Der Senat hat seine Entscheidung ausführlich und in jeder Hinsicht zutreffend begründet. Dabei wurden insbesondere Sinn und Zweck des ungeschriebenen, aber in § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO (§ 76 Abs. 2 FamFG) erkennbaren, Grundsatzes nachvollziehbar und mit einer in der Praxis heranzuziehenden Argumentation erläutert. Grundsätzlich findet gegen die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zurückweisende Entscheidung die sofortige Beschwerde binnen Monatsfrist statt, es sei denn, der Streit- oder Verfahrenswert der Hauptsache übersteigt den in § 511 ZPO genannten Betrag in Höhe von 600,00 EUR nicht. Das Gesetz geht also grundsätzlich von der Anfechtbarkeit eines die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zurückweisenden Beschlusses aus, es sei denn, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands wäre mangels Erreichens des Werts des Beschwerdegegenstands im Sinne des § 511 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht zulässig. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO will in diesem Zusammenhang vermeiden, dass ein Rechtsmittelgericht bei einer Nebenentscheidung mit der Hauptsache befasst würde, obwohl die Hauptsache grundsätzlich unanfechtbar wäre und die Auffassung des Rechtsmittelgerichts insoweit für die Entscheidung des Verfahrensgegenstands nie ausschlaggebend sein könnte.

Vom Wortlaut des in Familiensachen entsprechend anwendbaren § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO (§ 76 Abs. 2 FamFG) nicht erfasst sind einstweilige Anordnungsbeschlüsse in Familiensachen, die zwar die Hauptsache, nicht aber das einstweilige Anordnungsverfahren betreffend anfechtbar sind und Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren, die ohne mündliche Verhandlung ergehen und insoweit als "unanfechtbar gelten".

Letzteren Fall hatte das OLG zu beurteilen und ist richtigerweise von der Anfechtbarkeit der die Verfahrenskostenhilfe zurückweisenden Entscheidung in der Gewaltschutzsache ausgegangen. Die Begriffe Anfechtbarkeit oder Unanfechtbarkeit sind weder gesetzlich noch sonst irgendwie definiert. Insoweit die Rechtsprechung ohne mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Anordnungsbeschlüsse als unanfechtbar unterschreibt, weil ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht gegeben sei und grundsätzlich nur beantragt werden könne, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu beschließen, macht diese falsche Rechtsbehelfsbelehrung den Beschluss in der konkreten verfahrensrechtlichen Ausgangssituation noch nicht unanfechtbar, auch wenn § 57 S. 1 FamFG dem Wortlaut nach von der Unanfechtbarkeit von Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung ausgeht.

Auf der Grundlage des § 54 Abs. 2 FamFG kann nämlich eine andere als die beschwerende Entscheidung erreicht werden, weil das Gericht insoweit eine Aufhebungs- und Änderungsbefugnis hat. Eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren, die ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist begrifflich daher stets anfechtbar. Entscheidend im Sinne des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist allein die Frage, ob die Entscheidung des FamG in der Hauptsache anfechtbar ist. Insoweit bestimmt § 57 S. 1 FamFG, dass dies zwar grundsätzlich nicht, vielmehr nur ausnahmsweise (§ 57 S. 2 FamFG) in den gesetzlich geregelten Fällen möglich ist. Ausnahmsweise sind danach Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung "in der Hauptsache" anfechtbar, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden hat in Verfahren

  nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG,
  über die elterliche Sorge für ein Kind,
  über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil,
  über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson,
  über einen Antrag nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes oder
  in einer Ehewohnungssache über einen Antrag auf Zuweisung der Wohnung.

Gewaltschutzsachen sind von § 57 S. 2 FamFG erfasst und gelten daher in der Hauptsache als anfechtbar (§ 57 S. 2 Nr. 4 FamFG). Deshalb besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass das Rechtsmittelgericht in der Hauptsache "einstweilige Anordnung" mit dem Verfahrensgegenstand befasst werden kann. Deshalb ist das Rechtsmittelgericht auf der Grundlage des § 127 Abs. 2 ZPO auch verpflichtet, sich im Verfahrenskostenhilfeverfahren mit der Hauptsache zu befassen, auch wenn das Gericht des ersten Rechtszugs noch nicht mündlich verhandelt hat. Die insoweit abweichenden Auffassungen verkennen den Schutzzweck des § 127 Abs. 2 ZPO und sind deshalb abzulehnen.

Zu beachten ist, dass die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung einer Beiordnung des Rechtsanwalts stets statthaft ist und zwar selbst dann, wenn die Entscheidung im zugehörigen Hauptsacheverfahren unanfechtbar ist.[1]

Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz

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