Der Senat entscheidet nach der Übertragung der Sache gem. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 und S. 3 RVG sowie § 33 Abs. 1 S. 1 SGG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern.

Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Das SG hat die Erinnerung zu Unrecht vollständig zurückgewiesen. Diese ist zulässig und teilweise begründet. Die Antragstellerin hat einen Vergütungsanspruch von insgesamt 901,37 EUR. Dieser ergibt sich dem Grunde nach aus § 45 Abs. 1 RVG. Vorliegend sind in dem Ausgangsverfahren gem. § 3 Abs. 1 S. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstanden, da es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelte, in dem das GKG nicht anzuwenden war.

Die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV ist hier jedoch i.H.v. 67,45 EUR zu berücksichtigen. Danach kann für Kopien aus Behördenakten die Dokumentenpauschale gefordert werden, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1971, 231) entspricht diese Regelung im Wesentlichen der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.

Bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse genügt es gem. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen reicht nach § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO die Versicherung des Rechtsanwalts aus, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt gem. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine entsprechende rechtsanwaltliche Versicherung als Glaubhaftmachung für Gebühren und andere Auslagen nicht ausreicht. Hierzu können nach § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung eingesetzt werden (BGH, Beschl. v. 24.2.2010 – XII ZB 147/05, Rn 18 [= AGS 2010, 253]; Beschl. v. 4.4.2007 – III ZB 79/06, Rn 9 [= AGS 2007, 322]). Im Falle überwiegender Wahrscheinlichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen ist die betreffende Gebühr zugunsten des Rechtsanwalts festzusetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2014 – VII ZB 40/13, Rn 16 [= AGS 2014, 211]; Beschl. v. 13.7.2011 – IV ZB 8/11, Rn 10 [= AGS 2011, 568]; Beschl. v. 13.4.2007 – II ZB 10/06, Rn 8 [= AGS 2007, 366]).

Bezüglich der Erforderlichkeit von Auslagen, zu denen auch die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV gehört, enthält § 46 Abs. 1 RVG eine Sonderregelung für die Vergütung beigeordneter Rechtsanwälte aus der Staatskasse (so auch OLG Celle, Beschl. v. 28.11.2011 – 1 Ws 415/11, Rn 9; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., 2019, § 46 Rn 87–88). Danach werden Auslagen, insbesondere Reisekosten, nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Diese Regelung entspricht der Vorgängervorschrift des § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO, durch deren negativen Wortlaut die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Erforderlichkeit dem Staat auferlegt wurde (BVerfG, Beschl. v. 16.12.2002 – 2 BvR 2099/01, Rn 9). Dementsprechend heißt es auch in der Gesetzesbegründung zu § 46 Abs. 1 RVG (BT-Drucks 15/1971, 200):

 
Hinweis

"Die negative Fassung des § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO wurde beibehalten. Diese begründet eine Beweislast für die Staatskasse, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Hieran soll festgehalten werden. Im Zweifel ist die Notwendigkeit der Auslagen anzuerkennen. Es ist nicht Aufgabe des Urkundsbeamten oder des auf die Erinnerung entscheidenden Gerichts, seine eigene Auffassung an die Stelle der Meinung des Rechtsanwalts zu setzen. Der Rechtsanwalt hat den Rechtsstreit geführt; nur er ist für die sachgemäße Wahrnehmung der Interessen der Partei verantwortlich".

Demnach steht ihm hinsichtlich der Erforderlichkeit der Auslagen ein Beurteilungsspielraum zu.

Soweit die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV um eine Sonderregelung zu § 46 Abs. 1 RVG handle, sodass die Darlegungs- und Beweislast bei dem Rechtsanwalt liege (OLG Celle, Beschl. v. 26.5.2016 – 1 Ws 245/16, Rn 14; KG, Beschl. v. 28.8.2015 – 1 Ws 31/15, Rn 4; OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.8.2015 – 1 Ws 233/15, Rn 12; OLG Rostock, Beschl. v. 4.8.2014 – 20 Ws 193/14, Rn 14 [= AGS 2014, 553]; OLG München, Beschl. v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14, Rn 37), folgt der Senat dem nicht. Denn Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a) VV ist eine allgemeine Vorschrift für die Rechtsanwaltsvergütung, während § 46 Abs. 1 RVG nur die Vergütung des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts aus der Staatskasse betrifft. Es handelt sich daher um eine Spezialregelung, die nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ausnahmslos für alle Auslagen gilt. Zudem wurde auch in Bezug auf die Dokumentenpauschale nach § 27 Abs. 1 BRAGO an...

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