Leitsatz

  1. Eine formfreie Gebührenvereinbarung für eine außergerichtliche Beratung liegt nur vor, wenn sich den Abreden der Parteien entnehmen lässt, dass oder in welchem Umfang die vereinbarte Vergütung ausschließlich Leistungen nach § 34 RVG umfasst.
  2. Eine Vergütungsvereinbarung ist von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung abgesetzt, wenn der Vertrag die Vergütungsvereinbarung in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt oder Paragraphen regelt. Deutlich ist dieses Absetzen, wenn die Vergütungsvereinbarung optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen – mit Ausnahme der Auftragserteilung – abgegrenzt ist.

BGH, Urt. v. 3.12.2015 – IX ZR 40/15

1 Sachverhalt

Die Klägerin, eine Rechtsanwaltssozietät, und die Beklagte hatten im November 2012 eine als "Beratungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung geschlossen. Der Text besteht aus einer Präambel und sieben Paragraphen mit gleicher Schrifttype, gleichen Zeilenabständen und einheitlicher drucktechnischer Gestaltung. Der Vertrag bestimmt unter anderem:

 
Hinweis

"§ 1 Vertragsgegenstand"

1) Gegenstand dieses Vertrages sind rechtliche Beratungsleistungen der Auftragnehmer, insbesondere Überprüfung und Erstellung von Verträgen / Urkunden, Erstattung von Gutachten / gutachterlichen Stellungnahmen, Vorbereitung von und Mitwirkung an Verhandlungen mit Geschäftspartnern und sonstigen Dritten, Erteilung schriftlicher und (fern-) mündlicher Auskünfte, mit Ausnahme von strafrechtlichen Angelegenheiten.

2) Dieser Beratungsvertrag gilt für die außergerichtliche Tätigkeit.

(…)

§ 4 Vergütung

1) Zwischen den Parteien wird eine monatliche Vergütung in Höhe von netto EUR 3.000,-- (in Worten: Euro dreitausend) vereinbart, zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Mehrwertsteuer. Das Beratungshonorar beträgt derzeit somit brutto EUR 3.570,--.

(…)“

Außerdem enthält der Vertrag Regelungen zur Haftungsbegrenzung (§ 5) sowie eine Gerichtsstandsvereinbarung (§ 7 Abs. 1). In der Schlussbestimmung (§ 7 Abs. 2) verpflichten sich die Parteien, sich im Fall der Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen auf eine dem wirtschaftlich gewollten Sinn und Zweck entsprechende Regelung zu einigen.

Die Beklagte kündigte den Vertrag zum 30.9.2013. Sie nahm im August und September 2013 keine Dienstleistungen der Klägerin mehr in Anspruch. Die Klägerin macht im Urkundenprozess die Vergütung für August und September 2013 in Höhe von insgesamt 7.140,00 EUR geltend. Das LG hat die Beklagte unter dem Vorbehalt der Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die keinen Erfolg hatte.

2 Aus den Gründen

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in AnwBl 2015, 350 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung der in § 4 Abs. 1 des Beratungsvertrages festgeschriebenen Pauschalvergütung für die Monate August und September 2013 gegen die Beklagte zu. Die seitens der Klägerin geschuldeten Leistungen gingen über eine anwaltliche Beratungstätigkeit i.S.d. § 34 Abs. 1 RVG hinaus. Deshalb sei die Vereinbarung an den formellen Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 RVG zu messen. Da die Vergütungsvereinbarung nicht gem. § 3a Abs. 1 S. 2 RVG deutlich von den anderen im Beratungsvertrag enthaltenen Vereinbarungen abgesetzt sei, könne die Klägerin gem. § 4b RVG lediglich die gesetzliche Vergütung geltend machen. Ein gesetzlicher Vergütungsanspruch sei aber nicht entstanden, weil die Klägerin im August und September 2013 keine Tätigkeiten für die Beklagte erbracht habe.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat einen aus vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage folgenden Honoraranspruch der Klägerin für die Monate August und September 2013 mit Recht verneint.

1. Die Vergütungsvereinbarung unterliegt den Formerfordernissen des § 3a Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG. Das Berufungsgericht hat den der Klägerin erteilten Auftrag dahin ausgelegt, dass er auch nach Nr. 2300 VV zu vergütende rechtsanwaltliche Geschäftstätigkeiten umfasse und die Vergütungsabrede sich auch auf diese Tätigkeit erstrecke. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mithin kann sich die Klägerin nicht auf die Ausnahme des § 3a Abs. 1 S. 4 RVG berufen.

a) Ein Rechtsanwalt kann aufgrund einer formfrei geschlossenen Vergütungsvereinbarung – unabhängig von ihrer Bezeichnung (§ 133 BGB, § 3a Abs. 1 S. 2 RVG) – für anwaltliche Tätigkeiten eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur verlangen, soweit der Gegenstand des Auftrags die in § 34 Abs. 1 RVG genannte Beratung ist und diese nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängt oder es sich um die Ausarbeitung schriftlicher Gutachten oder die Tätigkeit als Mediator handelt. Erstreckt sich der Auftrag, für den die Vergütungsvereinbarung getroffen wird, auch auf anwaltliche Tätigkeiten, für die ...

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