Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts”

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts” verstößt gegen § 121 Abs. 3 ZPO in der seit dem 01.06.2007 geltenden Fassung.

2. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts verursacht keine Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO, wenn die Entfernung zwischen dem Ort der Niederlassung des auswärtigen Rechtsanwalts und dem Ort des Prozessgerichts geringer ist als die Entfernung zwischen dem Ort des Prozessgerichts und dem Ort im Gerichtsbezirk, der am weitesten vom Prozessgericht entfernt liegt.

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 17.06.2008; Aktenzeichen 24b Ca 723/08 I)

 

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden des Klägers und des Rechtsanwalts T. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 17.06.2008 – 24b Ca 723/08 I – wird dieser teilweise abgeändert und die Beschränkung der Beiordnung des Rechtsanwalts T. „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts” aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger hat am 05.05.2008 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht München – Kammer Ingolstadt – erhoben und gleichzeitig beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des in A., seinem Wohnort, niedergelassenen Rechtsanwalts T. zu bewilligen. Das Arbeitsgericht hat mit einem in der Güteverhandlung vom 17.06.2008 verkündeten Beschluss dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt T. „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts” beigeordnet.

Gegen den ihm nicht zugestellten Beschluss hat Rechtsanwalt T. mit Schriftsatz vom 24.06.2008, beim Arbeitsgericht München eingegangen am 25.06.2008, „namens des Klägers, wie auch im eigenen Namen Beschwerde” eingelegt, mit der er rügt, die Beschränkung seiner Beiordnung auf die Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts sei nicht zulässig.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 02.10.2008 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Auffassung vertreten, die Beschwerde sei nach § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO unzulässig, weil dem Antrag des Klägers in vollem Umfang in den gesetzlichen Grenzen entsprochen worden sei. Die Beschwerde wurde am 21.11.2008 dem Landesarbeitsgericht München vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerden des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten, die als sofortige Beschwerden nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO auszulegen sind, sind zulässig und begründet.

1. Die sofortigen Beschwerden sind nach §§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG statthaft und wurden frist- und formgerecht eingelegt, §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 2 ZPO. Obwohl dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Wahlanwalt beigeordnet wurde, sind sowohl er als auch der beigeordnete Rechtsanwalt durch die angegriffene Entscheidung beschwert. Denn das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Prozesskostenhilfe gerade nicht in vollem Umfang entsprochen, sondern dem Kläger abweichend von dessen Antrag Rechtsanwalt T. ohne dessen Einverständnis nur „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts” beigeordnet und damit dessen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beschränkt, § 48 Abs. 1 RVG (BAG Beschluss vom 18.07.2005 – 3 AZB 65/03 – AP ZPO § 121 Nr. 3; vgl. zur Beschwer von Partei und beigeordnetem Rechtsanwalt auch Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 66. Aufl., § 127 Rn. 71, 74; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 121 Rn. 11).

2. Die sofortigen Beschwerden sind begründet.

a) Die Beschränkung der Beiordnung „zu den Bedingungen eines am Ort ansässigen Anwalts”, womit das Arbeitsgericht offensichtlich Ingolstadt als Ort der gerichtsintern für den Rechtsstreit zuständigen Außenkammer Ingolstadt des Arbeitsgerichts München meint, verstößt gegen § 121 Abs. 3 ZPO in der durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 358) geänderten, seit dem 01.06.2007 geltenden Fassung. Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auf den Gerichtsort stellt § 121 Abs. 3 ZPO nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht (mehr) ab.

b) § 121 Abs. 3 ZPO steht einer unbeschränkten Beiordnung des Rechtsanwalts T. nicht entgegen, sodass offen bleiben kann, ob der für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellte Beiordnungsantrag eines nicht beim Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts enthält (so zu § 121 Abs. 3 ZPO a. F. die für Kostensachen zuständige Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts München in ständiger Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschluss vom 20.02.2002 – 1...

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