtem Umfang vorläufig zu ermöglichen. Gleichzeitig wird auch Klage zur Hauptsache auf dauerhaften Zugang erhoben.

Vorgerichtlich ist der Anwalt hinsichtlich der Hauptsache tätig geworden. Die gerichtlichen Verfahren betreffen zum einen ebenfalls die Hauptsache und zum anderen nur die Eilsache (Verfügungsverfahren). Die angefallene Geschäftsgebühr aus der Hauptsache ist jetzt anzurechnen auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens. Im einstweiligen Verfügungsverfahren findet keine Anrechnung statt, da hinsichtlich der Eilsache keine vorgerichtliche Vertretung stattgefunden hat. Ausgehend von einem Wert der Hauptsache in Höhe von 10.000 EUR und hinsic...

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