RVG § 10 RVG VV Nr. 2300

Leitsatz

  1. War die Tätigkeit des Anwalts weder umfangreich noch schwierig, kann eine höhere Geschäftsgebühr als 1,3 nicht mit der Begründung verlangt werden, der Mehrbetrag bewege sich noch innerhalb des Toleranzbereichs von 20 %.
  2. Die Frage, ob der Anwalt mehr als die Schwellengebühr nach Anm. zu Nr. 2300 VV verlangen kann, ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht vollumfänglich überprüft werden kann. Ein Ermessensspielraum steht dem Anwalt insoweit nicht zu.
  3. Die Vorlage einer Kostenberechnung ist im Erstattungsprozess nicht erforderlich.
  4. Die Revision wird zugelassen.

OLG Koblenz, Urt. v. 5.9.2011 – 12 U 713/10

1 Sachverhalt

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Er hat seinen Unfallschaden in Höhe von 7.141,60 EUR sowie außergerichtliche Anwaltskosten (1,5-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer) in Höhe von 759,22 EUR geltend gemacht.

Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.330,54 EUR zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dabei hat das LG die Klage auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten in vollem Umfang abgewiesen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten.

Der Kläger trägt vor, eine Gebühr von 1,3 sei bei Verkehrsunfällen regelmäßig zu erstatten, ohne dass es dazu eines besonderen Vortrags zur Angemessenheit der Gebühr bedürfe. Bei Erstattungsfähigkeit einer 1,3-Gebühr könne das anwaltliche Ermessen dahingehend ausgeübt werden, dass ein Aufschlag von 20 %, mithin auch eine 1,5-Gebühr verlangt werden könne. Im Übrigen habe der Fall auch einen leicht überdurchschnittlichen Bearbeitungsaufwand erfordert.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie tragen vor, die Aktivlegitimation des Klägers sei nicht gegeben. Im Übrigen stehe dem Kläger allenfalls eine 1,0-Gebühr zu.

2 Aus den Gründen

Die Berufung ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten gem. § 7 StVG einen Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 546,68 EUR.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers hat die außergerichtlichen Anwaltskosten an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlt. Die von der Versicherung übernommenen Kosten hat der Kläger durch Vorlage der Kostenrechnung dargelegt. Den infolge der Übernahme dieser Kosten auf die Versicherung übergegangenen Erstattungsanspruch gegen die Beklagten hat die Versicherung ausweislich des vom Kläger vorgelegten Schreibens an den Kläger abgetreten.

Es ist unerheblich, ob die Voraussetzungen der §§ 8 und 10 RVG erfüllt sind. Diese Bestimmungen haben nur Bedeutung für das Verhältnis des Klägers zu seinen Prozessbevollmächtigten (vgl. LG Frankfurt/M., Urt. v. 27.1.2010 – 2/16 S 162/09; Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 8 RVG Rn 1, § 10 RVG Rn 1). Im Übrigen hat der Kläger im Berufungsverfahren die Kostenrechnung, die den Anforderungen des § 10 RVG entsprechen dürfte, vorgelegt.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind außergerichtlich für den Kläger tätig gewesen. Entgegen der Auffassung des LG bestand bereits in der ersten Instanz kein Anlass, an einer entsprechenden Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu zweifeln. Die Beklagten hatten eine solche Tätigkeit in der ersten Instanz nicht in Abrede gestellt. Auch im Berufungsverfahren haben die Beklagten eine außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bestritten.

Der Kläger kann für diese Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten eine 1,3-Gebühr gem. Nr. 2300 VV in Ansatz bringen. Die Gebühr ist aus einem Gegenstandswert von 5.330,34 EUR zu berechnen. Dieser Wert entspricht dem vom LG zugesprochenen Schadensbetrag. Die 1,3-Gebühr kann der Rechtsanwalt bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen regelmäßig ohne nähere Darlegungen verlangen (BGH NJW-RR 2007, 420 [= AGS 2007, 28]; OLG München VersR 2007, 267 [= AGS 2006, 540]). Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine unterdurchschnittlich schwierige Angelegenheit handelt, liegen nicht vor.

Eine höhere Gebühr als 1,3 kann der Kläger nach Auffassung des Senats nicht erstattet verlangen.

Bei der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV handelt es sich um eine Rahmengebühr i.S.d. § 14 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Gegen den Ansatz einer 1,3-Gebühr für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestehen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit keine Bedenken. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers berechnete 1,5-Gebühr ist jedoch unbillig.

Zur Bestimmung der Unbilligkeit können die Maßstäbe des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG herangezogen werden (Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn 55; BeckOK von Seltmann/Lutje, RVG, § 14 Rn 53; Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 14 RVG Rn 23). Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Er...

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