ZPO §§ 91 Abs. 1, S. 1, 121 Abs. 3 u. 4; RVG VV Nr. 3400

Leitsatz

  1. Der Partei ist im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe jedenfalls dann ein Verkehrsanwalt beizuordnen, wenn es sich nicht um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, der auch eine telefonische oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten am Gerichtssitz als ausreichend erscheinen lässt.
  2. In diesem Fall ist die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes geboten, soweit die hierdurch entstehenden Kosten nicht höher liegen als 110% der eingesparten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten am Wohnort der Partei (so schon LAG Hamm, Beschl. v. 15.2.2018 – 5 Ta 447/17, juris m.w.N.).

LAG Hamm, Beschl. v. 26.9.2018 – 5 Ta 447/18

1 Sachverhalt

Die Klägerin hatte Zahlungsklage sowie Klage auf die Erteilung von Abrechnungen für den Zeitraum der Beschäftigung erhoben und hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten begehrt.

Das ArbG bewilligte der Klägerin Prozesskostenhilfe bei Ratenzahlung unter Beiordnung ihrer Rechtsanwältin zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin sofortigen Beschwerde, in der sie u.a. geltend machte, dass bei dem vorliegenden Rechtsstreit die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erforderlich wäre, so dass eine Beiordnung der Klägervertreterin nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes nicht in Betracht komme. Das ArbG wies darauf hin, dass auch eine Beauftragung eines im Bezirk ansässigen Rechtsanwaltes bei telefonischer Information in Betracht käme. Mit weiterem Schriftsatz verwies die Klägerin darauf, dass angesichts der tatsächlichen Komplexität des Sachverhaltes, der sich aus den Schriftsätzen der Parteien ergebe, sowie der Berufung der Beklagten auf Ausschlussfristen und die fehlenden Abrechnungen die Beiordnung wie beantragt erforderlich sei.

Das ArbG half der sofortigen Beschwerde insoweit ab, als die geforderten Raten herabgesetzt wurden. Die Beiordnungsentscheidung wurde aufrechterhalten.

Die Beschwerde hatte auch i.Ü. Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und begründet.

1) Grds. kann ein außerhalb des Gerichtsbezirks ansässiger Rechtsanwalt nur dann ohne Einschränkungen beigeordnet werden, wenn hieraus Mehrkosten nicht entstehen. Ansonsten hat die Beiordnung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes zu erfolgen. Da diese Regelung zwingend durch das Gesetz vorgegeben ist, ist davon auszugehen, dass dem Prozesskostenhilfe beantragenden Rechtsanwalt bekannt ist, dass eine Beiordnung nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verlangt werden kann. Eine Einverständniserklärung des Rechtsanwaltes mit dieser Verfahrensweise erübrigt sich; ein Hinweis des Gerichtes ist nicht erforderlich (so zuletzt auch LAG Hamm, Beschl. v. 15.2.2018 – 5 Ta 447/17; LAG Hamm Beschl. v. 5.3.2014 – 5 Ta 107/14, n.v.; LAG Hamm Beschl. v. 18.8.2008 – 7 Ta 519/08).

Vor der Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwaltes ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO gegeben sind. Hierzu bedarf es keines Antrages der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei, vielmehr handelt es sich um eine Incidentprüfung, da im Fall einer ansonsten erforderlichen Beiordnung keine Mehrkosten entstehen würden (BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – XII ZB 61/04, NJW 2004, 2749 [= AGS 2004, 349]; BAG, Beschl. v. 18.7.2005 – 3 AZB 65/03, NZA 2005, 1078; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl., 2016, Rn 691 ff). Kurz gesagt, wäre ansonsten die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes erforderlich, kommt eine Beiordnung des Rechtsanwaltes nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwaltes, somit unter Verzicht auf zumindest einen Teil der Reisekosten, nicht in Betracht.

a) Gem. § 121 Abs. 4 ZPO ist ein Verkehrsanwalt beizuordnen, wenn besondere Umstände vorliegen. Diese sind dann gegeben, wenn der Partei die Anreise zu einem im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, sei es aufgrund einer großen Entfernung, persönlicher Gebrechlichkeit, besonders schlechter Verkehrsanbindung oder sonstiger persönlicher Gründe (zu allem mit Beispielen und Nachweisen siehe nur Zöller/Geimer; ZPO, 32. Aufl., 201, § 121 Rn 20; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, a.a.O., Rn 699 ff.). Die Kammer geht dabei mit dem BAG (Beschl. v. 18.7.2005 – 3 AZB 65/03, a.a.O.) davon aus, dass es einem Rechtsuchenden grds. nicht zumutbar ist, einen auswärtigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen und zu unterrichten. Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht lediglich um einen sehr einfach gelagerten Sachverhalt, wie etwa die Geltendmachung einer abgerechneten Forderung geht, soweit hier eine Beiordnung überhaupt in Betracht käme.

Dabei ist auch die neuere Rspr. des BGH zu berü...

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