Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsgebühr. Rahmengebühr. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Kriterium

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bemessung der Rahmengebühren nach dem RVG im Sozialgerichtsverfahren sind vor allem die drei Kriterien "Umfang der anwaltlichen Tätigkeit", "Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit" und "Bedeutung der Angelegenheit (für den Auftraggeber)" relevant für eine Über- oder Unterschreitung der Mittelgebühr.

2. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit bestimmt sich nicht nach dem Blickwinkel eines Allgemeinanwaltes; durchschnittlich schwierig ist vielmehr der durchschnittliche Sozialrechtsfall.

3. Der anwaltliche Aufwand ist wegen der erforderlichen Glaubhaftmachung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren häufig sogar größer als in einer vergleichbaren Hauptsache; Abstriche sind aber bei der Bedeutung für den Auftraggeber zu machen.

4. Streitverfahren nach dem SGB 2 oder SGB 12 sind keineswegs immer existenziell und damit überdurchschnittlich bedeutsam für den Auftraggeber; dies gilt vielmehr nur dann, wenn die Leistungsgewährung insgesamt oder weitestgehend streitig ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 30. April 2007 aufgehoben.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse wird auf 220,40 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer und jetzige Beschwerdegegner wurde im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Neubrandenburg vom 04. Januar 2006 in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 6 ER 94/05 SO dem Antragsteller Detlef M. beigeordnet.

Streitgegenstand des Verfahrens war die Gewährung eines Ernährungsmehrbedarfes wegen Hyperlipidämie nach dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ab Dezember 2005. Der Landkreis Demmin, Antragsgegner im Ausgangsverfahren, hatte einen solchen Mehrbedarf ursprünglich bis Dezember 2005 bewilligt, dem Antragsteller aber mit Bescheid vom 17. November 2005 diesen Mehrbedarf ab dem 01. Dezember 2005 gestrichen. Das SG Neubrandenburg hat, nachdem der Erinnerungsführer am 05. Dezember 2005 für seinen Mandanten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt hatte, diesen darauf hingewiesen, dass der Antrag mangels eines Anordnungsgrundes keine Aussicht auf Erfolg habe. Im Hinblick darauf, dass die Gewährung des Ernährungsmehrbedarfes im Verhältnis zu den gezahlten Regelleistungen einen Anteil an der Gesamtleistung von wenig mehr als 10 % ausmache, fehle die Eilbedürftigkeit. Nachdem der Erinnerungsführer namens seines Mandanten hierauf unter Zitierung von Rechtsprechung dargelegt hatte, dass seines Erachtens sehr wohl ein Anordnungsgrund bestehe, hat das SG Neubrandenburg mit Beschluss vom 04. Januar 2006 für den Monat Dezember 2005 die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Leistungsentziehung angeordnet und für den Folgezeitraum wegen des fehlenden Anordnungsgrundes die einstweilige Anordnung abgelehnt. Der dortige Antragsgegner wurde verpflichtet, 1/12 der außergerichtlichen Kosten des dortigen Antragstellers zu übernehmen. Der Beschluss ist nicht angefochten worden.

Mit Kostennote vom 11. Januar 2006 machte der Erinnerungsführer seine Gebühren und Auslagen gegenüber der Staatskasse geltend und beantragte, auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) den Erstattungsbetrag auf insgesamt 313,20 Euro festzusetzen. Dieser Betrag ergab sich aus einer geltend gemachten Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in Höhe von 250,00 Euro (Mittelgebühr) und der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 zuzüglich Mehrwertsteuer.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG Neubrandenburg setzte die Kosten mit Festsetzungsbeschluss vom 10. Februar 2006 auf insgesamt 220,40 Euro fest. Die Abweichung vom Antrag beruhte hierbei auf der Anerkennung einer Verfahrensgebühr in Höhe von lediglich 170,00 Euro. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Betragsrahmengebühr nach den Bewertungskriterien des § 14 RVG auszufüllen sei. Vorliegend sei die vom Erinnerungsführer geltend gemachte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr überhöht und unbillig und damit nicht verbindlich für die Staatskasse. Vorliegend sei der Umfang des Verfahrens als unterdurchschnittlich zu bewerten gewesen und daher eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr zum Ansatz gebracht worden.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 16. Februar 2006 Erinnerung eingelegt und vorgetragen, vorliegend sei die Mittelgebühr die "billige Gebühr". Man möge den Umfang des Verfahrens im vorliegenden Falle als unterdurchschnittlich bewerten. Vorliegend sei es aber um Leistungen der Existenzsicherung gegangen, so dass das Verfahren für den Antragsteller existenzielle Bedeutung im Wortsinne gehabt habe. Das Gericht habe außerdem in seinem Beschluss mehrere grundsätzliche Rechtsfragen erörtert, die für eine Vielzahl vergleichbar g...

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