Rz. 96

Ruht das Verfahren länger als drei Monate, tritt ebenfalls die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ein. Diese Bestimmung wird häufig übersehen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, dem Anwalt einen fälligen Vergütungsanspruch zu verschaffen, wenn die Sache nicht mehr weiter betrieben wird. Die Kehrseite hiervon ist jedoch, dass damit auch der Verjährungsablauf der Vergütung beginnt, was häufig nicht beachtet wird (siehe Rdn 108 f.).

 

Rz. 97

Die 3. Var. des Abs. 1 S. 2 gilt grundsätzlich für alle gerichtlichen Verfahren, unabhängig davon, ob der Amtsermittlungsgrundsatz gilt oder die Dispositionsmaxime. Auf schiedsrichterliche Verfahren findet Abs. 1 S. 2, 3. Var. dagegen keine Anwendung.[73]

 

Rz. 98

Das "Ruhen" des Verfahrens i.S.d. Abs. 1 S. 2, 3. Var. ist nicht streng prozessual zu verstehen. Es ist also nicht erforderlich, dass das Gericht z.B. nach § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens anordnet.[74] Vielmehr reicht es aus, dass in der Angelegenheit tatsächlich länger als drei Monate nichts mehr geschieht.[75]

 

Rz. 99

Voraussetzung ist, dass das Gericht durch sein Verhalten zu erkennen gibt, in der Sache zunächst nichts Weiteres zu veranlassen. Daher ist nicht von einem Ruhen i.S.d. Abs. 1 S. 2 auszugehen, wenn das Gericht auf einen Zeitraum von über drei Monaten hinaus terminiert, eine Stellungnahmefrist von mehr als drei Monaten setzt, die Berufungsbegründungsfrist auf einen Zeitraum von über drei Monaten verlängert oder für einen Zeitraum von über drei Monaten keine verfahrensleitenden Maßnahmen trifft.[76] Auch wenn sich faktisch über drei Monate hinweg in dieser Sache nichts tut, ruht das Verfahren nicht, sondern wird weiter betrieben.

 

Rz. 100

Werden die Akten an ein anderes Gericht verschickt, so kann ebenfalls nicht von einem Ruhen des Verfahrens ausgegangen werden, es sei denn, das Empfangsgericht lässt die Sache dort liegen und bearbeitet sie länger als drei Monate nicht weiter. Die Untätigkeit eines ersuchten oder beauftragten Richters reicht aus. Werden die Akten dagegen an einen Sachverständigen verschickt und lässt dieser die Sache liegen, ist ein Ruhen des Verfahrens i.S.d. Abs. 1 S. 2, 3. Var. nicht gegeben, da dessen Untätigkeit nicht dem Gericht zuzurechnen ist.

 

Rz. 101

Auch die Aussetzung (z.B. §§ 148 ff. ZPO; §§ 138c Abs. 4, 228, 246, 265 Abs. 3 und 4, 416, 145, 217 ff. StPO) sowie die Unterbrechung (§§ 239 ff. ZPO) gelten als Ruhen i.S.d. Abs. 1 S. 2, 3. Var., da auch in diesen Fällen das Gericht zu erkennen gibt, bis auf weiteres nichts zu veranlassen.[77] Gleiches gilt im Falle des § 140 FamFG (früher § 627 ZPO a.F.), wenn gegen die Vorwegentscheidung Beschwerde eingelegt wird und das Gericht im Hinblick auf § 140 FamFG (früher § 627 Abs. 2 ZPO a.F.) das Verfahren zunächst nicht weiter betreibt.

 

Rz. 102

In Strafsachen führt auch eine vorläufige Einstellung nach § 205 StPO zur Fälligkeit der Vergütung, da das Gericht zu erkennen gibt, in der Sache zunächst nichts Weiteres zu veranlassen. Dies gilt allerdings nicht für eine Pauschvergütung nach §§ 42, 51, da für deren Bewilligung eine Gesamtschau erforderlich ist, die erst nach Abschluss der Instanz vorgenommen werden kann.[78] Der Fall liegt hier anders als bei der Aufhebung der Bestellung (siehe Rdn 23), da dort für den ausgeschiedenen Pflichtverteidiger eine abschließende Betrachtung angestellt werden kann. Im Fall einer vorläufigen Einstellung nach § 205 StPO ist dies jedoch weder für den Wahlanwalt noch für den Pflichtverteidiger möglich, da noch mit weiteren Tätigkeiten des Anwalts zu rechnen ist. Eine Fälligkeit der Pauschvergütung tritt daher nicht ein.[79] Der Pflichtverteidiger muss hier also auf Vorschüsse verwiesen werden (§ 47 Abs. 1); ebenso der Wahlanwalt (§ 9).

 

Rz. 103

Tritt infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Unterbrechung des Verfahrens ein (§ 240 ZPO), ist damit das Verfahren nicht beendet. Die Fälligkeit tritt daher auch hier erst ein, wenn innerhalb von drei Monaten ab der Unterbrechung in dem Verfahren nichts Weiteres geschieht.[80]

 

Rz. 104

Auch bei der Alternative des Ruhens des Verfahrens kommen Teilfälligkeiten in Betracht. Ergeht ein Teil-, Grund- oder Vorbehaltsurteil und wird hiergegen Berufung eingelegt, so wird die übrige Vergütung, also soweit sie nicht von der Entscheidung des Grund- oder Teilurteils erfasst ist, fällig, wenn das Gericht die Sache mehr als drei Monate nicht bearbeitet.

 

Beispiel: In einem Rechtsstreit über 30.000 EUR erlässt das LG ein Teilurteil über 20.000 EUR. Hiergegen wird Berufung eingelegt. Das LG bearbeitet das anhängig gebliebene Verfahren nicht weiter, sondern will den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten.

Mit dem Teilurteil wird die Vergütung aus den 20.000 EUR fällig. Nach Ablauf von drei Monaten ab Erlass des Teilurteils wird auch die Vergütung hinsichtlich der restlichen 10.000 EUR fällig, wenn das Gericht insoweit das Verfahren nicht weiter betreibt.

 

Rz. 105

Das Gleiche gilt, wenn das Gericht z.B. eine Widerklage oder Klageerweiterung nicht weiter betreibt, we...

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