1. Die in Betracht kommende Fälligkeitstatbestände

Ein Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist gem. § 33 Abs. 2 S. 1 RVG erst zulässig, wenn die Anwaltsvergütung des betreffenden Rechtsanwalts fällig geworden ist. Es muss somit zumindest einer der in § 8 Abs. 1 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände erfüllt sein. Ob vorliegend einer der in § 8 Abs. 1 S. 1 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände erfüllt waren (Auftragserledigung oder Beendigung der Angelegenheit), hat das LAG nicht erörtert. Das LAG ist auch nicht darauf eingegangen, ob die ersten beiden in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände vorgelegen haben, nämlich Erlass einer Kostenentscheidung oder Beendigung des Rechtszuges. Beides war wahrscheinlich nicht der Fall.

2. Ruhen des Verfahrens

Somit kam als einziger Fälligkeitstatbestand nur das in § 8 Abs. 1 S. 2 3. Fall RVG aufgeführte Ruhen des Verfahrens für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten in Betracht. Zutreffend hat das LAG Berlin-Brandenburg aufgeführt, dass dies nicht zwingend eine förmliche Anordnung des Ruhens seitens des Gerichts gem. § 251 ZPO bedarf. Vielmehr genügt es, dass das Verfahren über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten tatsächlich geruht hat, das Gericht also mehr als drei Monate lang nichts veranlasst hat (s. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 26. Aufl., 2023, § 8 Rn 29; AnwK-RVG/Volpert/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, § 8 RVG Rn 98). Das LAG Berlin-Brandenburg fordert darüber hinaus noch weiter, dass das Gericht zu erkennen gegeben hat, dass es das Verfahren von sich aus bis auf Weiteres nicht betreiben wolle (LAG Köln, Beschl. v. 17.11.2011 – 7 Ta 30/11; OLG Karlsruhe NJW-Spezial 2008, 92). Die Praxis und damit auch das LAG Berlin-Brandenburg legt diese Vorschrift im Interesse der Rechtsanwälte großzügig aus. Dies wird damit begründet, der in einem gerichtlichen Verfahren tätige Anwalt soll seine Vergütung nicht nur und erst dann geltend machen, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist, wenn eine Kostenentscheidung ergangen ist oder der Rechtszug beendet ist, sondern auch dann, wenn ein mehr als drei Monate andauernder faktischer Stillstand des Verfahrens eingetreten ist.

3. Einfluss auf die Verjährung

Diese an sich für die Fälligkeit der Anwaltsvergütung großzügige Auslegung kann allerdings auch ihre Nachteile haben. Denn beim Ruhen des Verfahrens endet die Hemmung der Verjährung der Anwaltsvergütung gem. § 8 Abs. 2 S. 3 RVG drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit. Legt also ein Rechtsanwalt die Handakten eines ruhenden Verfahrens auf längere Frist, muss er darauf achten, dass die Hemmung der Verjährung der Anwaltsvergütung nach einem Zeitraum von drei Monaten nach Eintritt der Fälligkeit, bei Ruhen des Verfahrens also nach sechs Monaten endet. Gerät dann ein ruhendes Verfahren außer Kontrolle, kann es sein, dass die Anwaltsvergütung verjährt. Deshalb sollte bei ruhenden Verfahren zumindest eine Sechsmonatsfrist notiert werden. Nach Ablauf dieser Frist kann der Rechtsanwalt überprüfen, wie es um das Verfahren steht und ob er die fällige Anwaltsvergütung gegen seinen Mandanten geltend machen oder er verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen muss.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 12/2023, S. 546 - 548

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