Nach Auffassung des BGH hat der Vorsitzende den Rechtsanwalt K zu Recht entpflichtet. Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO sei die Bestellung des Pflichtverteidigers u.a. dann aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet sei. Der Gesetzgeber habe damit einen in der obergerichtlichen Rspr. anerkannten Fall des Verteidigerwechsels normiert, der auf dem Gedanken der Sicherung einer sachgerechten Verteidigung beruht und bei dem es auf den Willen des Beschuldigten nicht ankomme (vgl. BT-Drucks 19/13829, 48; LR/Jahn, StPO, 27. Aufl., § 143a Rn 38 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., 2022, § 143a Rn 24; krit. BeckOK StPO/Krawczyk, 44. Ed., § 143a Rn 34; abl. Böhm, StV 2021, 196, 198 ff.). Insofern könne für die Frage, wann im Einzelnen das Fehlen einer angemessenen Verteidigung zu besorgen sei, auf die in der Rspr. entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. BGH StRR 4/2020, 15 = RVGreport 2020, 239 unter Verweis auf BT-Drucks 19/13829, 48). Danach komme nicht nur bei groben Pflichtverletzungen die Auswechslung eines beigeordneten Pflichtverteidigers in Betracht, sondern auch, wenn dieser aufgrund äußerlich veranlasster, von seinem Willen unabhängigen Umständen außerstande ist, eine angemessene Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten (vgl. OLG Hamburg StraFo 2021, 379). Denn der Zweck der Pflichtverteidigung bestehe sowohl darin, dem Angeklagten (soweit gem. § 140 StPO notwendig) rechtskundigen Beistand zu gewährleisten, als auch den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern (vgl. BVerfGE 39, 238, 242). In diesem Sinne steht die Verhinderung des Verteidigers an einem erheblichen Teil der (anberaumten oder anvisierten) Hauptverhandlungstermine einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf entgegen, wobei das Interesse des Angeklagten an einer Beibehaltung des bisherigen Pflichtverteidigers gegenüber dem insbesondere in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot unter Umständen zurücktreten muss, sodass eine Auswechslung eines bestellten, terminlich verhinderten Pflichtverteidigers im Einzelfall geboten sein kann. Auch wenn der Angeklagte in bestimmten Grenzen auf eine Verfahrensbeschleunigung verzichten können mag, dürfe der Fortgang einer Haftsache jedenfalls nicht erheblich verzögert werden (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Hamm StV 2006, 481; OLG Koblenz NStZ-RR 2015, 117; OLG Zweibrücken StRR 8/2021, 8). Dem zur Entscheidung berufenen Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers komme insoweit ein Beurteilungsspielraum zu. Die Auswechslung eines Pflichtverteidigers aufgrund terminlicher Verhinderung setze allerdings stets voraus, dass der Vorsitzende sich mit diesem in Verbindung setzt und ernsthaft versucht, dem Anspruch des jeweiligen Angeklagten, sich von dem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen, Rechnung zu tragen. Überdies dürfe kein gegenüber der Entpflichtung des Verteidigers milderes Mittel zur Verfügung stehen (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.).

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