I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klage sei zulässig; die Klägerin könne nicht auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG verwiesen werden, weil sich diese Regelung nur auf die Anwaltsvergütung, nicht aber auf die Vorschussforderung nach § 9 RVG beziehe. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil es sich bei den 17 Berufungen um eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG handele.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Die Vorschussklage der Klägerin ist zulässig. Allerdings ist eine Vergütungsklage unzulässig, soweit eine Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG in Betracht kommt, weil es insoweit an dem Rechtsschutzinteresse für eine förmliche Klage fehlt (BGH, Urt. v. 20.11.1980 – III ZR 182/79, NJW 1981, 875, 876; N. Schneider in Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl.,§ 11 Rn 350; Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, 6. Aufl., § 11 Rn 4; Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 11 Rn 6). Das Vergütungsfestsetzungsverfahren bietet eine einfachere und kostengünstigere Möglichkeit, zum begehrten Rechtsschutzziel zu gelangen (N. Schneider, a.a.O.). Doch hätte die Klägerin den begehrten Vorschuss nicht nach § 11 RVG gerichtlich festsetzen lassen können. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG kann, soweit hier von Bedeutung, nur die gesetzliche Vergütung festgesetzt werden. Mit der Beanspruchung eines Vorschusses nach § 9 RVG macht der Anwalt jedoch diese gesetzliche Vergütung noch nicht geltend, sondern lediglich eine Vorauszahlung hierauf (vgl. N. Schneider in Schneider/Wolff, AnwK-RVG, 7. Aufl., § 9 Rn 77; Mayer/Kroiß/Klees, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn 34; Klüsener in Bischof/Jungbauer/ Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn 41; Burhoff, RVGreport 2011, 365, 368).

2. Die Klägerin kann, soweit sie die 1,6-Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV als Vorschuss nach § 9 RVG verlangt, keine weitere Zahlung von der Beklagten verlangen.

a) Nach dieser Regelung kann ein Rechtsanwalt von seinem Auftraggeber für die entstandenen und voraussichtlich noch entstehenden Gebühren einen angemessenen Vorschuss fordern. Grundlage und Grenze der Vorschussforderung bilden mithin die voraussichtlich anfallenden Gebühren (BGH, Urt. v. 29.9.1988 – 1 StR 332/88, BGHSt 35, 357, 362; OLG Bamberg NJW-RR 2011, 935, 936; Baumgärtel, in: Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 9 Rn 10; Klüsener in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 6. Aufl., § 9 Rn 25; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl., § 9 Rn 7; Burhoff, RVGreport 2011, 365, 367). Deswegen kann ein Rechtsanwalt jedenfalls in Höhe der bereits entstandenen, wenn auch wegen § 8 Abs. 1 S. 1 RVG noch nicht fälligen Gebühren einen Vorschuss verlangen (N. Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl., § 9 Rn 45).

Die Klägerin kann von der Beklagten als Vorschuss die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer verlangen, weil sie von der Beklagten den Auftrag erhalten hat, Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG Berlin einzulegen, die Gebühr mithin entstanden ist (N. Schneider, in: Schneider/Wolf, AnwK-RVG, 7. Aufl., VV 3200 Rn 6; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 6. Aufl. Nrn. 3200 bis 3205 VV Rn 2).

b) Die Auffassung des Berufungsgerichts zur Höhe der als Vorschuss geltend gemachten Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV begegnet unter den Umständen des Streitfalls keinen Bedenken.

aa) Nach § 7 Abs. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühr nur einmal. Gem. § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Nach § 15 Abs. 5 S. 1 RVG erhält ein Rechtsanwalt, der, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Mithin hängt die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten die 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV aus dem Gegenstandswert, mit dem diese an dem Verfahren beteiligt ist, also in Höhe von 125.062,00 EUR, in Gänze verdient hat oder ob die Verfahrensgebühr sich aus dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens berechnet, der sich aus der Addition sämtlicher geltend gemachter Einzelansprüche der am Berufungsverfahren beteiligten Kläger ergibt, und die Beklagte an dieser Gebühr nur im Verhältnis ihrer Beteiligung am Gesamtstreitwert beteiligt ist, davon ab, ob die geltend gemachten Ansprüche der Kläger im Ausgangsverfahren eine Angelegenheit i.S.d. genannten Vorschriften sind.

Dies lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrach...

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