I. Geltendmachung der Vergütungsansprüche

Unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 RVG kann der beigeordnete Anwalt die Differenz zwischen PKH/VKH-Vergütung und der Regelvergütung aus der Staatskasse fordern. Abgesehen von den Verjährungsregelungen ist die Geltendmachung der Vergütung nicht fristgebunden. Zu beachten ist jedoch § 55 Abs. 6 S. 1 RVG, denn hat der Anwalt die weitere Vergütung nicht bereits mit der PKH/VKH-Vergütung geltend gemacht, kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Anwalt auffordern, die weitere Vergütung binnen einen Monats bei Gericht einzureichen. Kommt der Anwalt der Aufforderung nicht nach, erlöschen seine Ansprüche gegenüber der Staatskasse (§ 55 Abs. 6 S. 2 RVG).

Es empfiehlt sich daher stets, die weitere Vergütung bereits in dem Vergütungsantrag für die PKH/VKH-Vergütung geltend zu machen, was in den Vordrucken, die zumeist verwendet werden, ohne Weiteres möglich ist.

II. Eintritt der Rechtsfolgen

An den Eintritt der Rechtsfolgen des § 55 Abs. 6 S. 2 RVG sind jedoch bestimmte Anforderungen gestellt. Werden diese durch das Gericht nicht eingehalten, erlischt der Anspruch auch bei erfolgter gerichtlicher Aufforderung nicht, weil im Hinblick auf die stringente Rechtsfolge des Erlöschens der Ansprüche des Anwalts gegen die Staatskasse strenge Anforderungen zu stellen sind.[1] Aus dem Wortlaut der Norm "kann" ergibt sich zudem kein Ermessensspielraum des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sodass er stets auffordern muss, wenn die Vergütungsansprüche nach § 55 Abs. 6 S. 2 RVG erlöschen sollen.

Die Aufforderung des Gerichts muss schriftlich erfolgen, eines Beschlusses bedarf es aber nicht, sodass einfaches Schreiben genügt. Darin müssen zwingend eine Fristsetzung und auch ein Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 55 Abs. 6 S. 2 RVG ergehen.[2] Das Schreiben muss dem beigeordneten Anwalt zugehen, dem die Vergütungsansprüche gegenüber der Staatskasse zustehen, so dass der Zugang der Aufforderung an einen anderen Anwalt nicht genügt.[3]

Die Fristsetzung setzt nicht voraus, dass das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung, Vergleich oder Rücknahme beendet ist. Die Aufforderung nach § 55 Abs. 6 RVG kann deshalb auch ergehen, wenn das Verfahren im verfahrensrechtlichen Sinne noch nicht beendet ist, z.B. bei längerem Nichtbetreiben.[4]

Da mit der Aufforderung eine Frist in Lauf gesetzt wird, ist sie dem Anwalt nicht formlos zu übersenden, sondern förmlich zuzustellen, in der Regel durch Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO).

Die sich in den Akten befindliche Urschrift der Verfügung muss durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterschrieben sein, eine bloße Paraphe genügt nicht,[5] jedoch ist es ausreichend, wenn die Unterschrift zwar einen paraphenähnlichen Schriftzug aufweist, der jedoch aus Buchstaben der üblichen Schrift bestehend einen individuell gestalteten Namensteil mit Unterscheidung gegenüber anderen Unterschriften und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt.[6] An den Anwalt wird dann eine beglaubigte Abschrift der Verfügung oder das vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eigenhändig unterschriebene Aufforderungsschreiben übersandt.

[3] OLG Koblenz EzFamR aktuell 2002, 142.
[5] OLG Düsseldorf MDR 1989, 556; LAG Hamm BRAGOreport 2003, 31.
[6] OLG Bamberg JurBüro 1993, 89.

III. Fristberechnung

Obwohl durch § 55 Abs. 6 RVG nicht eindeutig vorgegeben, beginnt die Monatsfrist mit der Zustellung des Aufforderungsschreibens an den Anwalt. Die Zustellung muss an den Anwalt erfolgen, dem die maßgeblichen Vergütungsansprüche zustehen. Erfolgt die Zustellung, etwa bei Auswechslung der beigeordneten Anwälte, an einen anderen Anwalt, wird die Frist nicht in Lauf gesetzt. Gehört der beigeordnete Anwalt einer Sozietät an, ist jeder Anwalt empfangsberechtigt.[7] Das Empfangsbekenntnis muss durch den Anwalt persönlich unterzeichnet sein, die Unterschrift des Bürovorstehers, von Büropersonal oder eines Referendars genügt nicht.[8]

Die Frist berechnet sich nach § 222 ZPO gegebenenfalls i.V.m. §§ 16 Abs. 2, 113 Abs. 1 FamFG. Es wird auf die Vorschriften des BGB verwiesen (§ 222 Abs. 1 ZPO). Da es sich um eine Monatsfrist handelt, endet die Frist mit Ablauf des Tages des folgenden Monats, der seiner Zahl nach dem Zustellungstag entspricht (§ 188 Abs. 2 BGB i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO).

Fehlt der Zustellungstag im Folgemonat, endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages des Folgemonats. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag (am Gerichtsort) oder einen Sonnabend, endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 222 Abs. 2 ZPO).

 

Beispiel 1

Die Aufforderung nach § 55 Abs. 6 RVG wird dem Anwalt am 13.2.2013 zugestellt.

Die Monatsfrist endet mit Ablauf des 13.3.2013, so dass der Vergütungsantrag noch bis zum 13.3.2013 – 24:00 Uhr bei Gericht (gegebenenfalls in den Nachtbriefkasten) eingehen kann. Am 14.3.2013 – 0:00 Uhr ist der Anspruch erloschen.

 

Beispiel 2

Die Aufforderung nach § 55 Abs. 6 RVG wird dem Anwalt am 31.8.2013 zugestellt.

Die Monatsfrist endet mit Ablauf des...

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