Berechnung des Beschwerde- und des Gegenstandswertes

Sind außer dem Hauptanspruch auch Nebenforderungen betroffen, regelt § 4 ZPO deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung beim Beschwerdewert und § 43 GKG beim Streitwert für die Gerichts- und Anwaltskosten.

Üblicherweise handelt es sich um herauszugebende Nutzungen, Zinsen oder Kosten der Rechtsverfolgung.

Einfach ist die Berechnung des Beschwerde-/Streitwerts, wenn eine Hauptforderung und z.B. Zinsen hierauf geltend gemacht werden. Wäre in dem oben genannten Fall eine Weiterveräußerung unterblieben, hätte das Gericht den Beschwerde- und den Streitwert auf 32.430,00 EUR (nur die Hauptforderung) festgesetzt.

Ebenfalls einfach zu berechnen wäre der Streitwert, wenn die Hauptforderung vollständig durch Weiterveräußerung und vorgerichtlicher Zahlung der restlichen Hauptforderung durch die Gegenseite erledigt gewesen wäre. Wären dann "nur" noch die Zinsen eingeklagt worden, wären diese vollständig als "Hauptforderung" zu bewerten.

In dem nun vom BGH entschiedenen Fall erfolgte jedoch lediglich eine Teilerledigung der Hauptforderung. Die eigentliche Hauptforderung von 32.430,00 EUR wurde teilweise durch den Weiterverkauf des Pkw um den Kaufpreis von 14.200,00 EUR reduziert. Da jedoch die Zinsen weiterhin von dem vollen Betrag von 32.430,00 EUR gefordert wurden, sind die anteiligen Zinsen, die auf den erledigten Teil entfallen, keine Nebenforderung, sondern werden zu Hauptforderung.

Der BGH kann rechnen: In der hier besprochenen Entscheidung zeigt der BGH, dass er rechnen kann. Er "pflückt" zutreffend die Zinsforderung auseinander. Während der Kläger natürlich 4 % Zinsen aus der gesamten (früheren) Hauptforderung von 32.430,00 EUR geltend macht, sind beim Beschwerde- und beim Streitwert für die Anwalts- und Gerichtskosten nur die Zinsen zu berücksichtigen, die mangels Hauptforderung selbst zur Hauptforderung geworden sind. Das sind, wie der BGH richtig berechnet, die 4 % Zinsen aus dem "erledigten" Kaufpreisteil von 14.200,00 EUR. Die entsprechenden Zinsen, die der BGH mit 3.323,97 EUR ausgerechnet hat, erhöhen den Beschwerde- und den Streitwert.

Leider konnte oder wollte der BGH in seiner früheren Entscheidung v. 19.12.2018 (IV ZB 10/18) diese konkrete Berechnung des Einzelfalles nicht vornehmen und hat pauschal die gesamten Nebenforderungen als "Hauptsache" angesehen und zusätzlich bewertet. Die damaligen Hinweise, der Zweck der vereinfachten Streitwertberechnung würde verfehlt, wenn es in Fällen der vorliegenden Art für die Streitwertermittlung darauf ankäme, ob und in welchem Umfang der eingeklagte Nutzungsherausgabeanspruch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem weiter geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsbeiträge steht, von diesem also sachlich rechtlich abhängt, zieht nicht.

Selbstverständlich sind die deutlichen Inhalte der § 4 ZPO und § 43 GKG für die Gerichte zu beachten.

In der vorstehenden Entscheidung v. 19.12.2018 (IV ZB 10/18) konnte der BGH auch die Zinsen, die nicht in dem Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung stehen, berechnen und bewerten und die Zinsen, die in dem Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung stehen, gerade nicht bewerten. Die Entscheidung des BGH v. 19.12.2018 ist daher zurecht kritisiert worden (OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2019 – 8 U 275/18, VersR 2019, 807 f.; OLG Rostock, Urt. v. 14.10.2021 – 4 U 50/21).

Dass der BGH bei den Nebenforderungen rechnen kann und die Abhängigkeit von einer Hauptforderung berücksichtigt bzw. verneint, zeigt die nun hier besprochene Entscheidung vom 16.9.2021 (III ZR 298/20). Ja, manchmal ist es rechnerisch etwas komplizierter, die Nebenforderungen der Hauptforderung und die Nebenforderungen des bereits erledigten Teils einer "früheren" Hauptforderung zu berechnen. Dies darf aber nicht dazu führen, Nebenforderungen grds. zu berücksichtigen und damit den Willen des Gesetzgebers zu unterlaufen.

Zu beachten ist dabei auch, dass die Bewertung oder die Nichtbewertung großen Einfluss auf die Höhe der Anwalts-, Gerichtskosten und den Beschwerdewert hat. Zu hohe Festsetzungen belasten die Parteien des Verfahrens mit nicht berechtigten Anwalts- und Gerichtskosten. Fehlerhafte Zuständigkeits- oder Beschwerdewerte belasten ebenfalls die Parteien, weil das falsche Gericht angerufen oder eine Berufung/Revision ermöglicht oder verhindert wird. Dies gilt es durch die konsequente Anwendung der § 4 ZPO und § 43 GKG zu vermeiden.

Hans-Willi Scharder, Mönchengladbach

AGS 12/2021, S. 559 - 561

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