ZPO § 121 RVG § 45, 46

Leitsatz

Wird ein nicht im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt zu den Bedingungen eines "im Gerichtsbezirk niedergelassenen" Anwalts beigeordnet, erhält er seine Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk. Soweit das Gericht im Gerichtsbezirk nach regionalen Gesichtspunkten auswärtige Gerichtstage abhält, darf nicht auf die höchstmögliche Entfernung im "Gerichtstagsbezirk" abgestellt werden.

LAG Köln, Beschl. v. 8.3.2013 – 3 Ta 8/13

1 Sachverhalt

Die im Gerichtsbezirk ansässige Klägerin hatte vor dem ArbG Bonn Klage erhoben. Ihr wurde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer in Remscheid niedergelassenen Anwältin bewilligt, allerdings mit der Maßgabe, dass die Prozessbevollmächtigte nur zu den Bedingungen eines "im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts" beigeordnet werde. Die Sache wurde sodann vom ArbG Bonn auf seinem auswärtigen Gerichtstag in Euskirchen verhandelt. Nach Abschluss des Verfahrens berechnete die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihre Reisekosten von Remscheid nach Euskirchen mit 2 x 81 km zuzüglich 35,00 EUR Abwesenheitspauschale nach Nr. 7006 Nr. 3 VV und beantragte deren Festsetzung in Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks des ArbG Bonn (2 x 69 km zuzüglich 35,00 EUR Abwesenheitspauschale nach Nr. 7006 Nr. 2 VV).

Der Urkundsbeamte setzte die Reisekosten zunächst vollständig ab. Der Erinnerung half er teilweise ab und setzte die Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtstagsbezirks (2 x 40 km zuzüglich 20 EUR Abwesenheitspauschale nach Nr. 7006 Nr. 1 VV) fest. Die weitergehende Erinnerung wurde vom Richter zurückgewiesen.

Der zugelassenen Beschwerde, hat der Richter nicht abgeholfen hat, sondern sich insoweit darauf berufen, dass mit Gerichtsbezirk i.S.d. § 121 ZPO hier der "Gerichtstagsbezirk" gemeint sei. Wenn ein ArbG nach regionalen Zuständigkeitsgesichtspunkten auswärtige Gerichtstage abhalte, so der Richter, dann müsse § 121 ZPO dahingehend ausgelegt werden, dass nur auf die höchstmögliche Entfernung innerhalb dieses Gerichtstagsbezirks abzustellen sei; in diesem Sinne habe auch schon das LAG Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 12. 5. 2004 – 4 Ta 89/04) entschieden.

Das LAG der Beschwerde stattgegeben und die arbeitsgerichtliche Entscheidung dahingehend abgeändert, dass die Reisekostenn antragsgemäß festzusetzen sind.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG aufgrund der arbeitsgerichtlichen Zulassung trotz des nicht erreichten Beschwerdewerts statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingelegt worden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Beschwerdeführerin stehen Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld in dem geltend gemachten Umfang zu. Dies folgt aus dem Beiordnungsbeschluss des ArbG sowie der gesetzlichen Regelung in § 121 Abs. 3 ZPO.

Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Anwalt nur in begrenztem Umfang beigeordnet werden, soweit durch seine Beiordnung gegenüber einem bezirksansässigen Anwalt keine weiteren Kosten entstehen. Dem hat das Gericht durch eine entsprechend eingeschränkte Beiordnung Rechnung zu tragen. Dies ist vorliegend durch die "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts" erfolgte erstinstanzliche Beiordnung der Beschwerdeführerin geschehen.

Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Kostenbegrenzung folgt hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten, dass auf die Reisekosten abzustellen ist, die bei einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt maximal entstehen könnten. Maßgeblich ist also die weiteste Entfernung zwischen dem Gerichtssitz und der Grenze des Gerichtsbezirks (vgl. LAG Hessen, Beschl. v. 12.1.2010 – 15 Ta 197/09; LAG München, Beschl. v. 4.12.2008 – 8 Ta 473/08, Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 121 Rn 13a). Auf diese Weise wird der Sinn und Zweck des § 121 Abs. 3 ZPO verwirklicht, den Bedürftigen auch in Bezug auf die Wahl seines Rechtsanwalts nicht besserzustellen als eine nicht hilfsbedürftige Partei, die bei vernünftigem und kostenbewussten Handeln grundsätzlich einen Rechtsanwalt beauftragen wird, der seine Kanzlei in der Nähe seines Wohnortes oder am Gerichtsstand selbst hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.5.2012 – 3 M 34.12).

Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, ist die Höhe der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Fahrtkosten nicht zu beanstanden, denn innerhalb des Gerichtsbezirks des Arbeitsgerichts Bonn sind weitere Entfernungen möglich. Die Beschwerdeführerin verlangt eine Fahrtkostenerstattung für insgesamt 162 gefahrene Kilometer. Ausweislich des Google-Fahrtroutenplaners beträgt beispielsweise die einfache Entfernung von Dahlem bis zum Gerichtsstandort in Bonn bereits 88 km. Dementsprechend ist auch keine Kürzung des Abwesenheitsgelds vorzunehmen.

Entgegen der Rechtsauffassung des ArbG kann eine Begrenzung auf den Bezirk des Prozessgerichts unter Ausk...

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