FamFG §§ 78, 217 ff.

Leitsatz

In einem wieder aufgenommenen Alt-Verfahren über den Versorgungsausgleich ist einem bedürftigen Beteiligten grundsätzlich ein Anwalt beizuordnen.

OLG Jena, Beschl. v. 12.12.2012 – 1 WF 646/12

1 Sachverhalt

Die Ehe der Beteiligten ist durch Urteil im Jahre 2002 geschieden worden. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich war abgetrennt und ausgesetzt worden.

Mit Beschl. v. 7.9.2012 hatte das FamG das Verfahren über den Versorgungsausgleich gem. Art. 111 FGG-ReformG i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG wieder aufgenommen. Daraufhin hat die Antragstellerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

Das FamG hat Verfahrenskostenhilfe bewilligt, jedoch die Beiordnung eines Rechtsanwalts aufgrund der einfachen Sach- und Rechtslage abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Das FamG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das vom Scheidungsverbund nach altem Recht abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich nach Wiederaufnahme nach dem 1.9.2009 als "selbstständige Familiensache" fortgeführt wird und somit ihre Eigenschaft als Folgesache verliert (vgl. BGH FamRZ 2011, 635 [= AGS 2011, 167]; so auch Senatsbeschl. v. 24.1.2011 – 1 WF 534/10). Weil somit auch die Erstreckung der Prozesskostenhilfe aus dem Scheidungsverbund gem. § 624 Abs. 2 ZPO a.F. entfallen ist, muss über die beantragte Verfahrenskostenhilfe in dem selbstständigen Verfahren neu entschieden werden (vgl. BGH a.a.O.; Senat a.a.O.)

Entgegen der Ansicht des FamG ist der Antragstellerin auch ihr Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe beizuordnen.

In selbstständigen Versorgungsausgleichssachen i.S.v. § 111 Nr. 7 FamFG ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwar nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG). Nach § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für derartige Verfahren im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe die Beiordnung eines Anwalts nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint (vgl. BGH FamRZ 2009, 857 [= AGS 2009, 286]; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 78 FamFG Rn 4 ff.; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl. § 78 Rn 4).

Die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung beurteilt sich hierbei nach den Umständen des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Maßgebend sind dabei Umfang und Schwierigkeit der konkreten Sache; ferner die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (BVerfG NJW-RR 2007, 1713; vgl. auch BVerfGE 63, 380, 394). Auch die existentielle Bedeutung der Sache oder eine besondere vom allgemeinen Verfahrensrecht stark abweichende Verfahrensart kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen.

Gemessen daran sind vorliegend die Voraussetzungen einer Beiordnung als erfüllt anzusehen. Denn beim Versorgungsausgleich ist regelmäßig von einer schwierigen Rechtslage auszugehen, da die zu erteilenden Auskünfte und die Berechnungen der Versorgungsträger zu prüfen sind, was partiell bereits Anwälten schwerfällt und daher ungleich mehr juristischen Laien (vgl. Musielak/Borth, Familiengerichtliches Verfahren, 2. Aufl., § 78 Rn 12; Schneider, AGS 2011, 58, 62). Der Aspekt der Prüfung der Auskünfte sowie die Möglichkeit der Einwirkung auf das Verfahren wird aber gerade vom FamG verkannt und damit die Problematik des Versorgungsausgleichs unzulässigerweise auf ein Minimum reduziert.

Unabhängig davon kann das FamG zudem die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach den gegebenen Umständen nicht unter Berufung auf § 78 Abs. 2 FamFG ablehnen, nachdem es die im früheren Verbundverfahren tätigen anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin von sich aus mit dem nunmehr durchzusetzenden Versorgungsausgleich befasst hat (vgl. Senatsbeschl. v. 24.1.2011 – 1 WF 543/10 [= AGS 2011, 134]; OLG Dresden FamRZ 2011, 662).

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietmar Rudloff, Gera

3 Anmerkung

Die Entscheidung des OLG ist im Ergebnis richtig. Ihre Begründung kann aus meiner Sicht auch abweichend hergeleitet werden, obwohl das OLG dem vom BGH aufgezeigten und dem Gesetz an sich entsprechenden Weg gefolgt ist. Ihm ist deshalb auch eigentlich nichts vorzuwerfen.

Ich gebe dennoch Folgendes zu bedenken: Das OLG geht zunächst davon aus, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in selbstständigen Versorgungsausgleichssachen nach § 111 Nr. 7 FamFG nicht vorgeschrieben ist und entnimmt dies als argumentum e contrario aus § 114 Abs. 1 FamFG. Danach müssen sich die Ehegatten in Ehe- und Folgesachen und Beteiligte in einer selbstständigen Familienstreitsache durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Zulässig ist der gezogene Umkehrschluss, dass es in selbstständigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht bedarf. Nach § 78 Abs. 2 FamFG kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur dann in Be...

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