Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des ArbG ist gem. § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch sonst zulässig (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG). Insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200,00 EUR.

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Erinnerung des Antragstellers ist zulässig und begründet. Aus den Gründen des Beschlusses durfte der Antrag auf Vergütungsfestsetzung nicht zurückgewiesen werden.

1. Entgegen der Auffassung des ArbG und der Landeskasse ist der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse nicht gem. § 55 Abs. 6 S. 2 RVG erloschen. Das entsprechende Aufforderungsschreiben vom 29.11.2012 ist rechtlich unbeachtlich.

a) Zweck der Regelung des § 55 Abs. 6 S. 1 RVG ist es, dem Urkundsbeamten eine möglichst frühzeitige Schlussabrechnung und eine zuverlässige Abschätzung der für die noch einzuziehenden Raten zu bestimmenden Laufzeit zu ermöglichen (OLG Zweibrücken 21.6.2013 – 2 WF 266/12, Rn 6, juris [= AGS 2013, 530]; OLG Düsseldorf 6.2.2012 – II-5 WF 126-11, 5 WF 126-11, Rn 5, juris). Sie dient hingegen nicht dazu, ihm eine beschleunigte Abwicklung einer Prozesskostenhilfe-Vergütung auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen wie hier im Rahmen der Prozesskostenhilfe-Bewilligung keine Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 1 ZPO getroffen worden ist. Ansonsten wäre die Erwähnung der weiteren Vergütung nach § 50 RVG in § 55 Abs. 6 S. 1 RVG überflüssig. Der Urkundsbeamte kann die Antragstellung durch Fristsetzung vielmehr nur erzwingen, wenn die Festsetzung einer weiteren Vergütung nach § 50 RVG in Betracht kommt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 55 Rn 19). Eine solche setzt voraus, dass das Gericht nach § 120 Abs. 1 ZPO eine Zahlungsanordnung getroffen hat. Darauf, ob eine solche noch möglich ist, weil der 4-Jahreszeitraum des § 120 Abs. 1 S. 4 ZPO noch nicht abgelaufen ist, kommt es nicht an. Die Fristsetzung ist zudem nur möglich für das Stellen eines Antrags auf weitere Vergütung, nicht für die Prozesskostenhilfe-Vergütung (Bischof u.a., RVG, 5. Aufl., § 55 Rn 29). Wie sich bereits aus dem klaren Wortlaut ergibt, korrespondiert § 55 Abs. 6 S. 1 RVG insoweit mit § 50 Abs. 1 und 2 RVG.

b) Anderes folgt auch nicht aus der vom ArbG zitierten Entscheidung des OLG Koblenz v. 7.8.2012 (14 W 423/12, JurBüro 2013, 206 [= AGS 2013, 136]). Dort war eine Zahlungsanordnung getroffen worden, im Zeitpunkt der Aufforderung nach § 55 Abs. 6 S. 1 RVG jedoch mangels Abschluss des Verfahrens eine Festsetzung noch unzulässig. Das OLG Koblenz hat die Aufforderung für wirksam gehalten, da sie vorbereitend eine einstweilige Situationsbeurteilung ermöglichen sollte. Unabhängig davon, ob dieser Auffassung zu folgen ist, unterscheidet sich die hier zu beurteilende Situation dadurch, dass bereits kein Fall des § 50 RVG vorliegt. Eine Festsetzung der weiteren Vergütung kam nicht in Betracht, weil es an einer Zahlungsanordnung gegenüber der bedürftigen Partei fehlte. Damit war der Anwendungsbereich des § 50 RVG nicht eröffnet und folglich auch nicht die Möglichkeit für den Urkundsbeamten, eine Frist nach § 55 Abs. 6 S. 1 RVG zu setzen.

c) Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme selbst darauf hingewiesen, dass Zweck der Regelung des § 55 Abs. 6 S. 1 RVG sei, eine zuverlässige Abschätzung der für die noch einzuziehenden Raten zu bestimmenden Laufzeit zu ermöglichen; dies sei eine Beschleunigung des Verfahrens der Vergütungsfestsetzung. Ohne eine Zahlungsanordnung sind jedoch keine Raten einzuziehen. Es kann auch keine Festsetzung der weiteren Vergütung erfolgen, welche ohnehin grundsätzlich voraussetzt, dass die in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Forderungen bereits getilgt sind. Dies verdeutlicht, dass die hier seitens des Arbeitsgerichts gewählte Verfahrensweise nicht der gesetzlich intendierten Beschleunigung der Festsetzung der weiteren Vergütung gedient hat.

d) Soweit der Bezirksrevisor zudem darauf verwiesen hat, dass im Fall der Versäumung einer wirksam nach § 55 Abs. 6 S. 1 RVG gesetzten Frist nicht nur der Anspruch auf weitere Vergütung, sondern auch solche auf Prozesskostenhilfe-Vergütung erlöschen, vermengt dies in unzulässiger Weise Rechtsvoraussetzungen und Rechtsfolgen. Nur wenn überhaupt Zahlungsanordnungen getroffen sind, muss der Urkundsbeamte einen Überblick über sämtliche Ansprüche gewinnen, also auch über diejenigen auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung.

2. Der Zurückweisungsbeschluss des ArbG war daher aufzuheben. Die Zurückverweisung zur neuen Entscheidung unter Beachtung der in den Beschlussgründen dargelegten Rechtsauffassung der Beschwerdekammer beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 572 Abs. 3 ZPO.

AGS 6/2017, S. 292 - 293

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