Von der Möglichkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens wird in Familiensachen viel zu wenig Gebrauch gemacht. In der Praxis ist kaum bekannt, dass diese Möglichkeit in Familienstreitsachen besteht. Selbst der Gesetzgeber hatte dies zunächst nicht bemerkt und übersehen, im FamGKG einen Gebührentatbestand für das selbstständige Beweisverfahren zu regeln. Dies ist zwischenzeitlich durch die zum 28.12.2010[1] eingeführte Nr. 1503 FamGKG-KostVerz. geschehen.

Insbesondere in Zugewinnsachen, bei denen der Streit häufig nur um den Wert einer Immobilie[2] oder eines Geschäftsbetriebs[3] geht, bietet sich das selbstständige Beweisverfahren an.

Die Beteiligten haben die Möglichkeit, schnell eine Bewertung dieser Vermögensposition zu erhalten, wodurch sich dann in aller Regel auch der Streit über die Höhe des Zugewinns ebenso schnell erledigt. Der Vorteil für die Beteiligten liegt darin, dass im selbstständigen Beweisverfahren nur eine 1,0-Gebühr bei Gericht erhoben wird, während der Rechtsstreit 3,0-Gebühren kostet.

Auch für die beteiligten Anwälte ist das selbstständige Beweisverfahren interessant, da dort sämtliche Gebühren des Verfahrens (1,3-Verfahrensgebühr und 1,2-Terminsgebühr) verdient werden können. Kommt es dann zu einer Einigung, entsteht – im Gegensatz zum Zugewinnverfahren – eine 1,5-Einigungsgebühr (arg. e. Nr. 1003 VV).

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich der Wert des Beweisverfahrens weder nach dem Wert des zu begutachtenden Gegenstands noch nach der streitigen Wertdifferenz richtet, sondern danach, inwieweit die streitige Wertdifferenz Auswirkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch hat.

 

Beispiel

Der Ehemann ist der Auffassung, das Grundstück habe lediglich einen Wert von 100.000,00 EUR, während die Ehefrau von einem Wert in Höhe von 150.000,00 EUR ausgeht.

Streitig ist also eine Differenz von 50.000,00 EUR. Würde die Auffassung der Ehefrau zutreffen, würde sich dadurch aber lediglich ein um 25.000,00 EUR höherer Zugewinnausgleichsanspruch ergeben, so dass der Verfahrenswert für das Beweisverfahren auf 25.000,00 EUR festzusetzen ist.

Zutreffend ist auch, dass einem bedürftigen Beteiligten Verfahrenskostenhilfe für das selbstständige Beweisverfahren zu gewähren ist. Im Gegensatz zum Hauptsacheprozess setzt jetzt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht voraus, dass hinreichende Erfolgsaussichten für den Hauptsacheanspruch bestehen, sondern lediglich, dass hinreichende Erfolgsaussichten dafür bestehen, dass dem Beweisantrag stattgegeben wird.

Faktisch hat die bedürftige Partei damit die Möglichkeit, kostenlos ein Gutachten zu erhalten.

Das ist aber nicht zu beanstanden. Für ein Hauptsacheverfahren müsste der bedürftigen Partei ebenfalls Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden. Auch dann würde das Gericht die Kosten des Gutachters zahlen.

Die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens ist im Übrigen in diesen Fällen auch zweckmäßig und führt zur Entlastung der Gerichte, da sich das Gericht dann nur mit dem konkreten Beweisantrag befassen muss und nicht mit der gesamten Zugewinnberechnung.

Norbert Schneider

[1] Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften, BGBl I 2010, 2248.
[2] Siehe OLG Köln AGS 2010, 180 = FamRZ 2010, 1585 = FamRB 2010, 133 = NJW-Spezial 2010, 390 = FamFR 2010, 234; OLG Hamm FamRZ 2000, 1023.
[3] OLG Koblenz OLGR 2009, 211 = FamRZ 2009, 804 = FF 2009, 216.

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