Problemüberblick

Seit dem 1.12.2020 sind die Beschlussklagen, also Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage, nach § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Bis dahin waren die Beschlussklagen gegen die Wohnungseigentümer zu richten.

Für eine Übergangszeit war zu erwarten, dass Wohnungseigentümer diese Rechtslage noch nicht kennen und versehentlich noch die Wohnungseigentümer verklagen (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 108). Da die Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage nach § 45 Satz 1 WEG nur 1 Monat beträgt, kann ein Wechsel der Klage auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dort kaum fristgemäß gelingen. Für die Nichtigkeitsklage und die Beschlussersetzungsklage stellt sich dieses Problem nicht, da es dort keine Klagefrist gibt.

Einhaltung der Klagefrist

Die Klagefrist wird nicht durch eine gegen einen Dritten gerichtete Klage gewahrt. Nach Ansicht des BGH zum alten Recht galt etwas Anderes, wenn versehentlich statt der Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt wurde. Da diese Ausnahme mit § 44 WEG a. F. begründet wurde, ist sie obsolet und nicht auf den Fall übertragbar, dass die Wohnungseigentümer verklagt werden (Müller in Hügel, Wohnungseigentum, 5. Auflage, § 17 Rn. 105; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 110; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, 1. Auflage, Rn. 1898; BeckOK WEG/Elzer, 46. Ed. 1.10.2021, WEG § 45 Rn. 24). Gegebenenfalls ist im seltenen Einzelfall § 45 Satz 2 WEG anwendbar und kann dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (s. auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 112). Würde man die anderen Wohnungseigentümer als die Beklagten ansehen, müsste die Klage daher unbegründet sein (soweit das LG meint, die Klage sei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer doch zugestellt worden, ist das ein Denkfehler, da die Klage nicht ihrem Organ, sondern – fehlerhaft – dem Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümer zugestellt wurde).

Man muss daher fragen, ob die Klage so ausgelegt werden kann, als wäre sie von vornherein gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhoben worden. Dies haben das AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 16.4.2021, 73 C 8/21, ZMR 2022 S. 66 und das AG Hamburg-St. Georg, Beschluss v. 3.8.2021, 980a C 14/21, ZMR 2021 S. 849 abgelehnt, das AG Essen, Urteil v. 2.11.2021, 196 C 50/21, ZMR 2022 S. 67 aber bejaht. Das LG München I schlägt sich aus letztlich pragmatischen Gründen und um dem klagenden Wohnungseigentümer einen Rechtsschutz zu verschaffen, auf die Seite des AG Essen. Richtig dürften die anderen Gerichte liegen. Denn die Kläger wollten jeweils nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen und haben dieser keine falsche Bezeichnung gegeben. Sie wollten – fehlerhaft – die anderen Wohnungseigentümer verklagen.

Verwalter als Streithelfer und Streitverkündungsempfänger

Im Fall war der Verwalter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Streithelfer an die Seite getreten. Ob das geht, ist unklar, da der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG gerichtlich vertritt. Das LG führt am Ende des Beschlusses dazu wie folgt aus: "Der Verwalter als gesetzlicher Vertreter des Verbands ist diesem beigetreten. Auch dies erscheint problematisch, da § 66 ZPO voraussetzt, dass ein Rechtsstreit zwischen anderen Personen geführt wird. Der gesetzliche Vertreter einer Partei wird dieser daher wohl nicht als Nebenintervenient beitreten können. Dies dürfte von Amts wegen zu prüfen sein".

Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem Verwalter den Streit verkünden will. Ob eine Streitverkündung möglich ist, ist auch hier umstritten, aber m. E. zu bejahen (Elzer, MDR 2021, S. 334 Rn. 20; Skauradszun, ZMR 2020, S. 905, 912; Schwab, NZG 2013, 521, 523; Jacoby in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 72 Rn. 7; a. A. Althammer in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 72 Rn. 1; s. auch Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 122 ff.).

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