Leitsatz (amtlich)

Wird von dem AG ein Beratungshilfeschein für die Angelegenheiten "Getrenntleben, Scheidung mit Folgesachen" erteilt, sind bei einer anschließenden umfassenden Beratung durch einen Rechtsanwalt die vier Komplexe Scheidung, Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu Kindern, Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat sowie sonstige finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung), jeweils als gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheiten zu behandeln, so dass die Beratungsgebühr für insgesamt bis zu vier Angelegenheiten geltend gemacht werden kann.

 

Normenkette

RVG § 44 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Schwabach (Beschluss vom 28.09.2010; Aktenzeichen 052 UR II 476/09)

AG Schwabach (Beschluss vom 19.08.2010; Aktenzeichen 052 UR II 476/09)

 

Tenor

1. Die Beschlüsse des AG - Familiengericht - Schwabach vom 28.9.2010 und 19.8.2010 werden abgeändert.

2. Die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird auf 299,88 EUR über den bereits festgesetzten Betrag von 99,96 EUR hinaus festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das AG Schwabach hat Frau A S am 10.12.2009 einen Beratungshilfeschein für die Angelegenheiten "Getrenntleben, Scheidung mit Folgesachen" erteilt.

Die Beteiligte A S hat sich in der Folgezeit von Rechtsanwalt R beraten lassen und ihn mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt. In Ausübung dieses Auftrages hat sich Rechtsanwalt R mit Schreiben vom 30.11.2009 an den Ehemann der Beteiligten A S gewandt.

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers umfasste die Scheidung und die Folgesachen Versorgungsausgleich, Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt, Kindesunterhalt, Ehewohnung, Hausrat, Zugewinn, Vermögensauseinandersetzung und Trennungsunterhalt.

Mit Antrag vom 20.1.2010 hat Rechtsanwalt R eine Vergütung aus der Staatskasse i.H.v. insgesamt 107,10 EUR beantragt.

Von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des AG Schwabach ist mit Beschluss vom 25.1.2010 die zu erstattende Vergütung auf 99,96 EUR festgesetzt worden. Dabei hat der Rechtspfleger folgende Beträge berücksichtigt:

Geschäftsgebühr, VVRVG Nr. 2503: 70,- EUR

Pauschale, VVRVG Nr. 7002: 14,- EUR

Summe: 84 EUR

Mehrwertsteuer 19 %: 15,96 EUR

Summe: 99,96 EUR

Mit Schriftsatz vom 21.4.2010 hat Rechtsanwalt R beim AG Schwabach zehn weitere Anträge auf Festsetzung von Beratungshilfevergütung über jeweils 107,10 EUR für seine Tätigkeiten für Frau A S in folgenden Angelegenheiten eingereicht:

Folgesache Ehewohnung

Folgesache Hausrat

Folgesache elterliche Sorge

Folgesache Umgangsrecht

Folgesache Kindesunterhalt R

Folgesache Kindesunterhalt J

Folgesache Trennungsunterhalt

Folgesache nachehelicher Unterhalt

Güterrecht

Vermögensauseinandersetzung

Der Urkundsbeamte bei dem AG Schwabach hat mit Beschluss vom 19.8.2010 den Antrag auf Festsetzung einer weiteren Vergütung zurückgewiesen.

Die hiergegen von Rechtsanwalt R eingelegte Erinnerung hat das AG - Familiengericht - Schwabach mit Beschluss vom 28.9.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss, welcher ihm am 13.10.2010 zugestellt worden ist, hat Rechtsanwalt R mit Schriftsatz vom 19.10.2010, eingegangen bei dem AG Schwabach an diesem Tag, Beschwerde eingelegt, welche er im Wesentlichen damit begründet, dass jede Angelegenheit, in welcher er im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden sei, kostenrechtlich als eine selbständige Angelegenheit zu behandeln sei, weshalb ihm für jede Angelegenheit eine Beratungshilfegebühr zustehe.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Bezirksrevisor bei dem LG Nürnberg-Fürth hat bereits im Festsetzungsverfahren am 20.5.2010 Stellung genommen und dabei die Auffassung vertreten, dass es sich bei einer Beratung zu den rechtlichen Problemen, die sich aus der Trennung und Scheidung vom Ehegatten ergeben, für den Bereich der Beratungshilfe um eine kostenrechtliche Angelegenheit handele.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert von 200,- EUR ist erreicht, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG. Die Beschwerde ist auch innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG) eingelegt worden.

Das OLG Nürnberg ist als Beschwerdegericht gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG zuständig, weil die angegriffene Entscheidung von dem AG - Familiengericht - Schwabach erlassen worden ist. Insoweit gilt die formelle Anknüpfung, auch wenn es sich bei dem Verfahren zur Vergütung im Rahmen der Beratungshilfe auch dann, wenn in einer familienrechtlichen Angelegenheit beraten wird, nicht um eine Familiensache handelt, letztlich also das Familiengericht beim AG Schwabach nicht zuständig war (vgl. Zöller, 28. Aufl., Rz. 5 u. 8 zu § 119 GVG; BGH FamRZ 1984, 774; OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 713).

Gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 RVG entscheidet im Regelfall der Einzelricht...

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