Die Antragstellerin kann entgegen der Annahme des LG für die von ihr entfalteten Tätigkeiten aufgrund der gewährten Beratungshilfe Gebühren und Auslagen für insgesamt drei Angelegenheiten beanspruchen, also zwar nicht weitere 3 x 99,96 EUR, wohl aber weitere 2 x 99,96 EUR.

Nach den §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG wird Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt. Daraus folgt, dass einem Rechtsanwalt, der im Rahmen der Beratungshilfe tätig wird und dafür gem. § 44 Abs. 1 S. 1 RVG nach den Bestimmungen des RVG aus der Landeskasse zu vergüten ist, eine Vergütung pro Angelegenheit zusteht, auch wenn nur ein Beratungshilfeschein erteilt worden ist. Wann allerdings von mehreren Angelegenheiten und wann von nur einer Angelegenheit auszugehen ist, lässt sich dem BerHG nicht entnehmen. Eine Definition des Begriffs "Angelegenheit" enthält das BerHG nicht.

Der Begriff der Angelegenheit findet sich auch im RVG. Nach allgemeiner Ansicht kann das dortige Begriffsverständnis grundsätzlich auf das BerHG übertragen werden (OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.2011 – 25 W 499/10). Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit nach dem RVG ist, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist; insgesamt muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 7 ff.).

Bei der Ausfüllung dieser Kriterien werden im Bereich familienrechtlicher Beratungsgegenstände unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Nach einer Ansicht, der auch das LG folgt, handelt es sich um zwei Angelegenheiten, wenn die Beratung Regelungen für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung (Trennungszeit) und solche danach betrifft. Danach können allerdings auch nicht mehr als zwei Angelegenheiten vorliegen. Aus der Vorschrift § 16 Nr. 4 RVG, nach der eine Scheidungssache und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind, könne abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber die Trennungszeit und die dafür zu treffenden Regelungen nicht als zur Scheidungssache und den Folgesachen gehörend ansehe. Daraus folge, dass die Rechtskraft der Scheidung eine Zäsur bilde und Beratungen für die Zeit davor und danach zwei Angelegenheiten betreffen würden. Dass die Beratung für die Trennungszeit als nur eine Angelegenheit eingeordnet würde, biete den Vorteil, dass der Urkundsbeamte keine Einzelfallprüfung vornehmen müsse, ob ein innerer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Beratungsgegenständen gegeben sei oder nicht; eine solche Prüfung sei unzumutbar. Die Annahme von jedenfalls zwei möglichen Angelegenheiten verwirkliche im Übrigen den vom BVerfG in der Entscheidung v. 31.10.2001 (NJW 2002, 429) angesprochenen Gedanken der Gebührengerechtigkeit angemessen (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 29.9.2009 – 6 W 76/08 [= AGS 2009, 593]; OLG München, Beschl. v. 26.9.2011 – 11 W 1719/11 [= AGS 2012, 25]).

Nach a.M. kommt es sowohl für Beratungen für die Zeit der Trennung als auch für die Zeit nach der Scheidung allein darauf an, ob wegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts um Beratung nachgesucht wird. Die Vorschrift des § 16 Nr. 4 sei nicht anwendbar, da sie lediglich das gerichtliche Verbundverfahren erfasse und nicht die außergerichtliche Beratungshilfe, die dem eintretenden Verbund vorgelagert sei; eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht. Bestehe in Zusammenhang mit einer (beabsichtigten) Trennung von Eheleuten Beratungsbedarf, so könnten unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen sein, etwa, wie in dem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall, acht (OLG Köln, Beschl. v. 9.2.2009 – 16 Wx 252/08 [= AGS 2009, 422]; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2012 – 3 Wx 189/12 [= AGS 2012, 591]). Jedenfalls für Beratungen, die die Zeit der Trennung betreffen, folgt auch das OLG Hamm dieser Ansicht (OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.2011 – 25 Wx 499/10).

Schließlich wird vertreten, dass einerseits die Scheidung keine Zäsur bilde, also für Beratungen für die Zeit der Trennung und für die Zeit nach der Scheidung nicht das Vorliegen von je einer Angelegenheit anzunehmen sei, dass aber andererseits nicht jeweils im Einzelfall zu untersuchen sei, ob ein innerer Zusammenhang zwischen den Beratungsgegenständen bestünde oder nicht, sondern dass in generalisierender Betrachtung von bis zu vier möglichen Angelegenheiten auszugehen sei, nämlich:

  Scheidung als solche
  persönliches Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht)
  Fragen im Zusammenhang mit der Ehewohnung und den Hausrat
  finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhalt, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).

Die einzelnen Trennungs- und Scheidungsfolgen könnten völlig unterschiedliche Lebenssachverhalte zum Gegenstand haben, sodass die Annahme jeweils nur einer Angelegenheit verfehlt sei. Andererseits ginge die Ansicht zu weit, nach der die Beratung zu jedem Gegenstand, zu dem Beratungsbedarf anfalle, eine eigene Gebühr auslösen solle. Sachgerecht sei die Aufteilung in die genannten vier Komplexe (OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.3....

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