SGG §§ 172 Abs. 1, 178 S. 1, 197 Abs. 2 RVG §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1

Leitsatz

  1. Das SG entscheidet über Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 197 Abs. 2 SGG endgültig. Eine Beschwerde zum LSG ist nicht statthaft.
  2. Die Rechtsbehelfe des RVG (§ 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 und 4) finden im Sozialgerichtsprozess auf die Kostenfestsetzung im Verhältnis der Beteiligten untereinander keine Anwendung. § 197 Abs. 2 SGG ist abschließend (Fortführung von LSG Chemnitz v. 2.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO).

Sächsisches LSG, Beschl. v. 13.3.2013 – L 8 AS 179/13 B KO

1 Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des SG, mit dem es die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des SG über die vom Beschwerdegegner zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten zurückgewiesen hat. Die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses lautet: "Dieser Beschluss ist endgültig (§ 11 Abs. 3 RVG i.V.m. § 197 Abs. 2 SGG)."

Die Beschwerdeführerin hat dennoch Beschwerde erhoben. Die Beschwerde sei zulässig, da § 197 Abs. 2 SGG den Rechtsbehelf des § 33 Abs. 3 RVG i.V.m. § 56 RVG nicht verdränge. Es sei allgemein anerkannt und nicht streitig, dass trotz des Wortlautes von § 178 S. 1 SGG gegen Erinnerungsbeschlüsse über die Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts die Beschwerde zulässig sei, sofern der Beschwerdewert erreicht werde. Dies müsse auf § 197 Abs. 2 SGG übertragen werden. Es stünden höhere Gebühren zu.

Das LSG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen.

2 Aus den Gründen

Gegen Entscheidungen des SG über Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten ist die Beschwerde nicht statthaft. Denn § 172 Abs. 1 SGG eröffnet die Beschwerde gegen Beschlüsse des SG nur, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine solche spezialgesetzliche Regelung trifft § 197 Abs. 2 SGG. Die Vorschrift lautet: "Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet." Hiermit ist bestimmt, dass keine Beschwerde zum LSG statthaft ist (allg. Meinung; vgl. Senatsbeschl. v. 2.10.2012 – L 8 AS 727/12 B KO).

Eine andere Auslegung ist nicht im Hinblick auf § 178 S. 1 SGG geboten. Diese Norm bestimmt zwar ähnlich wie § 197 Abs. 2 SGG, dass das gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten angerufene Gericht endgültig entscheidet. Es wird aber die Auffassung vertreten, dass § 178 S. 1 SGG für Vergütungsfestsetzungsverfahren der im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwälte von § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG als speziellerer Norm verdrängt wird (so Bayerisches LSG, Beschl. v. 4.10.2012 – L 15 SF 13/11 B E [= AGS 2012, 584]; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.8.2010 – L 3 SF 6/09 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.12.2009 – L 19 B 281/09 AS; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 29.7.2008 – L 6 B 141/07; Thüringer LSG, Beschl. v. 29.4.2008 – L 6 B 32/08 SF; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 178 Rn 3, § 73a Rn 13 f.; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.9.2012 – L 5 AS 44/10 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5.3.2012 – L 5 SF 449/11 B E; LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 26.1.2011 – L 1 B 266/09 SF E.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.5.2011 – L 10 P 112/10 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.1.2008 – L 4 B 13/08 SB; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 14.6.2007 – L 13 B 4/06 AS SF). Dass § 178 S. 1 SGG hinter § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG zurücktritt, entspricht der Spruchpraxis des bisher für Kostensachen zuständigen 6. Senats des Sächsischen LSG. Ohne dass dies hier entschieden werden müsste, neigt der erkennende Senat dazu, diese Rspr. fortzuführen. Ohnehin soll durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in § 1 Abs. 3 RVG klargestellt werden, dass die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren gelten Verfahrensvorschriften – somit auch des SGG mitsamt seines § 178 – vorgehen (siehe BT-Drucks 17/11471).

Hieraus ergibt sich aber nichts für das in § 197 SGG geregelte Verfahren zur Festsetzung der vom Prozessgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten (vgl. Senatsbeschl. v. 2.10.2012 – L (8 AS 727/12 B KO; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.9.2007 – L 19 B 112/07 AS; Straßfeld, in: Jansen, 4. Aufl., § 197 Rn 14). Sowohl die Systematik des RVG als auch der verschiedenen Festsetzungsverfahren schließt die Annahme aus, dass § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG als speziellere Norm § 197 Abs. 2 SGG verdrängt.

Das RVG regelt prozessrechtlich allein die Festsetzung von Vergütungsansprüchen des Rechtsanwalts – in § 11 RVG gegenüber seinem Mandanten und in §§ 45 ff. RVG (für den im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt) gegenüber der Staatskasse. Von diesen Vergütungsfestsetzungsverfahren, die das Innenverhältnis zwischen Mandant – bzw. der an dessen Stelle tretenden Staatskasse – und Rechtsanwalt betreffen, sind die Kostenfe...

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