Leitsatz

Beantragt die Partei Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich, führt dies bezogen auf die nicht rechtshängigen Gegenstände des Vergleichs nicht zu einer Reduzierung des Gebührensatzes auf 1,0 gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1003 VV (entgegen LAG Hamm, Beschl. v. 31.8.2007 – 6 Ta 402/07, NZA-RR 2007, 601; LAG Nürnberg, Beschl. v. 25.6.2009 – 4 Ta 61/09, NZA-RR 2009, 556; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.9.2010 – 5 Ta 132/10; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.12.2010 – 6 Ta 237/10; OLG Jena, Beschl. v. 14.9.2009 – 1 Ws 343/09, JurBüro 2010, 82; vgl. auch LAG München, Beschl. v. 17.3.2009 – 10 Ta 394/07).

LAG Düsseldorf, Beschl. v. 13.10.2014 – 13 Ta 342/14

1 Sachverhalt

Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger mit der Klageschrift Prozesskostenhilfe "für das vorliegende Verfahren" beantragt. Im Gütetermin schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Widerrufsvergleich, der auch nicht rechtshängige Gegenstände regelte. Der Antragsteller beantragte für den dortigen Kläger zu Protokoll "Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich". Die dortige Beklagte widerrief den Vergleich, da eine Kontaktaufnahme mit dem entscheidungsbefugten Regionalleiter nicht rechtzeitig erfolgen konnte. Im Anschluss einigten sich die Parteien jedoch auf einen Vergleich desselben Wortlauts (mit Ausnahme der Widerrufsmöglichkeit), dessen Zustandekommen und Inhalt das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss v. 10.4.2014 feststellte. Mit Beschluss v. 29.4.2014 bewilligte das ArbG dem Kläger "für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang".

Den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung der Anwaltsvergütung im Prozesskostenhilfe-Verfahren hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Beschluss v. 20.5.2014 zurückgewiesen, soweit dieser Gebührenansprüche für den Mehrvergleich umfasst. Der Erinnerung des Antragstellers hat das ArbG abgeholfen mit Ausnahme der für den Mehrvergleich verlangten 1,5 Einigungsgebühr; diese hat es nur mit einer 1,0 Gebühr berücksichtigt. Insoweit hat es die Erinnerung dem Kammervorsitzenden vorgelegt. Gegen dessen Zurückweisungsentscheidung (LAG Düsseldorf, Beschl. v 13.10.2014 – 13 Ta 342/14) wendet sich der Antragsteller mit der vom ArbG zugelassenen Beschwerde.

2 Aus den Gründen

Entgegen der Auffassung der Landeskasse fällt eine Einigungsgebühr von 1,5 für den Gegenstand eines Mehrvergleichs auch dann an, wenn eine der Parteien für den Abschluss des (Mehr-) Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt hat.

1. Nach der Regelung in Nr. 1003 VV führt zwar u.a. die Anhängigkeit eines Prozesskostenhilfeverfahrens zur Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0. Zur Überzeugung der Beschwerdekammer ist eine Anhängigkeit in diesem Sinn jedoch nicht gegeben, soweit Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich beantragt wird.

a) Dafür spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits unter der Geltung der BRAGO war umstritten, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich zu einer Reduzierung der Gebühr führte (dagegen die h.M. in Lit. und Rspr., insbesondere LAG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.1997 – 7 Ta 3/97, JurBüro 1997, 585; zum Streitstand Hessisches LAG, Beschl. v. 15.2.1999 – 9 Ta 12/99, NZA-RR 1999, 380; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rn 40b mit umfangreichen Nachw.). Nach einer weiteren Mindermeinung (OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.8.1997 – 7 WF 2281/97, JurBüro 1998, 137) sollte zu unterscheiden sein, ob der beabsichtigte Vergleich erst durch das Gericht mit den Parteien erarbeitet werden muss oder ob dies bereits außergerichtlich geschehen ist und der schriftliche Entwurf dem Gericht fertig ausformuliert vorgelegt wird. § 23 Abs. 1 BRAGO lautete wie folgt:

Für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs (§ 779 BGB) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist.

Die Regelung in Nr. 1003 VV entspricht dem weitgehend, allerdings enthält sie die Rückausnahme, dass "nicht lediglich Prozesskostenhilfe ... für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird". Die Formulierung geht zurück auf den bereits am 29.8.2001 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (RVG) der von der damaligen Justizministerin eingesetzten Expertenkommission BRAGO-Strukturreform, der zu Nr. 1003 VV im fraglichen Teil der Gesetz gewordenen Formulierung entspricht. Nach der Begründung des späteren Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP v. 11.11.2003 sollte der Vorschlag der (Vorgänger-) Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO entsprechen, er "soll zu einer Vermeidun...

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